Beste Leben? Nein danke!

Neue Alben: Olli Schulz – „Scheiß Leben, gut erzählt“

Der Liedermacher Olli Schulz veröffentlicht sein musikalisches Krisenmanagement: „Scheiß Leben, gut erzählt“.

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Krisenstimmung? Unbedingt. Perspektivlosigkeit? Maximal. Sein neues Album scheint Olli Schulz durchaus schwergefallen zu sein. In „Du schockst nicht mehr“, dem ersten Song von „Scheiß leben, gut erzählt“ fragt der Allround-Entertainer erstmals bei sich selber nach, ob das mit der Musik überhaupt noch etwas wird. Und in dieser Stimmungslage geht es auch weiter. Gleich im dritten Songs erzählt Schulz, was ihn als Singer-Songwriter wirklich zu schaffen macht. Diese anstrengende Ambivalenz, die das Leben vergiftet und dennoch alles möglich macht: „Bist ne ambivalente, inkonsequente, crazy Person“, singt der gebürtige Hamburger da mantraartig vor sich hin. TV-Entertainer, sensibler Liedermacher, Kultfigur? Passt das alles noch zusammen?

Als öffentliche Person zwischen TV-Auftritten bei „Pro Sieben“ und Podcast-Erfolgen mit Jan Böhmermann („Fest & Flauschig“) wurde er in den letzten Jahren kaum noch als Musiker wahrgenommen. Dabei ist gerade die Musik diese eine Liebe, die nie zu Ende geht, die den heute 44-Jährigen stets anzutreiben scheint – sein Detail- und Nerdwissen über Künstler, Bands und Popkultur, den Plattenliebhaber, der seine Album nicht nur zufällig als Panoptikum seines eigenen Fandaseins aufbaut. Das neue Album „Scheiß Leben, gut erzählt“ weist dabei seinen Weg vom Liedermacher zum Entertainer und wieder zurück. Das neue Album, sein viertes ohne Max Schröder alias Der Hund Marie, bewegt sich dabei nicht zufällig in unterschiedlichste musikalische Stile, spielt klassische Singer-Songwriter-Pop, mischt elektronische Versatzstücke mit HipHop-Beats; sein norddeutscher Singsang wechselt dabei zwischen gewohnt gefühlsbetontem Singsang und stakkatoartigem Sprachwirbel.

Sorgen muss man sich um Olli Schulz trotz latenter Katerstimmung dennoch nicht machen. Die Lage ist dramatisch, keine Frage, aber es gibt dennoch Hoffnung. In Songs wie „Skat spielen mit den Jungs“, einer schönen Liebeserklärung an die Freundschaft und der Blödelei „Sportboot“ gelingt es ihm dann doch, das musikalische Krisenmanagement für ein paar Momente ruhen zu lassen.

Beste Leben? Muss nicht sein.

Diese Woche in der unerhört-Playlist:

Neuschnee: Der Zeitgeist macht Buh (Song) Isolation Berlin: Vergifte dich Leyya: Sauna (LasVegas Records) Son Lux: Brighter Wounds Glen Hansard: Between Two Shores cupcakKe: Ephorize Shame: Songs of Praise

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.