zu sehen ist der ÖVP-Klubobmann August Wöginger im Rahmen einer Pressekonferenz
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Wögingers Verteidigungslinie: „Würde nicht mehr so agieren“

ÖVP-Klubobmann Wöginger steht wegen mutmaßlichem Amtsmissbrauch vor Gericht. In einer schriftlichen Gegenäußerung erklärt er, warum die Weitergabe von Bewerbungsunterlagen für ihn zur Wahlkreisarbeit gehörte – und was er heute anders machen würde.

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August Wöginger (ÖVP) ist einer, mit dem man reden kann. Diesen Ruf genießt der Klubobmann der Volkspartei über alle Parteigrenzen hinweg. Seine Netzwerk-Qualitäten zeigte er etwa nach der Zustimmung der ehemaligen Klimaschutzministerin Leonore Gewesslers (Grüne) zum Renaturierungsgesetz auf EU-Ebene, die in eine Regierungskrise mündete. Die Achse zwischen Wöginger und Sigrid Maurer (Grüne) vermittelte nicht nur in dieser Sache. Sondern galt immer dann als vertraulicher Gesprächskanal, wenn das Verhältnis zwischen der Kanzlerpartei und ihrem Juniorpartner in der vergangenen Regierung angespannt war. 

Wöginger ist nun bereits so lange Klubobmann, dass er mit jeder im Parlament vertretenen Partei in einer Koalition war. Parteichefs und Kanzler gingen, er blieb, und hielt den Kontakt als umtriebiger Kommunikator aufrecht. 

Wöginger ist ein redseliger Oberösterreicher, der mit fast allen kann. Einer, der Bürgeranliegen weitergibt. Auch jenes, das ihm nun zum Verhängnis werden könnte.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sieht in Wöginger einen Anstifter zum Amtsmissbrauch. Es geht um die Besetzung der Leitung des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding. Wöginger soll über den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, Druck ausgeübt haben, um einem befreundeten ÖVP-Bürgermeister den Posten zu verschaffen. Wöginger bestreitet die Vorwürfe. Für ihn gilt vollumfänglich die Unschuldsvermutung.

Die beiden Mitangeklagten – der damalige Regionalmanager für Oberösterreich und Salzburg (heute Chef des Finanzamts Österreich) sowie ein weiteres Mitglied der Begutachtungskommission – haben laut „Kurier“ am Montag am Landesgericht Linz eine „Verantwortungsübernahme“ eingereicht. Damit übernehmen die beiden Beamten die Verantwortung für das ihnen vorgeworfene Verhalten. Ihnen wird neben Amtsmissbrauch auch falsche Zeugenaussage vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgeworfen.

Worauf sich Wöginger und sein Anwalt stützen werden, zeichnet sich aber bereits vor dem ersten Verhandlungstag am heutigen Dienstag ab. Der ÖVP-Klubobmann übermittelte Anfang August eine 21-seitige Gegenäußerung an das Landesgericht Linz, in dem er sein Politikverständnis im Zusammenhang mit der ihm vorgeworfenen Straftat beschreibt.

„Oftmals als Ansprechpartner identifiziert“

Darin verweist Wöginger auf die zahlreichen Funktionen, die er im Ermittlungszeitraum (Ende 2016/Anfang 2017) innehatte. Neben seiner Tätigkeit als Nationalratsabgeordneter war der Innnviertler damals Obmann der klubinternen Arbeitsgemeinschaft der Abgeordneten des ÖAAB (der Arbeitnehmerbund der Volkspartei; Anm.) – und „als solcher automatisch einer von mehreren Stellvertretern des Klubobmanns, Bezirksobmann in Schärding, Landesobmann in Oberösterreich und Bundesobmann des ÖAAB und Landesparteiobmann-Stellvertreter der ÖVP Oberösterreich.“

Ebenjene Funktionen macht Wöginger auch dafür aus, dass „immer wieder sowohl Parteikollegen als auch parteifremde Personen“ Anliegen an ihn herangetragen hätten, „in der Hoffnung, dass ich sie unterstütze oder mich ihrer Sache annehme“, schreibt der ÖVP-Politiker in seiner Gegenäußerung. Und: „Es scheint, als gingen viele Menschen davon aus, dass ich aufgrund meiner Funktionen in der Politik und in der Partei eine starke und hörbare Stimme habe und werde ich wohl deshalb oftmals als Ansprechpartner identifiziert.“ Auch, wenn Wöginger selbst gar nicht die richtige Ansprechperson für viele der Anliegen gewesen sei.

„Bindeglied zur Bevölkerung“

Denn – und hier zitierte Wöginger den verstorbenen Politikwissenschafter Hurbert Sickinger – die Abgeordneten seien „Bindeglied einerseits zwischen der Bevölkerung, spezifischen Interessen in ihrem Wahlkreis, den lokalen Parteiorganisationen und auch Interessenverbänden, und andererseits der Regierung und Verwaltung“. Es sei also „eine wesentliche Frage, wie offen die Abgeordneten für an sie herangetragene Probleme sind“.

Deshalb – so argumentiert Wöginger – sei es undenkbar, ein an ihn herangetragenes Anliegen „schlicht zu ignorieren oder nur die Auskunft zu geben, ich sei dafür nicht zuständig.“ In seinem Schreiben an das Landesgericht Linz betont Wöginger, dass Anliegen „natürlich nur in gesetzeskonformer Weise“ unterstützt werden können.

Im konkreten Fall habe er Bewerbungsunterlagen eines ÖVP-Bürgermeisters, mit dem er nicht befreundet sei, aber den er aus dem ÖAAB kenne, an den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, weitergegeben. Und er habe Schmid mitgeteilt, dass er glaube, der Bürgermeister sei für die Leitung des Finanzamtes BRS geeignet. „Damit war die Angelegenheit für mich erledigt“, so Wöginger.

Warum dann die überschwänglichen Chats mit Schmid? 

„Wir haben es geschafft :-)) Der Bürgermeister schuldet dir was!“, schrieb Schmid an Wöginger im Februar 2017, als Wögingers ÖAAB-Kontakt Leiter des Finanzamtes BRS wurde. Wenige Minuten später antworte Wöginger: „echt super!! Bin total happy“ inklusive Emojis. Kurz danach noch eine Nachricht von Wöginger an Schmid „DANKESCHÖN“. Schmid darauf: „Kein Thema freue mich auch dass das geklappt hat!“

Wöginger fühlt sich im Schreiben an das Landesgericht auch von Schmids Einvernahme entlastet: Schmid sagte, dass Wöginger lediglich einen „Wunsch“ deponiert habe und man ihm einen „Gefallen“ tun wollte. Wöginger dazu: „Ich hatte aber natürlich in keiner Weise verlangt oder auch nur angedeutet, dass hier irgendjemand rechtswidrig oder gar strafrechtswidrig handeln soll, und auch gar nicht für möglich gehalten, dass dies jemand tun könnte.“

Dass sich der heutige ÖVP-Klubobmann im Chat mit Schmid so ausgiebig freute, erklärt Wöginger ebenfalls: Einerseits habe er sich tatsächlich sehr für den ÖVP-Bürgermeister gefreut, andererseits sei es „in diesem informellen Rahmen durchaus geläufig, seinen Kommunikationsstil unterbewusst an sein Gegenüber anzupassen.“ Hier schlägt Wöginger  die Brücke zu anderen, mittlerweile legendären Chats von Thomas Schmid. Stichwort: „Ich liebe meinen Kanzler“, das schrieb Schmid damals an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), als er mit diesem über die Konstruktion des ÖBAG-Aufsichtsrates chattete. Wöginger argumentiert: „Wie sich aus dem Akt ergibt, waren die Nachrichten von MMag Schmid im Generellen – und nicht nur mir gegenüber – lebhaft und überschwänglich verfasst und habe ich wohl versucht, meine eigenen Nachrichten an diese Form der Kommunikation anzugleichen.“

Mit den 21 Seiten legt Wöginger seine Sicht der Dinge dar, erklärt sein Verständnis von Wahlkreisarbeit und bezieht sich dabei nicht nur auf Sickinger, sondern auch andere Studienergebnisse von Forscherinnen und Forscher, die die Relevanz der Bürgernähe hervorstreichen. Im Rahmen dessen habe er damals ungefähr alle 14 Tage Sprechstunden im Bezirksbüro der ÖVP Schärding und in weiteren Gemeinden seines Wahlkreises abgehalten. Zu einer solchen sei Ende 2016 eben auch jener ÖVP-Bürgermeister mit seinem Anliegen gekommen, Leiter des Finanzamtes BRS werden zu wollen. Einen Termin, den Wöginger rückblickend anders handhaben würde, wie er abschließend schreibt.

Denn, „aufgrund der Rezeption dieser Situation in der Öffentlichkeit, muss ich aber ehrlich zugeben, dass ich mit dem heutigen Wissen nicht mehr so agieren würde und ein entsprechendes Anliegen direkt auf den offiziellen Dienstweg verweisen würde.“

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.