Aufsteller für Trinkgeld steht auf einer Bar

Neue Trinkgeld-Regel: Was sich für Kellner und Wirte ändern könnte

Die Sozialpartner verhandeln eine neue Regelung für das Trinkgeld in Österreich. Das jetzige Abgabensystem ist zu kompliziert, da sind sich alle einig. Was die Reform für Kellner und Wirte bedeuten könnte.

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Im Wiener Traditionscafé Goldegg steht Jutta Scheuch hinter der Bar. Sie ist Gastwirtin und Arbeitgeberin von 23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wenn sie über das Thema Trinkgeld spricht, wird Scheuch schnell wütend. Die Debatte geht ihrer Meinung nach völlig an der Realität vorbei. Der Vorschlag einer einheitlichen Trinkgeldpauschale in ganz Österreich ist für sie nur ein weiterer Ausdruck der Schieflage im Land. Und überhaupt: „Der Vorwurf, dass wir Wirte an dem Trinkgeld mitnaschen würden, ist absurd“, sagt Scheuch. „Ich bin Unternehmerin, ich habe davon genau gar nichts.“ Trinkgeld sei laut Scheuch „ein Ausdruck von Leistung, und die erbringt nicht der Betrieb, sondern der einzelne Mitarbeiter“.

Im Café Goldegg im 4. Bezirk in Wien behalten die Kellnerinnen und Kellner ihr eigenes Trinkgeld. „Jeder hat seine Station, jeder kassiert selbst – so war das immer. Wer gut arbeitet, verdient mehr. Wer sich weniger bemüht, bekommt weniger. Das ist fair.“ Einen Teil des Trinkgelds gibt jede Servicekraft an Küche und Schank ab. Dass Gäste in Wien manchmal als „knausrig“ gelten, kann Scheuch nachvollziehen. Aber: „Die Leute spüren die Teuerung. Trotzdem geben sie etwas, weil sie guten Service schätzen. Und weil man sich auch über das Trinkgeld ausdrücken kann: Wer nicht zufrieden war, gibt halt nichts.“

In den vergangenen Wochen wirkte es manchmal fast so, als müssten sich die Landeshauptleute schützend vor das Trinkgeld und Wirtinnen wie Jutta Scheuch stellen. Zum Beispiel Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner: „Im Heimatland der Gastfreundschaft“, offenbar meinte sie Österreich, „ist Trinkgeld eine der unmittelbarsten Formen der Leistungshonorierung“, sagte sie der „Krone“. Deswegen müsse das Trinkgeld abgaben- und steuerfrei sein. Unterstützt wird sie von ihrem Amtskollegen aus Tirol, Anton Mattle. Ihm zufolge sei „Trinkgeld ehrlich verdient und steht den fleißigen und freundlichen Mitarbeitern zu“. Das Anliegen vereint die Landeshauptleute über Parteigrenzen hinweg, auch Hans Peter Doskozil von der SPÖ stimmte aus dem Burgenland den ÖVP-Politikern zu. Bloß: Wer bedroht eigentlich das Trinkgeld, das die Landeshauptleute da so vehement verteidigen?

Irrtümer über die Trinkgeldpauschale

Darauf eine nüchterne Antwort zu geben, ist schwierig. Die Debatte basiert auf einer explosiven Mischung: hier das Ungerechtigkeitsempfinden, wenn das Geld, das der Gast dem Personal freiwillig gibt, nicht zu 100 Prozent auch bei diesem ankommt.

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.

Daniela Breščaković

Daniela Breščaković

ist seit April 2024 Innenpolitik-Redakteurin bei profil. War davor bei der „Kleinen Zeitung“.