Salzburger Landeshauptfrau Edtstadler: „Ich bin eine geborene Föderalistin“
Sind Landeshauptmänner verschwenderischer als Fürsterzbischöfe? Reicht der Hausverstand, um ein Budget zu sanieren? Ist sie die beste Bundesparteiobfrau, die die ÖVP nie haben wird? Karoline Edtstadler im profil-Gespräch.
Wilfried Haslauer senior hat gesagt, Landeshauptmann von Salzburg zu sein, ist das schönste Amt der Welt. Stimmen Sie dem zu?
Karoline Edtstadler
Wenn ich all die Ämter, die ich bisher innehaben durfte, nehme, dann ist es tatsächlich das schönste – allein schon deshalb, weil es im schönsten Bundesland Österreichs verankert ist, in Salzburg. Man sieht das hier am Amtssitz der Landeshauptleute mitten in der Altstadt mit Blick auf Stift Nonnberg und die Festung. Es ist nicht nur ein schönes Land, sondern es leben hier Menschen, die etwas weiterbringen wollen. Ich könnte mir ehrlich gesagt kein anderes Amt mehr vorstellen.
Schwärmen Sie Ihrer Kollegin Johanna Mikl-Leitner auch so von Salzburg vor? St. Pölten kann sich mit Salzburg eher nicht vergleichen.
Edtstadler
Ich sage das in allen anderen Bundesländern, weil ich davon überzeugt bin. Ich habe diese Kleinheit von Salzburg nicht immer geliebt, ich musste ein paar Mal raus: Wien, Straßburg, Brüssel. Aber nach so vielen Jahren ist es unfassbar schön, zurückzukommen. Kein anderes Bundesland hat diesen Mix aus Weltoffenheit, Kultur, Heimatverbundenheit und Natur. Deshalb bleibe ich dabei: Wir sind das schönste Bundesland Österreichs.
Und Sie sind die Fürsterzbischöfin?
Edtstadler
Nein. Ich habe als Ministerin immer gesagt: Ministerin kommt vom lateinischen „ministrare“, also „dienen“. Und genau so sehe ich das hier – dem Land und den Leuten dienen, mutige Reformen angehen, Entscheidungen treffen, die zukünftigen Generationen ein gutes Leben ermöglichen.
Die Barockpracht war teuer. Die Fürsterzbischöfe haben das Geld regelrecht verschwendet, ein bisschen so wie die letzte Landesregierung. Salzburg hat ein Finanzproblem, die Kassen sind leer. War Ihr Vorgänger Wilfried Haslauer junior auch zu verschwenderisch?
Edtstadler
Die Zeiten haben sich geändert. Es hat sich viel verschoben, wir haben eine schwierige Phase hinter uns, egal ob das die Finanzkrise war, die Gesundheitskrise oder die Migrationskrise. Da wurde viel Geld ins System gepumpt, und das wurde auch erwartet. Jetzt müssen wir die Budgets wieder ins Lot bringen und mit Hausverstand aufs Normalmaß zurückfahren.
Hausverstand heißt Ihren eigenen Worten zufolge auch, dass Land und Leute sich nicht überall die Luxusausstattung leisten können.
Edtstadler
Ich stehe zu dieser Aussage, auch wenn sie harsche Kritik ausgelöst hat. Es gibt Bereiche, in denen unsere Standards ausgeufert sind. Ein Beispiel: Ein neuer Kindergarten mit zehn Gruppen braucht nicht für jede Gruppe eine eigene Nasszelle. Es geht auch günstiger, ohne dass Qualität verloren geht. Ich war in einer Gemeinde im Flachgau, und dort hat man mir ganz stolz die Bodenplatte des zukünftigen Feuerwehrhauses präsentiert. Und dann hieß es gleich, es sei schade, wir hätten so gerne noch eine weitere Garage gebaut, die aber derzeit gar nicht benötigt wird. So etwas geht nicht mehr. Man muss auch die Kooperationen fördern. Wenn zwei Gemeinden sich zusammentun, um einen Recyclinghof oder einen Bauhof gemeinsam zu betreiben, sollten sie dafür mehr Subvention bekommen. Daneben setze ich Prioritäten. Was ist prioritär: das Thema Sicherheit mit Feuerwehren, das Thema Bildung mit Schulen und Kindergärten, natürlich auch die Versorgung der ältesten Generation mit Seniorenheimen.
Sie sparen im Sozialbereich ein, Familien müssen privat mehr zur Kinderbetreuung beitragen. Sie haben gesagt, Sie wollen nicht von allen geliebt werden. Das dürfte Ihnen mit Ihrem Sparkurs gelingen.
Edtstadler
Es macht keinen Spaß, zu sparen. Ich würde viel lieber als neue Landeshauptfrau allen sagen: Es wird besser, ihr bekommt mehr, sagt mir nur, was ihr wollt. Aber wir mussten bei den jüngsten Budgetverhandlungen im Land 140 Millionen Euro finden, um auf die vereinbarte maximale Neuverschuldung zu kommen. Aufgrund des neuen Stabilitätspakts mit dem Bund können wir uns nun doch höher verschulden, das Geld soll dem Pflegepersonal zugutekommen. Natürlich würde ich mir wünschen, alle würden mich lieben, aber dann wäre ich eine totale Realitätsverkennerin. Jetzt geht es darum, Salzburg sicher und klar zu führen.
Können Sie schon sagen, ob Salzburg im Vollzug sein Budget 2025 einhält?
Edtstadler
Ja. Wir haben bereits im April, noch vor meinem Amtsantritt, und dann Anfang Oktober in den laufenden Vollzug eingegriffen und zusammen rund 90 Millionen Euro eingespart. Damit werden wir den vorgegebenen Budgetpfad einhalten.
Es ist in den vergangenen Jahren nicht alles so gekommen, wie ich mir das manches Mal auch erhofft hatte. Es ist kein Geheimnis, dass ich bereit gewesen wäre, EU-Kommissarin zu werden. Aber der Mensch denkt und Gott lenkt.
Die Länder melden keine Budgetzahlen, der Finanzminister weiß nicht, wie hoch das gesamtstaatliche Budgetdefizit ist. Was läuft da falsch in Österreich?
Edtstadler
Das ist sehr verkürzt und so nicht richtig. Wir melden natürlich unsere Zahlen ein und sind verpflichtet, monatlich Zahlen an die Statistik Austria zu melden. Darüber hinaus schauen wir auf einen ordnungsgemäßen Vollzug. Aber klar ist auch: Wenn die Länder kostenintensive Aufgaben wie Krankenhäuser, Kinderbetreuung und Pflege übernehmen und dazu nicht die nötigen Mittel aus dem Steuerkuchen bekommen, wird es natürlich schwierig.
Reformen bringen keinen Schönheitspreis. Die Politiker erklären uns oft, das Volk wolle endlich große Reformen sehen und werde dann die im Amt befindlichen Regierungen dafür belohnen. Das Gegenteil ist der Fall. Jeder Bürger will vielleicht Reformen, aber keiner bei sich, wenn sie Geld kosten.
Edtstadler
Politik schaut oft nur auf die nächste Wahl. Aber gerade jetzt muss man tun, was notwendig ist. Wir dürfen das Land nicht an die Wand fahren. Deshalb bin ich in der Politik – nicht, weil ich muss, sondern aus Verantwortung für mein Enkelkind. Natürlich wird die nächste Wahl im Jahr 2028 zeigen, ob wir klar genug vermitteln konnten, dass schmerzhafte Einschnitte notwendig waren.
Wenn Sie durch die Salzburger Altstadt spazieren, kommen dann die Menschen auf Sie zu und reden Sie wegen des Sparkurses an?
Edtstadler
Natürlich. Es gibt auch Zustimmung, wenn Bürger sich positiv zum eingeschlagenen Kurs äußern, auch wenn man gerade ein Museum oder eine Gebäudesanierung streicht.
Sie haben unlängst gefordert, dass die Gesundheitsagenden zur Gänze an den Bund gehen und die Bildung im Gegenzug an die Länder. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner haben sofort widersprochen. So viel zur Möglichkeit von Reformen.
Edtstadler
Mir war schon klar, dass mein Vorstoß nicht unkommentiert bleiben wird. Aber wir müssen größere Reformen überlegen. Das Kirchturmdenken im Gesundheitssystem muss enden. Spezialisierung ist wichtig. Patienten wollen dorthin, wo medizinische Erfahrung vorhanden ist, zum Beispiel in ein Spital, wo jeden Tag Knieoperationen durchgeführt werden und nicht einmal im Monat. Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit müssen zusammenspielen.
Die Erfahrung lehrt uns, dass die Bürger ihre Spitäler im Bezirk behalten wollen. Der frühere steirische ÖVP-Landeshauptmann Christopher Drexler hat die Wahlen vergangenes Jahr unter anderem deswegen verloren, weil er im Bezirk Liezen mehrere kleine Spitäler schließen und durch ein großes Leitspital ersetzen wollte.
Edtstadler
Das Thema ist emotional aufladbar. Man muss auch die Bürger ernst nehmen und das Gespräch mit ihnen suchen. Wenn der Bund die Gesundheitsagenden zentral steuert, muss den Ländern natürlich ein Mitspracherecht bleiben, weil diese am besten wissen, wo es vor Ort Spitäler braucht. Aber man muss faktenorientiert diskutieren. Manche Einrichtungen sind wirtschaftlich oder medizinisch nicht optimal aufgestellt.
Ich blicke hier aus meinem Arbeitszimmer direkt hinauf zur Festung. Warum sollte ich wieder nach Wien wollen?
Im Juni wurde im Salzburger Leogang die sogenannte Reformpartnerschaft zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ins Leben gerufen, die einen effizienteren Staat und den Abbau von Bürokratie bringen soll. Das Ergebnis wird erst Ende 2026 vorliegen. Gut Ding braucht Weile. Aber haben wir so viel Zeit?
Edtstadler
Ende 2026 ist in neun, zehn oder elf Monaten, je nachdem, wie man das definiert. Das ist also kein so langer Zeitraum. Der Österreich-Konvent vor 20 Jahren dauerte länger und beschäftigte deutlich mehr Experten als die Reformpartnerschaft. Wichtig ist, dass im Rahmen der Reformpartnerschaft endlich über die großen Themen Energie, Bildung, Gesundheit und Verwaltung gesprochen wird. Aber dazu muss man sich schon auch die notwendige Zeit nehmen.
Der von Ihnen angesprochene Österreich-Konvent erarbeitete viele Reformvorschläge, von denen aber nur wenige umgesetzt wurden. Warum sollte es diesmal funktionieren? Ist der Leidensdruck mittlerweile so viel höher?
Edtstadler
Der Druck durch Schulden und das Budgetdefizit sind gewiss viel höher. Und die Erwartungshaltung ist klar: Ergebnisse müssen kommen.
Sie waren als Bundesministerin für die Verfassung zuständig. Ziel der Reformpartnerschaft ist auch eine, wie es heißt, Verfassungsbereinigung. Wo im Verfassungsdickicht könnte man denn roden?
Edtstadler
Im Schulwesen, im Elektrizitätswesen, bei der Aufgabenverteilung. Den Bürger interessiert es nicht, ob Probleme in die Zuständigkeit des Bundes, der Länder oder der Gemeinden fallen. Die Bürger wollen, dass sie gelöst werden.
Vielleicht würde ja ohne Föderalismus alles besser funktionieren.
Edtstadler
Der Föderalismus ist wesentlich für Österreich und hat uns zu dem erfolgreichen Land gemacht, das wir immer noch sind.
Waren Sie tief im Herzen nie zumindest ein bisschen zentralistisch eingestellt, etwa als Ministerin in der Bundesregierung?
Edtstadler
Nein. Ich bin geborene Föderalistin. Die Nähe zum Bürger ist entscheidend. Und der Bürger will, dass Überbürokratie abgebaut wird und Geld in Zukunftsprojekte und nicht in die Verwaltung fließt. Das hat nichts mit der Abschaffung des Föderalismus zu tun.
Und Sie und Ihre Landeshauptfrau-Stellvertreterin Marlene Svazek von der FPÖ sind das dynamische Duo, das diesen Bürokratieabbau in Salzburg angeht.
Edtstadler
Ich arbeite mit Marlene Svazek sehr gut zusammen.
Hat sich in den bisherigen fünf Monaten Ihrer Amtszeit Ihre These bewahrheitet, dass die Svazek-FPÖ nicht die Kickl-FPÖ ist, sondern etwas ganz anderes?
Edtstadler
Definitiv. Wir haben ein gutes Arbeitsklima. Und wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, dann diskutieren wir uns das aus.
In der Politik gibt es auch eine Realverfassung, die von hohem Gewicht ist, wie man bei der Institution der Landeshauptleutekonferenz erkennen kann.
Als FPÖ-Obmann Herbert Kickl Innenminister war, dienten Sie im Ressort als Staatssekretärin. Kaum jemand in der ÖVP kennt Herbert Kickl so gut wie Sie. Sind Sie erleichtert, dass er im Februar nicht Bundeskanzler wurde?
Edtstadler
Ich bin sehr froh, dass Christian Stocker Bundeskanzler ist. Er ist ruhig und hat intellektuellen Tiefgang. Er ist keiner, der spaltet und Öl ins Feuer gießt. Ich bin auch dankbar, dass er jetzt angekündigt hat, bei der Nationalratswahl 2029 wieder anzutreten.
Es gibt für die ÖVP ein Alternativszenario. Sie gewinnen 2028 die Landtagswahlen in Salzburg, bleiben zunächst Landeshauptfrau, werden dann ÖVP-Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl und im Idealfall in der Folge Bundeskanzlerin. Guter Plan?
Edtstadler
Ich blicke hier aus meinem Arbeitszimmer direkt hinauf zur Festung. Warum sollte ich wieder nach Wien wollen?
Der Blick aus dem Bundeskanzleramt in den Wiener Volksgarten ist auch schön.
Edtstadler
Wenn ich die Salzburgerinnen und Salzburger überzeugen kann, bei der Landtagswahl 2028 für mich zu stimmen, was ich sehr hoffe, dann werden mich keine 100, keine 200 Pferde von Salzburg wegbringen.
Das war vielleicht der Fehler der ÖVP unter Obmann Karl Nehammer, Sie nicht in der Bundespolitik zu halten. Die ÖVP hat nicht viele Personalreserven für die Parteiführung.
Edtstadler
Ich kann nicht über Entscheidungen anderer sprechen. Es ist in den vergangenen Jahren nicht alles so gekommen, wie ich mir das manches Mal auch erhofft hatte. Es ist kein Geheimnis, dass ich bereit gewesen wäre, EU-Kommissarin zu werden. Aber der Mensch denkt und Gott lenkt. Ich bin sehr glücklich und zufrieden in meiner jetzigen Position, obwohl es keine leichten Zeiten sind.
Die Landeshauptleutekonferenz ist mächtig, aber in der Verfassung gar nicht vorgesehen. Wie geht es Ihnen als Juristin damit?
Edtstadler
Vielleicht ist sie genau deshalb so mächtig.
Das sagen Sie als ehemalige Verfassungsministerin?
Edtstadler
In der Politik gibt es auch eine Realverfassung, die von hohem Gewicht ist, wie man bei der Institution der Landeshauptleutekonferenz erkennen kann.
In der Landeshauptleutekonferenz sind mit Ihnen und Johanna Mikl-Leitner nur zwei Frauen vertreten.
Edtstadler
Wenigstens sind wir jetzt schon zwei. Die längste Zeit war Johanna Mikl-Leitner die einzige. Das hat auch damit zu tun, dass Landeshauptleute vergleichsweise lange im Amt bleiben.
Ihr Vorgänger Wilfried Haslauer war zwölf Jahre Landeshauptmann. Peilen Sie auch diese Marke an?
Edtstadler
Wir werden sehen, vorstellbar ist es natürlich. Dann wäre ich vom Alter her aber wirklich eine Großmutter.
Zur Person: Karoline Edtstadler, 44
Die gelernte Richterin und Strafrechtsexpertin wechselte 2014 vom Landesgericht Salzburg ins Justizministerium unter Minister Wolfgang Brandstetter und im Jahr 2016 an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. 2017 wurde sie Staatssekretärin im Innenministerium, 2019 Europa-Abgeordnete und 2020 Bundesministerin für EU und Verfassung. Seit Juli ist sie Landeshauptfrau von Salzburg.
ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und seit 2025 Leiter des Innenpolitik-Ressorts. Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl.