Warum wurde in Bundesheer-Umfrage nach Kurz-Beliebtheitswerten gefragt?

Im Jahr 2020 ließ das Verteidigungsministerium eine Umfrage durchführen, bei der auch Fragen zur Beliebtheit des Kanzlers gestellt wurden. Wer gab das in Auftrag?

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Dieser Artikel erschien erstmals im profil Nr. 31/2020 vom 26.07.2020

Was ist Politikern noch wichtiger als gute Presse? Gute Umfragewerte. Mit großem finanziellen Aufwand betreiben Parteien und Ministerien Meinungsforschung. Die meisten Befragungen werden nie veröffentlicht. Sie dienen Politikern als vertraulicher Stimmungstest. Es ist also wenig verwunderlich, dass das Verteidigungsministerium im Juni eine Umfrage durchführen ließ, um herauszufinden, wie das Bundesheer bei den Österreichern dasteht.

Doch im Fragebogen, der profil auszugsweise vorliegt, wurden auch Fragen gestellt, die mit dem Militär gar nichts zu tun haben. Und zwar parteipolitische Fragen, etwa nach dem Wahlverhalten. Das Verteidigungsressort bestreitet, diese Fragen beauftragt zu haben. Doch wer hat sie dann gestellt - und wer hat dafür bezahlt? Sicher ist: Das Umfrageinstitut Demox Research kann getrost als ÖVP-nahe bezeichnet werden. Der Geschäftsführer war einst Direktor des Wiener Bauernbundes. Im Kuratorium des Instituts sitzt mit Franz Sommer ein renommierter Sozialforscher, der als wichtiger Einflüsterer von Kanzler Sebastian Kurz gilt. Sicher ist auch: Demox erhielt den Auftrag, Mitte Juni unter 1000 repräsentativ ausgewählten Österreichern eine Online-Befragung durchzuführen, die intern das Kürzel "BMLV_0620" trug - also Bundesministerium für Landesverteidigung. 17.200 Euro netto bezahlte das Ministerium dafür. Im Gegenzug lieferte Demox Research Auswertungen zum Sicherheitsgefühl der Österreicher, zur Angst vor Corona und zur Haltung gegenüber dem Bundesheer.

Doch auf dem profil vorliegenden Fragebogen finden sich noch deutlich mehr Fragen - sie klingen, als wären sie direkt von einer Partei beauftragt worden: "Wie zufrieden bzw. unzufrieden sind Sie mit der Art und Weise, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz auf die Gefahren der Coronavirus-Epidemie reagiert hat?" Oder: "Und wenn Sie zwischen Sebastian Kurz und Werner Kogler entscheiden müssten: Wem würden Sie da Ihre Stimme geben?" Der Auftraggeber will politisch offenbar auf alle Eventualitäten vorbereitet sein: "Wenn bei der nächsten Nationalratswahl für die SPÖ nicht mehr Pamela Rendi-Wagner, sondern Hans Peter Doskozil als Spitzenkandidat antreten würde: Welcher Partei würden Sie da Ihre Stimme geben?" Und schließlich wurde auch das Wahlverhalten für die anstehende Wien-Wahl abgefragt - sowie Forderungen der Opposition: etwa ob die Österreicher eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes befürworten.

Das Verteidigungsministerium habe diese parteipolitischen Fragen garantiert nicht beauftragt, versicherte ein Sprecher des Ressorts auf profil-Anfrage. Wer dann?

Paul Unterhuber, Geschäftsführer von Demox Research, erklärte, es habe sich um eine sogenannte "Omnibus-Befragung" gehandelt. Das ist Meinungsforscher-Sprech und bedeutet, dass die Fragen mehrerer Auftraggeber in einem Fragebogen zusammengeführt werden - um Kosten zu sparen.

Das Verteidigungsressort war laut Sprecher nicht über die Zusatzfragen informiert. Im Anbot von Demox findet sich lediglich der Hinweis, dass sich das Institut vorbehält, die Befragung als Omnibus durchzuführen - dass tatsächlich ein zweiter Auftraggeber hinzukam, wurde dem Verteidigungsministerium aber nicht kommuniziert. Und auch eine Kostenreduktion für das Ressort hatte der zweite Auftraggeber nicht zur Folge.

Ungewöhnlich: "Üblicherweise wird dem Kunden im Vorhinein bekannt gegeben, dass es sich um eine Omnibus-Befragung mit mehreren Auftraggebern handelt. Wenn es eine solche ist, sollte der Auftraggeber den Preisvorteil auch kalkulieren können - im Gegensatz zur teureren Einzelbefragung", erklärt Peter Bruckmüller, Vorstand des Verbands der Meinungsforschungsinstitute.

Unterhuber von Demox will gegenüber profil den zweiten Auftraggeber nicht nennen, der die politischen Fragen beauftragte. Zur unterbliebenen Kostenreduktion sagt er: "Die Preisgestaltung beruhte auf dem branchenüblichen Zugang, mehrere Fragebogenteile in einer Omnibusbefragung zusammenzufassen. Der Preis wurde angeboten, und es war unser unternehmerisches Risiko, ob es zusätzliche Kunden gibt oder nicht."

Für Douglas Hoyos, Wehrsprecher der NEOS im Nationalrat, wirft die Causa Fragen auf: "Es ist schon auffällig, dass ein ÖVP-nahes Meinungsforschungsinstitut in letzter Zeit gehäuft Umfragen für Ministerien macht - und gleichzeitig wohl auch für die ÖVP. Da stellt sich natürlich die Frage, ob das Ministerium den Großteil der Kosten trägt." Hoyos will nun eine parlamentarische Anfrageserie an alle Ministerien richten.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.