Franz Fischler

"Hofer führt die Leute hinters Licht"

Der ehemalige EU-Kommissar und ÖVP-Politiker Franz Fischler über die Angst der ÖVP vor der Deklarierung, die Verteufelung der Grünen auf dem Land und Norbert Hofers Tricks.

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INTERVIEW: OTMAR LAHODYNSKY

profil: Warum wagen so wenige aktive ÖVP-Politiker eine Wahlempfehlung für die Bundespräsidentenwahl? Franz Fischler: Immerhin haben sich zuletzt doch einige gemeldet. Sogar Parteiobmann Reinhold Mitterlehner hat erklärt, dass er Van der Bellen bevorzugt. Leider ist es gar nicht sicher, ob es Van der Bellen helfen würde, wenn jetzt ÖVP-Politiker für ihn eine Empfehlung abgeben würden. Viel wichtiger sind Stellungnahmen von einfachen Bürgerinnen und Bürgern.

profil: Es würde Norbert Hofer helfen? Fischler: Die ÖVP hat schwere Fehler im Wahlkampf begangen. Jetzt sehe ich die Aufgabe für Politiker und Funktionäre der ÖVP darin, sich wenigstens dafür einzusetzen, dass mehr Menschen zur Wahl gehen, vor allem die über 20.000 Erstwähler. Hier erwarte ich mir mehr Anstrengungen seitens der ÖVP im eigenen Interesse, weil eine niedrige Wahlbeteiligung bei den nächsten Nationalratswahlen besonders für die ÖVP verheerend sein könnte.

profil: Die ÖVP ist tief gespalten. Warum wählen so viele VP-Anhänger Norbert Hofer? Fischler: Das hängt mit der Wählerstruktur zusammen. Auf dem Land, wo die ÖVP noch stark ist, wählen tendenziell mehr ÖVP-Wähler Hofer. In der Stadt sind die Van-der-Bellen-Wähler in der Überzahl. Die SPÖ hat aber auch ein Problem: Viele Wohlstandsverlierer -etwa einfache Arbeiter - wählen lieber Hofer.

profil: Rächt sich jetzt, dass die ÖVP die Grünen so lange als Bauernfeinde und Haschtrafikanten hingestellt hat? Fischler: Dass die ÖVP auf dem Land die Grünen lange als Gottseibeiuns und schlimmer als gestandene Sozis behandelt hat, ist sicher ein Problem. Aber die Grundfrage lautet jetzt doch: Wer von beiden Kandidaten nützt uns Österreichern mehr? Wenn ich mir die Reaktionen auf einen Sieg Hofers vorstelle, inner- und außerhalb Europas, dann ist die Antwort klar. Es würde sicher wirtschaftliche Konsequenzen für Österreich geben. Experten rechnen bei einem Sieg Hofers mit Einbrüchen im Tourismus aus bestimmten Ländern. Besorgte Fragen, wie dieses Österreich eigentlich tickt, würden wieder gestellt werden. Uns ist es noch nicht gelungen, die Schatten der NS-Vergangenheit loszuwerden. Wir werden im Ausland noch immer kritisch beobachtet. Eine Wahl Hofers würde als Bestätigung für die alten Verdachtsmomente gesehen werden.

Hofer führt die Leute hinters Licht. Man kann nicht einen Tag etwas behaupten und am nächsten Tag das Gegenteil.

profil: Hofer hat auch eine Petition zur Abhaltung eines Referendums über den EU-Austritt Österreichs unterzeichnet. Fischler: Das Problem ist, dass es von Hofer und der FPÖ dazu alle möglichen Aussagen gibt - und je nach Bedarf wird die passende hervorgeholt. Hofer führt die Leute hinters Licht. Man kann nicht einen Tag etwas behaupten und am nächsten Tag das Gegenteil. Das ist unseriös.

profil: Hätte es dazu von der ÖVP-Spitze oder von den schwarzen Landeshauptmännern klarere Worte geben sollen? Fischler: Das hätte ich mir schon gewünscht. Es gab viele Versäumnisse. Und das ist auch der Grund für mein Engagement. Die Leute sollen wissen, worauf sie sich einlassen. Man ist da in eine Falle der FPÖ getappt: Wenn sich jemand für Van der Bellen deklariert, ist er sofort Teil des Establishments und gegen die einfachen Leute. Das hat die FPÖ perfekt inszeniert. Hofer ist der Kandidat der einfachen Leute. Ich kann an ihm nichts entdecken, was ihn dazu prädestiniert. Er ist genauso Establishment wie fast jeder Abgeordnete zum Nationalrat. Dass er jetzt so tut, als ob er mit dem Establishment nichts zu tun hätte, ist ein Treppenwitz.

profil: Aus ÖVP-Kreisen hört man, man solle Hofer wählen, weil man damit Heinz-Christian Strache als Bundeskanzler verhindere. Fischler: Das ist ein Ausdruck besonderer Naivität. Das Gegenteil ist richtig. Die Wahl Hofers wäre gewissermaßen die Einladung zum Tanz. Das würde nur die Sache Straches befördern.

profil: Es gibt auch den Spin, Hofer sei Christ und Van der Bellen Kommunist. Fischler: Das ist auch so ein Trick. Was Hofers harte Haltung zu Flüchtlingen mit christlicher Nächstenliebe zu tun haben soll, hat mir noch niemand erklären können. Außerdem ist er aus der katholischen Kirche ausgetreten und zu den Protestanten gewechselt. Sein Spruch "So wahr mir Gott helfe" ist eine unzulässige Vereinnahmung Gottes.

profil: Der strategische Fehler der ÖVP passierte ja schon früher. Nach der Absage Erwin Prölls nominierte man Andreas Khol. Hätten Sie besser abgeschnitten? Fischler: Hinten nach reitet bekanntlich die "alte Urschel". Aber Tatsache ist: Man hat mich nicht gefragt. Und ich habe mich nie um ein Amt beworben.