Vor 15 Jahren bezeichnete sich Khol selbst noch als „nicht mehrheitsfähig“. Wird sich das bei der Wahl ändern?

Wie Andreas Khol versucht, ein Publikumsliebling zu werden

Wie Andreas Khol versucht, ein Publikumsliebling zu werden

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Im Präsidentschaftswahlkampf ist Andreas Khol der einzige Kandidat, der nicht er selbst sein darf. Fraglos verfügt der frühere Klubchef, Nationalratspräsident und ÖVP-Seniorenbund-Obmann über für das Höchstamt praktische Kompetenzen wie Erfahrung, Repräsentabilität und Fremdsprachenkenntnisse. Khol kennt die formalen und informellen Machtmechanismen der Republik. Er wusste meistens schon in der Ouvertüre einer innenpolitischen Auseinandersetzung, wer in der Schlussszene am Boden liegen würde – oft genug setzte er selbst den finalen Hieb. Generationen-Neutralität und Überparteilichkeit würde er sich als Bundespräsident wohl im Learning-by-doing-Verfahren in der Hofburg aneignen. Falls er dorthin kommt: Will Khol Staatsoberhaupt werden, muss er sich entkholen. Das bedeutet: Milde statt Schärfe; Humor statt Spott; Zurückhaltung statt Überlegenheitspose. Eine Bundespräsidentenwahl wird nicht durch kalte Kompetenz gewonnen, sondern mit Sympathiewerten.

Man kann Andreas Khol nach vier Jahrzehnten in der Politik einiges vorhalten – dass er zu Gefallsucht neige, freilich nicht. Khol wollte nie Everybody’s Darling sein. In einem „Falter“-Interview 2001 bezeichnete er sich als „nicht mehrheitsfähig“. Er sei „zu kantig, zu grob, zu tirolerisch, zu direkt, zu unsympathisch“. Im Bundespräsidenten-Wahlkampf 2016 probiert Khol den Rollenwechsel.

Kann die Übung gelingen? Eine profil-Anleitung in fünf Schritten.

Darüber reden

Khol kennt sein Sympathiedefizit. Und daher tut er im Wahlkampf das einzig Richtige: Er thematisiert es und behauptet das Gegenteil. Als ÖVP-Klubobmann, so Khol, sei seine Rolle eben jene des „Rossebändigers“ und „Koalitionskutschers“ gewesen. Nun sei er ein anderer. Es wäre nicht Khol, wenn er seine Wandlung nicht mit einer Metapher garnierte: „Ich habe Wasser in meinen Essig gegossen.“

Schon Khols Wahlkampfintro im Februar klang wie ein Versöhnungsangebot an alle Wähler: „I mog des Land, i mog die Leit’.“ Sogar Parteifreunde spotteten, nicht einmal die eigenen Leit’ würden Khol uneingeschränkt mögen. Weil das auch der Kandidat zu spüren scheint, investierte er den Großteil seines bisherigen Wahlkampfs in Treffen mit Parteifunktionären. Denn zum Erfolg braucht Khol den bedingungslosen Einsatz der Bauernbündler im Tiroler Oberland, der Wirtschaftsbündler im Bezirk Freistadt, der ÖAABler in der Mur-Mürz-Furche und der stark-schwarz-weiblichen Wienerinnen; und vor allem seine Seniorenbund-Funktionäre, die er entsprechend pflegt.

Begleitet man Khol ein paar Tage im Wahlkampf, verliert man leicht den Überblick, ob man noch bei der Seniorenbund-Gruppe in der Stadthalle in Mödling oder schon im Festsaal in Wiener Neudorf sitzt. Zu seinen Senioren in Zwettl im Waldviertel sagt Khol: „Seit ich nicht mehr Nationalratspräsident bin, mögen mich die Leute.“ Und beim Besuch im ORF-Landesstudio St. Pölten verspürt er Sympathie von allen Seiten.

Etwas Autosuggestion kann bei der Metamorphose zum Publikumsliebling sicherlich nicht schaden.

Locker sein

Zu den schwierigsten Wahlkampfdisziplinen zählen die zwanglose Kontaktaufnahme und der lockere Plausch mit Bürgern. Ob diese glücken, hängt auch von der Wahl der Begegnungsstätte ab. Als Wolfgang Schüssel vor Jahren von seinem Organisationsteam in die Linzer Frauenklinik geschleppt wurde, war ihm dies so unangenehm, dass er einer jungen Mutter mit Neugeborenem im Arm die denkbar unpassendste Frage stellte: „War es ein Wunschkind?“

Hit the road again: Andreas Khol will noch einmal einen großen Auftritt auf der Politikbühne

Dem sechsfachen Wunschkinder-Vater Andreas Khol kann dies nicht passieren. In Fußgängerzonen und Einkaufszentren kennt er keine Hemmungen. Wie im „Mariandl Shopping Center“ in Krems: Khol bestärkt die Fachkraft im Optikerladen („Brillen sind ein sicheres Geschäft“), besticht im Unterwäsche-Shop mit Slogan-Kenntnis („Huber-Trikot macht froh“) und erfreut sich im Elektrogeschäft am Produktangebot („Große Auswahl hier“). Im Friseur-Studio wünscht er „guten Umsatz“, in der Boutique mit Frühjahrskollektion „bald wärmeres Wetter“. Auch Khols Dialoge mit Bürgern haben Unterhaltungswert: „Grüß Gott, mein Name ist Khol“ – „Natürlich.“ – „Wieso natürlich?“ – „Ich kenn’ Sie vom Fernsehen“ – „In Natur bin ich aber fescher.“ – „Natürlich.“

Wahlkampf ist das Bohren von harten Brettern.

Bring Your Family

Andreas Khols persönliche Sympathie-Botschafterin heißt Heidi. Jahrzehntelang hielt sich Khols Frau von Medien fern und achtete auf ihre Privatsphäre. Als potenzielle First Lady zeigt sie nun erstaunliche Bühnenpräsenz. Die Dramaturgie ihrer Auftritte ist streng vorgegeben, der Einsatz passt: Gern erzählt Andreas Khol auf Wahlkampframpen, wie er am 30. Dezember 2015 – gerade beim Holzhacken im Keller – von Reinhold Mitterlehner telefonisch das Angebot erhielt, Kandidat zu werden. Der Bundesparteiobmann, so Khol, habe ihm zudem geraten, gleich einmal bei seiner lieben Frau nachzufragen. Aber das „kann die Heidi besser erzählen“. Auftritt Heidi: Khols Gattin singt mit einigem rhetorischen Talent das hohe Lied auf die Fähigkeiten ihres Mannes – und wie er „die Leute wirklich mag“. Bald feiere man den 50. Hochzeitstag.

Die Vermarktung seiner Familie nimmt bei Khol amerikanische Ausmaße an. Dass sein Sohn Julian mit RTL-Moderatorin Nazan Eckes verheiratet sei und diese das schönste Deutsch der gesamten Familie spreche, erwähnt er, wann immer sich die Gelegenheit bietet. Schon bei der Eröffnung seines Wahlkampfbüros im Februar purzelten die Enkelkinder durch die Zimmerfluchten. Perfektes Timing: Am Tag vor der Wahl am 24. April findet die – seit Langem geplante – Taufe des 15. Enkelkinds in Wien statt. Über den genauen Schauplatz wahren die Khols Stillschweigen. Sollte er doch noch durchsickern, würde es am Wahltag wohl ein paar entzückende Fotos des stolzen Opas in den Zeitungen geben.

Vom Pater Familiae zum Pater Patriae kann es dann eigentlich nicht mehr weit sein.

Sich neu erfinden

„Ein altes Ross lernt keinen neuen Tritt“, sagte Andreas Khol früher über sich. Und auch: „Ich bin so schwarz, ich werfe im Arlbergtunnel einen Schatten.“ Da überraschte es schon, dass Khol sich im Wahlkampf mit Bernie Sanders identifizierte. Hillary Clintons Konkurrent in den Vorwahlen der Demokraten ist wie Khol Jahrgang 1941, bezeichnet sich selbst aber als „Sozialisten“. So weit würde Khol nicht gehen. Er zeigt Volksverbundenheit, indem er in dem nach der Winterpause wiedereröffneten Schweizerhaus im Wiener Prater eine Stelze isst. Er beweist „Krone“-Kompatibilität, indem er sich offensiv gegen das US/EU-Freihandelsabkommen TTIP ausspricht. Und was seine Rolle in der schwarz-blauen Koalition unter Wolfgang Schüssel betrifft, solle man nicht „mit den Ellen von heute“ die Vergangenheit messen.

Die hohe Kunst des Wahlkampfs besteht freilich darin, beim Buhlen um neue Wähler nicht auf die Kernschichten zu vergessen. So trifft Khol – Couleurname „Welf“ – im Lauf seiner Kampagne regelmäßig mit Bundesbrüdern vom Cartellverband zusammen. Den Adel bearbeitete er mit einem Besuch beim St. Johanns Club am Wiener Stubenring. Und auch die streng konservative Wiener ÖVP-Landtagsabgeordnete und Abtreibungsgegnerin Gudrun Kugler wirbt bereits für Khol in ihrer Zielgruppe. Wenn er auch in den meisten Umfragen, abgesehen von Richard Lugner, an letzter Stelle liegt („Natürlich ist das nicht fein“), dürfte Khol zumindest im Segment der Freunde der Bundesländer absoluter Favorit sein, wie er vor zwei Wochen bei einer Veranstaltung erklärte: „Ich bin ein Freund des Föderalismus. Alle anderen Kandidaten sind Zentralisten.“

Das Amt neu erfinden

Dienstagvormittag vergangener Woche erklärte Andreas Khol in einer Veranstaltung des ÖVP-nahen Management-Clubs, er hätte gewisse Mitglieder der aktuellen Regierung mangels Kompetenz nicht angelobt. Auf die Frage des Moderators, um welche Minister es sich handle, lächelte Khol milde. Dass er dabei nur an rote Regierungsmitglieder denke, verneinte er indirekt.

Mit seinem überraschenden Bekenntnis beabsichtigte Khol zweierlei: aufzufallen und sich als starkes potenzielles Staatsoberhaupt zu positionieren. Wie alle Kandidaten glaubt auch Khol, das Volk wünsche sich nach zwölf Jahren Heinz Fischer einen aktiveren Bundespräsidenten. Und so will er aus dem Amt herausholen, was der Verfassungsbogen hergibt: Khol will ein aktiver Oberbefehlshaber des Bundesheeres sein, ohne zu wissen, was genau das bedeutet. Dazu will er Trainer der Regierung, Ehrenschützer der Republik, Wirtschaftsstandortsicherheitsgarant und generell „Bürgerpräsident“ sein. Darunter versteht er, wie er vor ÖVP-Senioren im Waldviertel erläuterte, dem Volk „im Sinne Luthers aufs Maul zu schauen“, Sprechtage in den Bundesländern abzuhalten und das Ehrenamt zu fördern. Und obendrein, so Khols Versprechen, würde er die Neujahrsansprache des Bundespräsidenten etwas schmissiger anlegen.

Er könnte dabei etwa verraten, welche Minister er nicht angelobt hätte. Der profil-Tipp nach jahrzehntelanger Andreas-Khol-Beobachtung: Gerald Klug, SPÖ, fachlich unbelasteter Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie; Sophie Karmasin, partei- und einflusslose Bundesministerin für Familie und Jugend.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.