Panorama

Wie Österreichs Gaming-Szene tickt

Der österreichische Gaming-Markt boomt: Konsolen- und mobile Spiele sind so beliebt wie nie, und heimische Spieleentwickler sind international gefragt.

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Österreich ist ein Land der Gamerinnen und Gamer: 5,3 Millionen Österreicher spielen regelmäßig PC-und mobile Spiele, geht aus der zweijährlichen Umfrage des Österreichischen Verbands für Unterhaltungssoftware (ÖVUS) hervor. Im Durchschnitt sind sie 36 Jahre alt, und mit 48 Prozent sind fast die Hälfte Frauen. Zu der Verschiebung hin zu älteren Spielern haben in den letzten Jahrzehnten verschiedene Phänomene beigetragen: Zum einen spielen viele, die in ihrer Kindheit oder Jugend mit Games in Berührung gekommen sind, diese auch später weiter. Zum anderen sorgt der Siegeszug von Mobile Games-also Spielen auf dem Handy-für sehr niedrige Einstiegshürden. Rund vier Millionen Österreicher geben an, mindestens mehrmals die Woche oder fast täglich zu spielen, 43 Prozent tun dies auf dem Handy, 28 Prozent auf Konsolen und 26 Prozent auf dem PC. Mobile Konsolen wie der Game Boy werden hingegen nur von sieben Prozent genutzt. Nachdem diese aktuellste Umfrage aus dem Jahr 2021 stammt, hat Corona sicher eine Rolle gespielt. Immerhin 45 Prozent der Befragten geben an, durch die Lockdowns mehr Zeit zum Spielen gehabt zu haben. Immerhin ein Viertel hat Games auch als Kanal genutzt, um mit anderen online in Kontakt zu bleiben.

Bestseller mit österreichischer Beteiligung

Niki Laber, Präsident des Österreichischen Verbands für Unterhaltungssoftware, der in erster Linie die großen Konsolenhersteller und Publisher vertritt – also jene, die die Spiele auf den Markt bringen, aber nicht unbedingt selbst entwickeln-,betont die wirtschaftliche Größe der Branche: "Mit rund 300 Milliarden Dollar ist der Gamesmarkt global größer als der Film-und Musikmarkt zusammen." Laber bezieht sich auf Zahlen der Unternehmensberatung Accenture aus dem Jahr 2021. Rund zwei Drittel dieser Summe kommen aus direkten Einnahmen, ein Drittel aus indirekten wie Hardware, E-Sport, Zubehör und Fanartikel. Das Spiel "Call of Duty Modern Warfare II" erschien im Herbst 2022 und setzte in den ersten drei Tagen 800 Millionen US-Dollar um. Darüber, wie viel Geld in Österreich für Spiele ausgegeben wird, gibt es wenig belastbare Zahlen. Die deutsche Onlineplattform Statista errechnete für Österreich einen Umsatz mit Games von 394 Millionen Euro im Jahr 2022, der in den kommenden Jahren weiter steigen soll. International ist der Markt von einigen großen Playern geprägt, die ihre Marktmacht bündeln. Der größte Deal dieser Art wartet noch auf die Freigabe durch die Wettbewerbsbehörden: Microsoft will Publisher Activion Blizzard ("Call of Duty", "Diablo" oder auch "Warcraft") für fast 70 Milliarden Dollar kaufen. Unter anderem, weil die Konsolenhersteller, aber auch Publisher und Hardwarehersteller versuchen, Abomodelle nach Netflix-oder auch Disney-Vorbild zu entwickeln.

Auch in Österreich werden schon seit einigen Jahrzehnten Games entwickelt. Zu den frühen Größen, die hier genannt werden müssen, gehört das 1995 gegründete Unternehmen JoWood("Gothic"), das es seit 2011 nicht mehr gibt. Die Branche ist dynamisch: Studios werden gegründet, verzeichnen Erfolge, wachsen-und so manche müssen nach einigen Jahren wieder zusperren. Üblicherweise bleiben die Mitarbeiter dieser Unternehmen jedoch der Branche erhalten, gründen wiederum neue Firmen und bereichern langfristig die heimische Szene.

Aktuell ist Österreich besonders stark in der Entwicklung von PC-Spielen und Mobile Games. Und Österreich ist ein Land, in dem viele Unternehmen erfolgreich dem internationalen Markt zuliefern. Denn die ganz großen, global erfolgreichen Titel entstehen über einen Zeitraum von mehreren Jahren unter Beteiligung von 3000 bis 4000 Personen. Hier werden einzelne Teile von kleinen, global verstreuten Teams erzeugt und dann zentral verbunden. Ein darauf spezialisiertes Unternehmen sitzt in Wien, heißt Rabcat und hat für Blockbuster wie "Fortnite" Charaktere und Waffen designt, andere Details etwa für die Rennspielserie "Forza Horizon".

Erfolgreiche Indie-Spieleentwickler

Wenn ganze Spiele entwickelt werden, basieren diese zum Teil auf eigenen Ideen, oft werden sie aber auch als Auftragsarbeit für Publisher, denen etwa die Markenrechte gehören, umgesetzt. Eines der in diesem Bereich arbeitenden Studios ist Purple Lamb, das heute zu THQ Nordic gehört und 2019 ein mit angeblich über zwei Millionen verkauften Einheiten extrem erfolgreiches Spongebob-Spiel veröffentlichte, das kürzlich einen Nachfolger bekommen hat. Das Studio hat aber auch an "Sea of Thieves" vom britischen Entwickler Rare mitgearbeitet. THQ Nordic ist ein in Wien ansässiger Publisher und gehört der schwedischen Embracer Group, die weltweit über 25 Studios betreibt. Eines der unverwechselbarsten Studios in Österreich ist Broken Rules, das ungefähr ab 2007 als klassischer Indie-Entwickler mit "And Yet it Moves", einem grafisch eigenständigen und im Gameplay innovativen Plattformer, auf sich aufmerksam gemacht hat. Heute ist das Studio ein Zusammenschluss von fünf Personen, die unter diesem Namen teilweise jeweils eigene Projekte verfolgen und veröffentlichen. Mit den letzten beiden Veröffentlichungen von Felix Bohatsch und Clemens Scott konnte Broken Rules international begeistern. "Old Man's Journey",das in erster Linie für den Apple Store und später für viele Konsolen erschien, erzählt eine emotionale Reise und Erinnerung, in der man vorankommt, indem man durch einfache Bewegungen die Landschaft formt und so Wege erzeugt.

Einer, der jahrelang die heimische Gameszene vernetzt hat und sich immer aktiv darum bemüht hat, dass in Games mehr gesehen wird als pure Unterhaltung, ist Jogi Neufeld: 15 Jahre lang hat er im MuseumsQuartier Subotron, einen Shop für Retrogames und Gameskultur, betrieben und organisiert dort weiterhin eine regelmäßige Vortragsreihe, die für viele Entwickler und Entwicklerinnen, aber auch allgemein an Games Interessierte ein Treffpunkt für Austausch und Vernetzung ist. "Games sind Empathie-Maschinen, die uns die Welt interaktiv erfahren und begreifen lassen",ist er überzeugt. Internationale Entwickler kommen auf Neufelds Einladung nach Wien und geben Einblick in ihre Arbeit. Neben seiner Unterrichtstätigkeit an Universitäten und Fachhochschulen entwickelt Jogi Neufeld derzeit nicht nur den Prototypen seines ersten eigenen Spiels, sondern kuratiert auch eine Games-Sammlung für das Technische Museum Wien mit. Beteiligt daran sind die gamesaffine Medienkünstlerin Margarete Jahrmann und die New Yorker Rhizome ArtBase. Digitale Spiele haben die Eigenheit, dass sie außerhalb von Museen schon nach wenigen Jahren nicht mehr zugänglich sind, weil es die passende Hardware und Software nicht mehr gibt.

Künstliche Intelligenz in Spielen

Zu den größten Studios in Österreich gehört Bongfish aus Graz mit rund 60 Beschäftigten und Büros in Wien und San Francisco. Bongfish hat eigene Games und Mobile Games entwickelt und an sehr großen Titeln wie etwa dem "Microsoft Flight Simulator" mitgearbeitet. Als großen Erfolgsfaktor bezeichnet CTO Gabi Hebart die "Teams, zusammengesetzt aus allen Disziplinen wie Design, Art, Engineering und Qualitätskontrolle. Als vollständige Teams arbeiten wir mit anderen Firmen an deren Spielen zusammen."

Der ehemalige Bongfish-Geschäftsführer Michael Putz hat mit der Expertise, die er unter anderem in der Gameentwicklung sammeln konnte, im Jahr 2020 mit Blackshark.ai ein neues Unternehmen gegründet. Blackshark.ai simuliert mit künstlicher Intelligenz echte Welten und zählt Tech-Unternehmen wie Microsoft und Nvidia zu seinen Investoren und Kunden. Künstliche Intelligenz wird auch bei Bongfish eingesetzt, wenn es etwa um die automatische Steuerung von Game-Elementen geht. Gabriele Hebart: "KI ermöglicht uns, immer größere und realistischere Spiele zu generieren."

Game aus Salzburg

Das Game-Studio entstand an der FH Salzburg und entwickelte unter anderem Alpaca Ball.

Akademischer Hintergrund

Wichtig für die heimische Szene sind die Ausbildungsmöglichkeiten, die schon vor der akademischen Ebene beginnen. Die Wiener HTL Spengergasse bietet einen Ausbildungszweig für Gamedesign an, danach gibt es mit der FH Hagenberg oder der FH Salzburg einige Möglichkeiten zur Vertiefung. Martin Filipp, der Vorsitzende des Verbands Pioneers of Game Developers Austria, der selbst seit über 25 Jahren in der Branche arbeitet, schätzt diese Ausbildungsstätten, an denen auch viele Profis aus der Praxis unterrichten. Die Unis und FH seien immer wieder auch der Ausgangspunkt für Projekte oder die Gründung von Unternehmen und darüber hinaus als Inkubatoren tätig, so ist etwa das Salt Castle Studio an der FH Salzburg entstanden.

"Wir waren eine Gruppe von fünf an der FH Salzburg Studierenden und haben uns nach dem Bachelor dazu entschlossen, das Master Studium dazu zu nutzen, unser erstes kommerzielles Spiel zu entwickeln und die Gründung unseres Studios vorzubereiten", erzählt Gregor Kirchhofer, CEO von Salt Castle. Unterstützt wurden sie dabei vom FH-Startup-Center, Start-up Salzburg und der Kreativwirtschaftsförderung des Austria Wirtschaftsservice AWS. Ihr erstes Projekt war "Chapeau",ein familienfreundliches Multiplayerspiel. Schon der zweite Titel "Alpaca Ball Allstars" war ein finanzieller Erfolg. Aktuell arbeitet Salt Castle an einem Farm-Manager gemeinsam mit Editors "Choice",einem österreichischen Investor: Mit dem Mobile-Game "Alpaca Farm" blieben sie den fellreichen Tieren treu.

Unterrichtet und geforscht wird aber nicht nur Game-Development-auch die theoretische Beschäftigung mit Games hat in Österreich lange Tradition. An der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt beschäftigt man sich mit der Inhalts-und Medienanalyse von Games, an der Donau-Universität Krems kann man sein Wissen am Department für Kunst-und Kulturwissenschaften mit dem Center für Applied Game Studies vertiefen. Dieses ist auch einer der zentralen Veranstalter der meist parallel zur "Game City" stattfindenden Game-Studies-Fachkonferenz "Future and Reality of Games" (FROG) im Wiener Rathaus. Das öffnet seine Tore seit Langem den Spielerinnen und Spielern, die hier im Zentrum der Wiener Politik ein Mal im Jahr die aktuellsten Spiele ausprobieren können.

Empathie-Maschinen

Martin Filipp von Pioneers of Game Developers Austria selbst arbeitet bei Mipumi Games, einem Wiener Studio, das sowohl großen internationalen Projekten wie "Hitman 3" oder "Control" zuarbeitet als auch eigene Games veröffentlicht: das mehrfach ausgezeichnete "The Lion's Song", das im vorigen Jahrhundert in Wien spielt und in dem etwa Sigmund Freud einen Auftritt hat; oder auch der Krimi "The Flower Collectors".Filipp kennt die heimische Branche und hat in Studios fast jeder Größe gearbeitet: "Das Ökosystem ist vielfältig, und es freut mich, dass wir in Österreich eine breite Szene haben und Wien kein Wasserkopf mehr ist",beschreibt Filipp. Eltern, deren Kinder in die Branche wollen, können laut Filipp davon ausgehen, dass diese relativ leicht einen Job finden. Während in den ganz großen Studios Spezialisten an Details schrauben, seien die heimischen Entwickler tendenziell Generalisten, die sich quasi täglich neuen komplexen Aufgaben stellen und lösungsorientiert arbeiten müssen. Eine Eigenschaft, die sie auch in anderen Branchen zu gefragten Mitarbeiter:innen macht. Die technischen Anforderungen bei Games sind besonders hoch, sagt Branchenvertreter Filipp: "Während Webdeveloper beim Optimieren der Ladezeit einer Website in halben Sekunden denken, arbeiten wir in Bereichen von 15 Millisekunden, da Spiele in Echtzeit laufen müssen." Zudem sei die Branche sehr offen.

Eine 2019 von der Wirtschaftskammer in Zusammenarbeit mit dem Verband Pioneers of Game Developers Austria in Auftrag gegebene Studie errechnete, dass damals von 90 Studios in Österreich mit 500 Beschäftigen ein Umsatz von rund 25 Millionen Euro erwirtschaftet wurde. Zukunftssicher ist die Branche nicht nur, weil der Gaming-Markt international wächst und das Know-how in anderen Bereichen gefragt ist, sondern auch, weil spielerische Wissensvermittlung gut funktioniert. Das Wiener Studio Ovos etwa hat sich auf sogenannte Educational und Serious Games spezialisiert. Dazu gehören Spiele wie "Ludwig", das Lernstoff aus der Physik vermittelt, aber auch Apps für die Erste Group oder den Dachverband der Wiener Sozialeinrichtungen. Diese nutzen spielerische Zugänge etwa für das Onboarding von Mitarbeitern oder die interne Weiterbildung. Auch Unternehmen im Bereich Facility Management nutzen den Gaming-Ansatz, um ihren verschiedensprachigen Mitarbeiter:innen den Job zu erleichtern und Wissen zu vermitteln.