Ein Frau erfrischt sich bei Hitze an einem Brunnen.

Spardruck: Vielen Gemeinden fehlt das Geld für Klimawandelanpassung

Österreich leidet unter der ersten Hitzewelle des Jahres – und es wird nicht die letzte sein. Weil Gemeinden sparen müssen, fehlt vielerorts das Geld für Projekte zur Klimawandelanpassung. Was hilft bei Hitze – und worauf sollte man achten?

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500 neue Bäume, ein 700 Quadratmeter großer Seerosenteich, insgesamt wird eine Fläche von 40.000 Quadratmeter vom Beton befreit: eigentlich ein Projekt zur Klimawandelanpassung mit Vorbildfunktion, das im oberösterreichischen Wels entsteht. Für den FPÖ-Bürgermeister Andreas Rabl spielt die Erderhitzung dabei aber nur eine Nebenrolle, im Zentrum stehe die Lebensqualität. Der Rechnungshof spricht vom „österreichweit größte Entsiegelungsprojekt“, das derzeit im Welser Volksgarten umgesetzt wird. Dort, wo sich jahrzehntelang die Messehallen 1 bis 13 befanden, wird ab 2026 ein Park so groß wie 14 Fußballfelder entstehen. Geplante Kosten für das Projekt: 20 Millionen Euro. Laut Rechnungshof „eine wichtige Maßnahme zur Anpassung an den Klimawandel“ und ein „Vorbild für andere Städte“. Wels kann sich das leisten. Denn anders als in den meisten österreichischen Gemeinden geht es dem Welser Stadtbudget gut.

Messehalle 1 bis 13 in Wels
Ein Rendering des neuen Volksgarten Wels

links: © Yewo Landscapes GmbH

rechts: © Yewo Landscapes GmbH

Bildrechte: Yewo Landscapes GmbH

Bis 2028 könnten laut dem Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) die Hälfte aller Kommunen hierzulande zu Abgangsgemeinden werden – die laufenden Einnahmen würden dann die laufenden Ausgaben nicht mehr decken. Während aufgrund dieser finanziellen Situation vielerorts mit Müh und Not Kinderbetreuungsstätten errichtet werden, wird in anderen Gemeinden diskutiert, ob stadteigene Immobilien verkauft werden sollen. In Klagenfurt zum Beispiel, oder in Waidhofen an der Ybbs. Für Klimaschutzmaßnahmen fehlt das Geld. Und das wird dieser Tage besonders spürbar.

Österreich befindet sich in der ersten Hitzewelle des Jahres. 35, 36, 31, 29 und 33 Grad Celsius soll es bis Anfang nächster Woche bekommen. Solche Hitzeperioden werden laut dem jüngst präsentierten Klimabericht in den kommenden Jahren immer häufiger. Das belastet die Bevölkerung. In der aktuellsten Befragung der Statistik Austria gaben österreichweit 46 Prozent der Befragten an, dass sie unter der Hitze leiden. In Wien sind es fast 60 Prozent, in Kleinstädten fast jede zweite befragte Person. Beim Hitzeschutz – Stichwort Klimawandelanpassung – hinkt Österreich aber hinterher: „Die Anpassungsbemühungen in Österreich sind in Umfang, Ausrichtung und Tempo unzureichend, um den zunehmenden Klimarisiken zu begegnen“, schreiben die Forscherinnen und Forscher im Bericht.

Wenig Geld für Klimawandelanpassung

„Aus unseren Erfahrungen und Erhebungen unter Städten und Gemeinden wissen wir, dass derzeit Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsmaßnahmen hintangestellt werden, da Elementarpädagogik und Schulen Vorrang haben – und meist auch höher gefördert werden“, sagt Karoline Mitterer vom Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) zu profil. Weniger Beton, mehr Grünraum, mehr Bäume und das Schaffen von Schattenflächen, all das kostet Geld. Vor allem, was die Maßnahmen gegen Hitze betrifft, ortet das KDZ „beträchtliche Finanzierungslücken“. Zwar gebe es mit den Klimawandel-Anpassungsmodellregionen Unterstützung bei der Planung, „jedoch scheitert es dann oft an der Finanzierung“, sagt die Verwaltungsforscherin. Weil die rechtlichen Verpflichtungen von Gemeinden für den Bau und die Instandhaltung von Schulen und Kindergärten deutlich höher sind als Maßnahmen gegen die Hitze, haben solche Projekte in Kommunen Vorrang.

Umweltminister Norbert Totschnig (ÖVP) möchte in den kommenden Wochen ein Klimagesetz vorlegen. Dieses soll einen Klimafahrplan enthalten, Arbeitsgruppen definieren, oder auch, wie Expertinnen und Experte sowie die Öffentlichkeit einbezogen werden sollen, um die Emissionsziele Österreichs zu erreichen. Ob darin auch Konsequenzen formuliert werden, wenn Ziele nicht erreicht werden oder Maßnahmen nicht ausreichend sind – vom Bodenschutz, bis zu den Emissionen bei Gebäuden, im Verkehr oder in der Landwirtschaft –, ließ der Minister in der ORF-Pressestunde am Sonntag offen.

Während gesetzliche Klimaschutzmaßnahmen in Österreich derzeit keinen hohen Stellenwert haben, dominieren laut den Forscherinnen und Forscher des zweiten Sachstandsberichts zum Klimawandel in Österreich „inkrementelle Maßnahmen“. Gemeint sind damit Veränderungen innerhalb eines bestehenden Systems, ohne dieses grundlegend zu verändern. Plakativ gesagt sind hier Sensibilisierungsmaßnahmen wie das eigene Einkaufssackerl aus Stoff, Zuschüsse für Photovoltaikanlagen, Elektroautos oder Dämmung sowie Bäume zur Kühlung der Umgebung gemeint – ohne dabei Mobilität und Verkehr grundlegend neu zu denken oder Bauvorschriften sowie die Stadtplanung zu verändern. Aber auch Hitzepläne zählen dazu. Solche Folder bieten die Bundesländer Wien, Steiermark, Kärnten, Vorarlberg und Niederösterreich an. In Oberösterreich wird ein solcher ausgearbeitet, ebenso wie im Burgenland und in Salzburg. Tirol stellt auf einer Website des Landes zahlreiche Tipps zur Verfügung, wie man sich etwa beim Sporteln in der Hitze verhalten soll. Obendrauf gibt es einen nationalen Hitzeschutzplan, der erst vor wenigen Wochen aktualisiert wurde.

Verhalten bei Hitze

Das Hauptziel dieser Pläne ist laut Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Med Uni Wien alle, aber vor allem vulnerablen Gruppen in der Gesellschaft zu erreichen. „Da geht es um Gesundheits- und Krankeneinrichtungen, Seniorenwohnhäuser, Kindergärten, Schulen, bis hin zu Menschen, die chronische erkrankt sind und dauerhaft Medikamente einnehmen müssen“, so der Experte der Med Uni Wien. Und: ganz generell geht es laut Hutter darum, ein Bewusstsein zu schaffen, dass die zunehmende Hitze als größtes Problem im Zusammenhang mit dem Klimawandel in Österreich wahrgenommen wird. Denn während viele hierzulande beim Umgang mit extremer Kälte deutlich erfahrener sind und ihr Verhalten bei tiefen Minusgraden oder Glatteis anpassen, fehle dieses Bewusstsein bei Temperaturen jenseits der 30 Grad Celsius. „Ich sehe dieser Tage leider immer noch genug Personen, die zur Mittagszeit laufen gehen. Die sind grundsätzlich fit, gehören zu keiner Risikogruppe – mit ihrem Verhalten manchen sie sich aber selbst zu einer“, so der Umweltmediziner.

Wie also umgehen mit Hitze? Fünf Tipps vom Experten, die banal klingen – und dennoch oft nicht umgesetzt werden:

  • Körperliche Aktivitäten verschieben

Erledigungen oder Sport auf möglichst bald in der Früh oder spät am Abend verschieben. Nicht zu unterschätzen sind akute Erkrankungen wie ein Hitzeschlag, der jedenfalls als lebensbedrohlich gilt, sagt Hutter. Oft seien auch junge Menschen betroffen, die in der Hitze Sport betreiben. Aber generell gilt: Alles ruhiger angehen.

  • Ausreichend trinken

Bei Temperaturen jenseits der 30 Grad Celsius schwitzt der Körper mehr als sonst, dadurch geht auch mehr Flüssigkeit und Mineralstoffe verloren als gewöhnlich. „Wenn ich zu älteren Menschen, die einen halben Liter pro Tag trinken, sage: trinken Sie drei Liter, dann ist das für mich so als wie wenn Sie zu mir sagen: Laufen Sie einen Marathon in zweieinhalb Stunden. Das ist erstmal weit weg und eine Überforderung, die wenig Sinn macht. Man muss angepasst Mengen kommunizieren", sagt Hutter. Ausreichend trinken heißt in diesem Fall: mehr als sonst über den Tag verteilt trinken, und bevor der Durst kommt und das auch überprüfen – etwa indem man sich eine bestimmte Menge (Sportflasche, Karaffen, etc.) hinstellt.

  • Auf die Ernährung achten

„Österreichische Küche kann schon Hardcore sein", spricht Hutter die tendenziell deftigen und fleischlastigen Mahlzeiten an. Bei extremer Hitze gilt es diese zu reduzieren, lieber mehrere kleine Portionen mit Obst und Gemüse über den Tag verteilt, empfiehlt der Mediziner. Damit entlaste man den Körper, der sich dann meist auch aufgrund der höheren Temperaturen in der Nacht nicht im gewohnten Ausmaß erholen kann. 

  • Hitze nicht in die Wohnung lassen

Lüften sollte man vor allem frühmorgens, idealerweise so, dass quer durch die Wohnung ein Luftzug entsteht. Tagsüber wird empfohlen, die Hitze erst gar nicht in die Innenräume - sowie wie möglich - zu lassen, etwa mit Jalousien oder Außenrollos. Reicht das alles nicht, helfen Klimageräte.

  • Anderen helfen, wenn es die eigene Situation zulässt

„Wenn man selbst einkaufen geht und sieht, dass sich eine andere Person plagt, fragen, ob man etwas mitnehmen kann“, rät Hutter zur Nachbarschaftshilfe als eine Kernmaßnahme während Hitzewellen. Oder sich erkundigen, ob die Person anders Hilfe braucht, „auch wenn es nur das Rollos herunterlassen ist“.

Welche Rolle Hitzetage und Tropennächte an Ihrem Wohnort spielen und wie sich das im Laufe der Jahre verändert hat, können Sie auf der Plattform Klimadashoboard abrufen.

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.