Guy Verhofstadt

"Zweifelhafter Deal mit Erdogan“

Guy Verhofstadt, Chef der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten in Europa, Ex-Premierminister von Belgien, über die Flüchtlingskrise in der EU und einen neuen Lösungsansatz.

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INTERVIEW: OTMAR LAHODYNSKY

profil: In der Flüchtlingskrise zeigte sich die EU bislang weitgehend handlungsunfähig. Wie sehen Sie den Deal mit der Türkei? Verhofstadt: Das Abkommen mit der Türkei war eine Art Auslagerung unserer Probleme, keine Lösung. Mit dem Migrationsabkommen, das die Kommission mit weiteren Staaten wie Libyen, Tunesien, dem Libanon anstrebt, kopieren wir im Kern nur diesen zweifelhaften Deal mit Erdogan. Ich wäre dafür, dass wir eine echte Partnerschaft mit diesen Staaten begründen, die vorsieht, dass wir erstens in diesen Ländern Erstaufnahmelager einrichten, die gemeinsam mit den Vereinten Nationen gemanagt werden. Zweitens soll dort direkt darüber entschieden werden, wer als Flüchtling weiter nach Europa reist und wer nicht. Drittens sollten wir gezielt Projekte vor Ort fördern, sodass den Menschen dort Perspektiven aufgezeigt werden können. Darüber hinaus wäre ich für ein einheitliches europaweites Blue-Card-System, das legale Migration erlaubt, wenn ein Arbeitsvertrag vorliegt.

profil: Sollte über das Freihandelsabkommen Ceta zwischen EU und Kanada in den nationalen Parlamenten oder nur auf EU-Ebene abgestimmt werden? Verhofstadt: Im Falle des Freihandelsabkommen mit Kanada sollten wir die Linie der Kommission unterstützen und das Abkommen auf EU-Ebene ratifizieren. Wenn wir zukünftig jedes dieser Abkommen durch die einzelnen Nationalstaaten jagen müssen, wird die Europapolitik nicht mehr von der Stelle kommen.