Wundertüten: Wenn es knapp wird

Wahlen: Wenn es knapp wird

Von Zwentendorf bis George W. Bush: Schon öfter wurden bedeutende Abstimmungen zur Zitterpartie.

Drucken

Schriftgröße

Auch vor dieser Bundespräsidenten-Stichwahl endeten wichtige politische Entscheidungen denkbar knapp. Am 5. November 1978 sprach sich die Bevölkerung in einer Volksabstimmung gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf aus - genau 30.068 Stimmen machten den Unterschied aus. Entgegen den Prognosen hatten die Atomenergiegegner doch mehr Bürger mobilisieren können. Das "Wunder von Zwentendorf" war damals auch eine Niederlage für Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ), der sich für das Kraftwerk eingesetzt hatte.

Kreisky erlebte einige spannende Wahlen: Der Sozialdemokrat errang 1971 die absolute Mehrheit - punktgenau: Die Ära Kreisky begann mit einem Wahlergebnis von 50 Prozent, die ihm 93 von 183 Nationalratsmandaten bescherte.

Eine Zitterpartie, vor allem für die ÖVP, war auch die Nationalratswahl 1999: "Wir werden unter keinen Umständen an einer Regierung teilnehmen, wenn wir nicht zumindest Zweite sind", hatte ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel noch vorab beteuert. Diese Aussage sollte ihm später oft vorgehalten werden. Acht Tage nach dem Urnengang waren alle Wahlkarten ausgezählt, und es stand fest: Die ÖVP lag mit 415 Stimmen an dritter Stelle hinter der FPÖ. Trotz der Niederlage wurde Schüssel Kanzler einer schwarz-blauen Koalition.

36 Tage ohne Präsident

Vor zehn Jahren lagen wohl auch in Italien die Nerven blank: Am 9. und 10. Mai fanden dort Parlamentswahlen statt. Erst 28 Stunden später war klar, dass das Mitte-links-Bündnis von Romano Prodi knapp über Silvio Berlusconi gesiegt hatte - Letzterer war bis dahin Ministerpräsident gewesen. In der Abgeordnetenkammer fiel das Ergebnis besonders spannend aus: Prodis Allianz erzielte 49,8 Prozent, Berlusconi nur einen Zehntelprozentpunkt weniger.

Diese Beispiele sind harmlos, verglichen mit dem, was die Amerikaner im Herbst 2000 durchmachten: Am 7. November wählten sie ihren neuen Präsidenten. 36 Tage lang wussten sie nicht, wer dies nun war - der Demokrat Al Gore oder der Republikaner George W. Bush. Zu einer großflächigen, manuellen Nachzählung (wie es die Demokraten gewünscht hatten) kam es nie. Schließlich gab ein Vorsprung von 537 Stimmen den Ausschlag: George W. Bush wurde Präsident.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.