Wolfgang Sobotka

Sobotka: „Vernichtungsfeldzug gegen die ÖVP“

NR-Präsident Sobotka kritisiert Zweifel an Russland-Sanktionen; ÖVP-U-Ausschuss sei am Eskalieren; beim Corona-Management von der Schweiz lernen.

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In einem Interview mit profil kritisiert Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) die Zweifel an den EU-Sanktionen gegen Russland, wie sie auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) äußerte. Sobotka: „Jeder, der von dieser europäischen Einigkeit abweicht, folgt letztlich dem russischen Narrativ. Die Sanktionen zeigen Wirkung in Russland. Wer das Gegenteil behauptet, spielt das Spiel von Putin.“ Nicht Thomas Stelzer sei für die Sanktionen zuständig, sondern die Bundesregierung, so Sobotka.

Der Außenauftritt der ÖVP-Grünen-Koalition ist nach Ansicht des Nationalratspräsidenten unbefriedigend: „Jahrelang wurde die Message-Control der Regierung kritisiert. Jetzt gibt es diese Struktur nicht mehr. Die Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation sind um ein Vielfaches schlechter geworden.“

Den Verlauf des ÖVP-Untersuchungsausschusses bewertet Sobotka negativ: „Ich habe den Eindruck, dass es zunehmend eskaliert. Sogar der Verfahrensrichter im U-Ausschuss moniert, man könne leicht den Eindruck eines Tribunals gewinnen.“ Insgesamt werde, so Sobotka, „ein Vernichtungsfeldzug gegen die ÖVP“ geführt. Die medialen Spekulationen um die Zukunft von Parteiobmann Karl Nehammer seien „klar aus dem Oppositionsbereich“ gekommen. Nach wie vor finde er es „bedenklich, unter welchen Bedingungen Kurz schlussendlich weichen musste“. Sobotka: „Dass man eine Regierung mit bloßen Anzeigen allein fast stürzen kann, irritiert mich doch sehr. Ich hätte gern Beweise für ein belegbares Fehlverhalten am Tisch.“

Kritik an seinen publik gewordenen politischen Interventionen weist Sobotka gegenüber profil zurück: „Ich interveniere bis heute – in dem Sinn, dass ich mich für Menschen einsetze, die an mich herantreten, das ist letzten Endes meine Aufgabe als gewählter Mandatar.“ Er selbst habe nie jemanden bevorzugt, weil dieser ÖVP-Mitglied sei.

In der Corona-Politik habe die Bundesregierung nuneinen Weg wie die Schweiz eingeschlagen“, so Sobotka. Dies begrüße er sehr: „Nüchtern betrachtet hat die Schweiz bei gleichem Ergebnis weniger Geld für Corona-Hilfen verbraucht. Daraus müssen wir lernen.“

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profil: Sie sind streitbar, der „Standard“ nannte Sie den „Trump aus Waidhofen an der Ybbs“. Trifft das zu?
Sobotka: Ich habe mit Trump nichts gemeinsam und kann mit solchen Zuschreibungen wenig anfangen. 

profil: Sie gelten als eher konfliktfreudig.
Sobotka: Das war ich nie. Ich gehöre allerdings zu den Politikern, die Ecken und Kanten haben, bleibe bei meiner Grundhaltung  und verbiege mich nicht. 

profil: Ex-SPÖ-Kanzler Christian Kern bezeichnete Sie als „Abrissbirne“ der SPÖ-ÖVP-Koalition. 
Sobotka: Geschichte ist Geschichte, was vorbei ist, ist vorbei. 

profil: Die Große Koalition war unbeliebt. Jetzt ist Türkis-Grün unbeliebt, das Vertrauen im Keller. Was macht die Regierung falsch?
Sobotka: Wir sind permanent in aufgeregter Stimmung und leben in extremen Zeiten. Da  hat jede Regierung in Europa Schwierigkeiten,  breiten Zuspruch zu erhalten. Viele Menschen sind verunsichert, haben Ängste und halten alles für schlecht. Dabei steht die österreichische Regierung im EU-Vergleich noch gut da. Nehmen wir das Beispiel der Covid-Finanzierungsagentur Cofag: In Italien gab es bei Corona-Hilfen Betrugsverdacht in Milliardenhöhe, in Deutschland über Hunderte Millionen. Bei uns ist die Aufgeregtheit oft eine künstliche.

profil: Weil der Rechnungshof die Cofag heftig kritisiert.
Sobotka: Es ist nicht fair, diesen Rohbericht ohne Gegenstellungnahme des Finanzministeriums auszuschlachten. Denn es gibt die erste Erkenntnis des Rechnungshofes. Und es gibt die Ansicht des Finanzministeriums mit 1000 Mitarbeitern.

profil: Kritisiert wird etwa, dass der Cofag-Geschäftsführer zwei Gehälter kassierte. 
Sobotka: Meines Wissens war das nur von Mai bis Dezember so und wurde geändert. Wenn wir stets eine Neidgenossenschaft erzeugen, werden wir ewig diese Negativstimmung haben. 

profil: Neid erklärt nicht, warum die Regierung so viel Vertrauen verlor. Zuletzt beschloss sie ein 28-Milliarden-Euro-Paket, trotzdem hat die Bevölkerung das Gefühl, die Regierung tut nichts gegen die Teuerung. 
Sobotka: Jahrelang wurde die Message Control der Regierung kritisiert. Jetzt gibt es diese Struktur nicht mehr. Die Öffentlichkeitsarbeit und die Kommunikation sind um ein Vielfaches schlechter geworden.

profil: Sie vermissen die Message Control?
Sobotka: Ich vermisse Kommunikationsstrategien, auch in Bezug auf Menschen und Unternehmen, die Unterstützung bekommen. Es gibt den alten Spruch: Tu Gutes und rede darüber. Das Zweite ist: Wir hatten noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg so eine multiple Krisensituation. Irgendwann steigen die Menschen aus  und sehnen sich nach einfachen Antworten. Die Politik darf nicht den Fehler machen, einfache Antworten zu versprechen. Das bringt kein Vertrauen zurück.

profil: Was bringt Vertrauen zurück?
Sobotka: Man muss Themen konsequent verfolgen, kalkulierbar sein, nicht gleich die Flinte ins Korn werfen und Haltung zeigen. Das bringt Vertrauen. 

profil: Was ist Ihre Haltung zur CO2-Besteuerung, soll sie im Oktober kommen? 
Sobotka: Ich habe es als Nationalratspräsident bis dato so gehalten, mich zur der Tagespolitik nicht zu äußern. Muppets, die Ratschläge geben, gibt es genug. Die Regierung hat die Einführung der CO2-Steuer beschlossen und bis Oktober ausgesetzt. Derzeit arbeitet sie an einer Methode, die steigenden Strompreise in den Griff zu bekommen. Dann wird sie gewichten: In welcher Höhe sind Bevölkerung, Wirtschaft und Unternehmen entlastet worden – und ist in Relation die CO2-Bepreisung zumutbar. 

profil: Themenwechsel zum ÖVP-U-Ausschuss. Kanzler Karl Nehammer sagte im profil-Interview, im Untersuchungsausschuss würde sich einige Abgeordnete benehmen, als wäre es ein Tribunal. Unterschreiben Sie das?
Sobotka: Ich habe den Eindruck, dass es zunehmend eskaliert. Sogar der Verfahrensrichter im U-Ausschuss moniert, man könne leicht den Eindruck eines Tribunals gewinnen. Das spricht Bände. Dennoch bin ich vorsichtig mit solchen Formulierungen, ich würde damit Öl ins Feuer gießen. Ich achte im Ausschuss sehr stark und vehement auf die Rechte der Auskunftspersonen. Da gibt es natürlich Konflikte. 
profil: Ihnen wird Parteilichkeit vorgeworfen. 

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Das ganze Interview finden Sie in der profil-Ausgabe 35/2022 - hier als E-Paper.

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Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin