Weißenkirchen in der Wachau mit seinen 1300 Einwohnern ist stolz auf seine Traditionen. Seit dem Mittelalter lebt der Ort vom Weinbau, viele Flächen sind seit Generationen im Familienbesitz, in einem der über 60 Weinbaubetriebe steht eine der ältesten Weinpressen des deutschsprachigen Raums – sie soll laut einem Gutachten etwa 500 Jahre alt sein und war bis in die 1990er-Jahre im Einsatz.
Mit einer Tradition will Weißenkirchen brechen. Seit Jahrzehnten gibt es im Gemeindegebiet drei Freiwillige Feuerwehren: In Weißenkirchen und den dazugehörigen Ortsteilen Wösendorf und Joching. Sie wollen sich laut einem Mitgliederentscheid aus dem Vorjahr ab 2026 zusammenschließen, unter einem Kommando. Allerdings nur, wenn die Gemeinde bis dahin einen Grundsatzbeschluss zum Bau eines neuen Feuerwehrhauses fällt. Das ist in der Vorwoche passiert.
Ein Gemeindepolitiker meint, die Causa bereite ihm längst „schlaflose Nächte“. Denn die Diskussion um den neuen Feuerwehr-Standort ist in Weißenkirchen aus vielen Gründen eine delikate Angelegenheit.
Zum einen, weil die Florianis – wie in den meisten Kleingemeinden – das Dorfleben prägen und auch im Gemeinderat stark vertreten sind. Zum anderen, weil Weißenkirchen aufgrund seiner exponierten Lage an der Donau eine einsatzfähige Feuerwehr und damit ein geeignetes, modernes Gebäude braucht. Beim Jahrhunderthochwasser 2002 wurde der Ort überflutet, selbst das Feuerwehrhaus stand unter Wasser – die Schäden waren enorm. Seither gibt es zwar mobile Hochwasserschutzwände, doch die drei alten Feuerwehrhäuser rotten vor sich hin: Ihr schlechter Zustand ist ihnen schon von außen anzusehen, sie wurden in einer Zeit gebaut, als Löschfahrzeuge halb so groß waren wie heute. In eines der drei Häuser passt der rote Einsatz-Lkw nicht mehr hinein, er parkt weit weg von der Kommandozentrale in einer anderen Halle.
Heikle Grundstückssuche
Anders als viele Landgemeinden verfügt Weißenkirchen nicht über hektarweise grüne Wiesen, die mit Einkaufszentren und Gebäuden für Blaulichtorganisationen zubetoniert werden können. Neben den engen mittelalterlichen Siedlungen gibt es Weingärten und Wälder – mehr Platz ist da nicht. Weil diese Landschaft Jahrhunderte überdauerte, zählt sie zum Unesco-Weltkulturerbe. Große Bauvorhaben wie das Feuerwehrhaus können diesen Status ernstlich in Gefahr bringen.
Dem entgegen steht eine Richtlinie des Bundesfeuerwehrverbandes, die genau regelt, welche Mindestausstattungen ein neues Feuerwehrhaus erfüllen muss. Die Richtlinie ist zwar kein Gesetz – wird aber faktisch wie eines behandelt.
Wenn Gemeinden wie Weißenkirchen nicht allein die Kosten für die Häuser tragen wollen, müssen sie die Förderkriterien des Bundeslandes erfüllen – und die sehen in Niederösterreich vor, dass das Haus eben jenen Richtlinien der Feuerwehr entsprechen muss. profil konnte Einsicht in das Papier nehmen.
Vier Meter breite und hohe Fahrzeugtore, zehn Meter tiefe Parkplätze, Räume für Jugend, Kommando, Garderoben und ein Schulungssaal, der pro Mitglied mindestens 1,2 Quadratmeter groß sein muss: Das alles ist auf 64 Seiten fein säuberlich geregelt. Die Mindeststandards des Bundesfeuerwehrverbands sind großzügig bemessen. Kein Wunder also, dass Feuerwehrhäuser selbst in Dörfern wie kleine Festungen anmuten.
Zurück zu den Bauplänen in Weißenkirchen, im Ortsteil Joching (siehe Luftbilder). Eine Arbeitsgruppe aus Feuerwehrleuten und Gemeindepolitikern prüfte mögliche Standorte und schlug auch eine zweite Option vor – neben jener Halle, in der die mobilen Hochwasserschutzwände lagern. Die Option wurde aber bisher von der Gemeinde weniger intensiv verfolgt als der Standort mit den Gründen der Feuerwehrleute, warum auch immer.
Im März des Vorjahres landete die Causa erstmals auf der Tagesordnung des Gemeinderats. Der Vizebürgermeister, selbst bei der Feuerwehr, berichtete, dass für den Neubau am favorisierten Standort – den Weingärten – bereits „Vorgespräche mit den Grundeigentümern betreffend Grundankauf geführt“ worden seien. Die benötigten Grundstücke würden „auf ihren Verkehrswert geschätzt“.
Insiderwissen bei der Feuerwehr?
Der Gemeinderat unterstützte das Anliegen der Feuerwehren nach einem gemeinsamen Standort im Vorjahr. Die Freigabe der finanziellen Mittel und der finale Standort wurden aber noch nicht beschlossen.
Dennoch beauftragte die Gemeinde eine Projektstudie und vertiefte die Gespräche mit drei Grundstückseignern, allerdings nur für einen der beiden infrage kommenden Standorte. Jenem, der den Feuerwehrleuten gehört. Mit den Grundbesitzern unterzeichnete die Gemeinde sogenannte Optionsverträge. Sie sichern der Gemeinde bis 2027 ein Vorkaufsrecht gegen einen vertraglich vereinbarten Preis und liegen profil vor.
Zwei der drei Herren bekleiden hochrangige Funktionen bei der örtlichen Feuerwehr. Haben sie für diesen Standort lobbyiert? Sehen sie einen Interessenkonflikt? Auf entsprechende profil-Anfragen antworteten beide Feuerwehrfunktionäre nicht.
In Summe bieten die drei Grundstückseigentümer fast 7000 Quadratmeter zum Verkauf. Sollte die Gemeinde die vereinbarten Optionen ziehen, werden die Florianis gut entschädigt. Die beiden Feuerwehrfunktionäre könnten Ersatzweingärten von der Gemeinde kaufen – um 23 Euro pro Quadratmeter, der Wert wurde per Gutachten bestimmt. Für ihre jetzigen Flächen würde die Gemeinde den Feuerwehrmännern hingegen 120 Euro pro Quadratmeter bezahlen.
Brisant: Für diese Grundstücke wurde kein Verkehrswertgutachten erstellt. Die Berechnung, sagt Bürgermeister Christian Geppner zu profil, beruhe auf Erfahrungswerten. Der Preis vergleichbarer Anbauflächen liege bei rund 20 Euro, durch eine Umwidmung sei mit einer „starken Wertsteigerung“ zu rechnen. Das Fünffache, so Geppner, sei angeblich eine „übliche Abgeltung“ für Eigentümer.
Für die beiden Feuerwehrfunktionäre wären die Erlöse beträchtlich. Einer würde aus dem Grundstücksdeal 270.000 Euro erhalten, der andere etwas über 300.000. Der Dritte im Bunde, der ebenfalls ein Grundstück anbietet, hat weder politische noch feuerwehrinterne Funktionen.
Delikates Detail: Erst Ende 2020 hatte einer der beiden Feuerwehrmänner einer älteren Frau aus Wien ein an seinen Weingarten angrenzendes Stück Land abgekauft. Für 673 Quadratmeter bezahlte er 5000 Euro – das entspricht 7,43 Euro pro Quadratmeter.
Sollte das Bauvorhaben realisiert werden, würde er allein mit dieser Fläche rund 75.000 Euro Reingewinn machen. Die Diskussionen um ein neues Feuerwehrhaus laufen laut profil-Infos schon länger. Ob er beim Ankauf über die Pläne bereits informiert war? Auch keine Antwort.
Bürgermeister Geppner empfängt profil in seinem Büro. Er deutet auf das Wandbild seines verstorbenen Vorvorgängers und sagt, dass schon unter ihm über das Feuerwehrhaus diskutiert worden sei. Geppner sagt auch: „Mir ist bewusst, dass das nicht gut aussieht mit den Grundstücken, aber: Wir haben hier nicht viel Platz, und kaum ein Weinbauer gibt seinen Grund her.“
Der Ortschef befürchtet, dass die beiden Feuerwehrmänner durch allzu negative Berichterstattung den Verkauf abblasen könnten. Rein rechtlich können sie das laut Optionsverträgen nicht. Das Projekt bezeichnet Gepp-ner noch als offen und verweist auf viele ungeklärte Fragen. Eine Welterbekommission solle prüfen, ob das Projekt mit dem Unesco-Status der Wachau vereinbar sei. Unklar sei auch, ob das Innenministerium sich an den Kosten für die Polizeiinspektion beteiligen werde – auch dort muss bekanntlich gespart werden. Und dann sind da noch die Schulden der Gemeinde, die bereits jetzt bei immerhin 4,7 Millionen Euro liegen. Das Feuerwehrprojekt würde, konservativ geschätzt, sechs Millionen verschlingen. Das Land würde maximal die Hälfte zuschießen.
Dass dem Bürgermeister die schiefe Optik dämmert, hat offenbar Folgen: Nun soll es auch eine Studie für den anderen Standort geben. Damit nichts anbrennt.