Die Akte Rebasso in fünf Minuten

Ein Wiener Rechtsanwalt wusch über österreichische Bankkonten mindestens 100 Millionen US-Dollar – und wurde schließlich ermordet. Die wichtigsten Eckpunkte einer beispiellosen Affäre.

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Erich Rebasso war ein Wiener Rechtsanwalt, der sich auf russische Klientel spezialisiert hatte. Ende 2006 wurde er kontaktiert, um als Treuhänder für drei russische Versicherungsgesellschaften zu arbeiten. Er sollte Geld, das vorgeblich von Kunden dieser Versicherungen stammte, auf österreichischen Konten empfangen und von da an ausgewählte Begünstigte weiterleiten. Rebasso stimmte zu, seine Auftraggeber kannte er kaum.

■ Laut litauischen Bankdaten, die einem internationalen Journalisten-Kollektiv vorliegen (in Österreich profil und „Addendum“), transferierte Rebasso zwischen Dezember 2006 und Februar 2008 mindestens 95,96 Millionen US-Dollar. Dazu benutzte er ein US-Dollar-Konto bei der Raiffeisen Landesbank Niederösterreich-Wien und seine in Wien registrierte Schulhof Investigation GmbH, später Sostegno GmbH. Rebasso überwies die aus Russland kommenden Beträge an neun Offshore-Firmen, die allesamt Konten bei der litauischen Ukio Bankas hatten. Diese Bank wurde 2013 von den litauischen Behörden geschlossen und steht unter schwerem Geldwäscheverdacht. Interessant sind die jeweiligen Zahlungsreferenzen des Anwalts. Demnach zahlte er hunderttausende US-Dollar für „Konsumgüter“, „Baumaterial“, „Mobilfunk-Verträge“, „Möbel“, „Ost und Gemüse“ sowie: „gefrorenen Hering“. Nach Recherchen von profil und „Addendum“ bewegte der Rechtsanwalt in diesem Zeitraum sogar sehr viel größere Summen, als die Ukio-Daten zeigen.

■ Das Geld von Rebassos Klienten stammte jedenfalls zum Teil aus kriminellen Handlungen: Die Schulhof Investigation GmbH sowie zwei der russischen Versicherungsgesellschaften, für welche Rebasso als Treuhänder agierte, tauchten später in Ermittlungen der Moskauer Steuerbehörde auf. Vorliegenden Dokumenten zufolge dienten sie dazu, Geld aus einem Betrugsfall außer Landes zu bringen: Organisierte Kriminelle verrechneten über fünf Jahre hinweg künstlich überhöhte Treibstoffpreise an den Moskauer Flughafen Scheremetjewo und schöpften die Differenz über komplexe Firmenkonstrukte ab. Die Behörden gehen von einem Schaden von mehreren hundert Millionen US-Dollar aus. Zu einem kleineren Teil transferierte Rebasso (zunächst unwissentlich) auch Geld aus einem Anlagebetrug in Russland zu Briefkastenfirmen.

■ Rebasso zeigte sich und seine Klienten Ende 2008 beim österreichischen Bundeskriminalamt an. In einer umfangreichen Sachverhaltsdarstellung führte er aus, von Betrügern für kriminelle Zwecke missbraucht worden zu sein. Von Geldwäsche sprach er nicht explizit, deutete diese aber an. In der Sachverhaltsdarstellung nahm er auf den „Finlist“-Anlagebetrug Bezug, nicht aber auf den Betrugsfall Scheremetjewo. Laut Rebasso hatten sich bei ihm mehrere Kleinanleger aus Russland gemeldet, die ihn für das Verschwinden ihres Kapitals mitverantwortlich machten. Das Bundeskriminalamt informierte die Staatsanwaltschaft Wien.

■ Die StA Wien teilte Rebasso Ende 2010 mit, dass die Ermittlungen gegen die mutmaßlichen russischen Betrüger und ihn eingestellt worden seien. Für Taten im Ausland sah sich die Behörde nicht zuständig und Rebasso konnte kein Fehlverhalten nachgewiesen werden.

■ Am 27. Juli 2012 wurde Rebasso von zwei russischen Ex-Polizisten in Wien entführt, misshandelt und getötet. Drei Wochen danach wurde sein Leichnam in einem Wald im Wiener Umland gefunden. Die Täter wurden alsbald in Russland gefasst und verurteilt, allerdings nur in Zusammenhang mit einer versuchten Lösegelderpressung. Ob sie aus eigenem Antrieb, also beispielsweise als Geschädigte aus dem Anlagebetrug, handelten oder im Auftrag Dritter konnte bis heute nicht geklärt werden. Der Fall liegt nach wie vor bei der StA Wien, die Russische Föderation liefert ihre Bürger nicht zur Strafverfolgung ans Ausland aus.

■ Michael Rebasso – Erich Rebassos Bruder und ebenfalls Anwalt – übermittelte den recherchierenden Medien eine schriftliche Stellungnahme. Darin heißt es unter anderem: „Dass mein verstorbener Bruder Erich Rebasso Ende 2006 von – wie wir heute wissen – kriminellen russischen Klienten getäuscht, solcherart instrumentalisiert und als Treuhänder – dies zweifellos ohne sein Wissen – in Geldwäschehandlungen verstrickt wurde, ist eine im höchsten Maße betrübliche Tatsache, die mir kurz nach seinem Tod im Sommer 2012 zur Kenntnis gelangte.“ Es sei ihm wichtig hervorzuheben, dass sein Bruder sich aus eigenem Antrieb an die Behörden gewandt hatte.

■ Die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien schreibt, sie könne aufgrund des Bankgeheimnisses keine Angaben zu Rebassos Zahlungen über das Raiffeisen-Konto machen: „Die RLB NÖ-Wien hat im von Ihnen genannten Zeitraum die jeweils geltenden gesetzlichen Verpflichtungen in Bezug auf die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erfüllt und tut das auch noch heute.“

■ Die Staatsanwaltschaft Wien äußerte sich auf Anfrage nicht.

Den Fall Rebasso in all seinen Details finden Sie hier. Eine Geschichte zu den Verbindungen zwischen der unter schwerem Geldwäsche-Verdacht stehenden Ukio Bankas und der Raiffeisen Bank International finden Sie hier.

Der Fall Rebasso wurde im Rahmen des internationalen Investigativ-Projekts „Troika Laundromat“ aufgearbeitet. Mehr als 50 Journalisten aus zwei Dutzend Ländern analysierten ein Daten-Leak aus der litauischen Privatbank AB Ukio Bankas – in Österreich nahmen profil und „Addendum“ teil. Das Leak umfasst Daten zu rund 1,3 Millionen Banktransfers, ein Transaktionsvolumen von mehr als 200 Milliarden US-Dollar sowie 238.000 Namen von Unternehmen und Personen. Die Daten wurden dem Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) und dem litauischen Online-Portal 15min.lt zugespielt.

Die Geschichte zum Projekt „Troika Laundromat“, das im Zentrum der internationalen Recherchen von OCCRP steht, finden Sie hier.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.