Interview

Wie McDonalds und die Polizei um die gleichen Arbeitskräfte buhlen

Zwischen Massenabwanderung und Work-Life-Balance: Karin Probst von McDonald's Österreich und Christian Kemperle, Sektionschef im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport über neue Herausforderungen am Arbeitsmarkt.

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Frau Probst, die Gastronomie hat, befeuert durch die Coronakrise, eine Massenabwanderung der Arbeitskräfte gesehen. Wie stellt sich die Situation bei McDonald 's dar?
Karin Probst
Während der Pandemie haben wir versucht, wie viele andere österreichische Unternehmen auch, mithilfe der Kurzarbeit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten. Das ist uns auch sehr gut gelungen. Danach hat in der Gastronomie der Arbeitskräftemangel begonnen - unter anderem durch Branchenwechsel. Das Interessante ist, dass es plötzlich in jedem Bereich diesen Arbeitskräftemangel gegeben hat. Es gibt keinen Handwerker mehr, der nicht händeringend Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sucht. Auch bei uns war das ganz massiv der Fall. Das ging so weit, dass wir teilweise die Öffnungszeiten in den Restaurants reduzieren mussten, weil wir einfach nicht genug Mitarbeiter hatten. Wir haben dann unsere Friends-Welcome-Kampagne gestartet, welche gezielt die junge Generation ansprechen soll, die von der Pandemie sehr stark betroffen war. Damit haben wir schon sehr viel bewirkt. Die Zahl der Bewerbungen ist im letzten Quartal deutlich nach oben gegangen. Wir sind zwar noch nicht da, wo wir sein wollen, aber es hat sich deutlich verbessert.
Wie lang dauert es im Schnitt, bis Sie eine freie Stelle im Restaurantbetrieb besetzen können?
Probst
In den Restaurants können wir freie Stellen durchschnittlich innerhalb eines Tages bis etwa drei Wochen besetzen.
 

Karin Probst

Chief People Officer, McDonald's Österreich

Herr Kemperle, bis 2035 geht fast jeder zweite Beamte in Pension. Wie wollen Sie diese Vakanzen besetzen?
Christian Kemperle
Ja, wir stehen vor einer großen Pensionierungswelle, die Babyboomer gehen in Pension. Wir wissen das natürlich schon seit Längerem, und auch, dass wir gegensteuern müssen. Wir haben gesehen, dass wir für die Jungen attraktiver werden müssen. Früher war es so, dass Neueinsteiger vier Jahre lang um fünf Prozent weniger Gehalt und keine Zulagen erhalten haben. Im Frühjahr ist ein Paket in Kraft getreten, das den Einstieg erleichtert und auch in finanzieller Hinsicht nachgebessert hat. Das war der richtige Weg, wir haben jetzt deutlich mehr Bewerbungen. Wir brauchen pro Jahr rund 8000 Neuaufnahmen -und das ist eine Herausforderung. Bei den "Akademikern" tun wir uns leichter als bei den "Handwerkern". Wir bilden auch 1500 Lehrlinge in 50 Berufen aus. 70 Prozent davon werden auch nach der Lehrzeit weiter beschäftigt. Aber in Summe gibt der Arbeitsmarkt momentan nicht so viele Arbeitskräfte her.
Für den von Bund und Ländern versprochenen Ausbau der Kinderbetreuung fehlen über 10.000 Pädagoginnen und Pädagogen. Wo sollen die herkommen?
Kemperle
Da muss man das Gesamtpaket sehen: Die Ausbildung selbst an den Pädagogischen Akademien wird man verkürzen müssen. Auch an den Rahmenbedingungen wird gearbeitet: etwa mit der Bestellung von Assistenz-Personal und einer Verschlankung der Schulverwaltung. Wir haben auch einige digitale Projekte, die hier Entlastung bringen sollen.
Und wie lange dauert es, eine Lehrerstelle zu besetzen?
Kemperle
Wenn es schnell geht, ungefähr zwei Monate. Sie dürfen nicht vergessen, dass es die gesetzliche Pflicht gibt, die Stellen einen Monat lang auszuschreiben. Und dann folgt noch der Auswahlprozess. Im Frühjahr hatten wir allein in Wien 6000 Bewerbungen, und diese abzuarbeiten, erfordert auch seine Zeit.

Wir kämpfen gegen das Vorteil, dass der öffentliche Dienst ein langweiliger und verstaubter Arbeitgeber ist. Das gelingt uns zunehmend.

Christian Kemperle

BMKÖS

Haben Arbeitgeber, die sich schwertun, Mitarbeiter zu finden, ein Imageproblem?
Probst
Imageproblem als solches, das denke ich nicht. Ich glaube, in unserem Fall ist es noch ein bisschen zu wenig bekannt, was McDonald's als Arbeitgeber bietet. Da gibt es sehr viele Vorurteile. Deshalb versuchen wir stark, nach außen aufzutreten und zu zeigen, was es bedeutet, bei uns zu arbeiten. Was habe ich für Möglichkeiten? Wir haben sehr viele Beispiele im Unternehmen, die im Restaurantbetrieb begonnen haben und nun in Managementfunktionen sind. Wie zum Beispiel eine Kollegin, die im Zuge des Krieges im ehemaligen Jugoslawien nach Österreich gekommen ist. Heute ist sie als Chief Operations Officer für sämtliche Restaurants in Österreich verantwortlich. Darauf kommt es generell an: Was bietet ein Arbeitgeber? Das Gehalt ist das eine, aber es geht auch um das Drumherum. Die Gastronomie ist natürlich auch schwierig als Branche. Wir haben Wochenenddienste und Abendschichten. Und da versuchen wir möglichst viel Flexibilität zu bieten. Jeder Mitarbeiter hat eine App am Handy, mit der man im Vorfeld bekannt geben kann, wann man arbeiten will, und zukünftig auch selbstständig Dienste tauschen kann. Wir bieten beispielsweise auch flächendeckend Deutschkurse an, die sehr gut angenommen werden.
Wie ist das beim öffentlichen Dienst? Der gilt ja nach wie vor oft als langweilig und verstaubt.
Kemperle
Ja, diese Vorurteile gibt es. Dieses Image loszuwerden, dafür kämpfen wir natürlich. Und es gelingt uns auch zunehmend, hier Aufbruchsstimmung zu erzeugen. Wir können im normalen Verwaltungsdienst die Vier-Tage-Woche anbieten und mit den Homeoffice-Regelungen ist auch in den Amtsstuben viel Flexibilität eingezogen. Dafür ernten wir großen Zuspruch und punkten damit auch beim Rekrutieren. Eine große Überraschung erlebten wir bei einer Ausschreibung für Finanzprüfer, von denen wir pro Jahr etwa 500 suchen. Durch die Ankündigung der Teilzeitmöglichkeit sind die Bewerbungen sprunghaft angestiegen - von üblicherweise rund 2000 auf über 5000.
Diese Flexibilität wird in vielen Bereichen nicht möglich sein.
Kemperle
Richtig. Wie etwa bei der Polizei. Dort sind beispielsweise die Wochenend-Dienste Thema. Gemäß Planung sollten die Beamten ein bis zwei Wochenenden pro Monat arbeiten. Aufgrund der Probleme und vieler Veranstaltungen und Demonstrationen werden es dann oft eher drei bis vier - und damit kämpfen wir auch bei der Rekrutierung, wenn das über längere Zeit geht. Es gibt jetzt eine neue Arbeitsgruppe, die sich genau mit dieser Dienstzeitregelung auseinandersetzt. Es geht aber auch um Organisatorisches. Dass man etwa kleine Dienststellen zu einer größeren zusammenschließt. Aber das ist natürlich ein langfristiger Prozess, weil man da auch die Bürger und die Bürgermeister überzeugen muss.
 

Christian Kemperle

Leiter der Sektion "Öffentlicher Dienst" im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport.

Nachdem Sie vorhin geschildert haben, dass Teilzeitjobs so beliebt sind: Höre ich da auch ein bisschen die Klage durch, dass die jungen Leute heute zu faul sind?
Kemperle
Nein. Ich stelle fest, dass die Jungen ganz konkrete Vorstellungen haben, wie sie arbeiten und leben möchten. Das hat aber nichts mit Faulheit zu tun. Sie möchten in der Zeit, die sie in der Arbeit verbringen, möglichst produktiv sein, um dann die Zeit zu haben, sich wieder anderen, ihnen wichtigen Themen zu widmen. Freizeit wird nicht einfach als Zwischenzeit, bis man wieder in die Arbeit kommt, gesehen, wie es vielleicht in meiner Babyboomer-Generation öfter der Fall war.
Probst
Dem kann ich sehr zustimmen. Als Arbeitgeber müssen wir hier ansetzen und deutlich machen, was wir dieser Generation bieten können, die eine ganz klare Vorstellung hat, wie sie ihr Leben gestalten möchte, wie sie Arbeit, Freizeit, Familie, Freunde vereinbaren kann. Das muss man als Arbeitgeber berücksichtigen.
Ist die Republik für die Privatwirtschaft eine starke Konkurrentin im Match um Arbeitskräfte?
Probst
Die Republik ist ein großer Arbeitgeber und wird als solcher oft gar nicht so wahrgenommen. Es gibt aber einige Parallelen: Der öffentliche Dienst muss sich jetzt auch nach außen positionieren und präsentieren. Es ist nicht mehr so, dass sich nur die Bewerberinnen und Bewerber bemühen müssen, sondern auch die Arbeitgeber.
In besonders umkämpften Bereichen wird sich der öffentliche Dienst mit seinem oft recht starren Gehaltskorsett im Vergleich zur Privatwirtschaft wohl etwas schwerer tun.
Kemperle
Ja, natürlich matcht man sich da. Den IT-Bereich beispielsweise haben wir aus dem Tarifvertrag herausgenommen, weil der tatsächlich zu starr ist. Stattdessen haben wir ein eigenes Schema aufgesetzt. Hier zahlen wir annähernd marktgerecht und haben auch wieder mehr Bewerber. In Summe gibt es aber generell zu wenig IT-Techniker.

Als Arbeitgeber müssen wir deutlich machen, was wir der jungen Generation bieten können, die eine genaue Vorstellung hat, wie sie ihr Leben gestalten will.

Karin Probst

McDonald's Österreich

Der öffentliche Dienst hat sich in der jüngeren Vergangenheit in Sachen Mitarbeiter-Rekrutierung erfolgreicher erwiesen als die Privatwirtschaft. Ich nehme an, Sie führen das auf die gesetzten Maßnahmen zurück. Aber ist es nicht so, dass die permanenten Krisen die Leute jetzt wieder zurück in den Staatsdienst bringen?
Kemperle
Ich würde sagen, es ist beides. Der Staat öffnet sich, die Verwaltung wird flexibler und attraktiver. Aber natürlich: Es ist ein krisensicherer Job. Wenn man sich nichts zuschulden kommen lässt, dann weiß man, dass man 35,40 Jahre im öffentlichen Dienst arbeiten kann. Und man weiß sehr genau, wie sich das Einkommen entwickeln wird. Das ist ein großes Asset, das wir bieten können.
Arbeitnehmer können sich heutzutage oft aussuchen, wo sie arbeiten möchten. Wie hat sich dadurch das Personalmanagement verändert? Was tut man, um Mitarbeiter langfristig an sich zu binden?
Probst
Bei uns hat es da schon ein Umdenken gegeben. Insofern, dass Entwicklungspfade aufgezeigt werden und die Führung ins Zentrum gestellt wird. Damit die Mitarbeiter sehen, was sie in unserem Unternehmen erreichen können. Sowohl im Büro als auch im Restaurant. Vergangenes Jahr haben wir unter unseren Mitarbeitern eine Umfrage durchgeführt und gefragt, was sie an McDonald's als Arbeitgeber schätzen. An erster Stelle wurden Flexibilität und Teamdenken genannt. Wir haben auch eine eigene Ausbildung. Mitarbeiter durchlaufen das Trainingscenter in Brunn am Gebirge. Es gibt Coaching-Angebote und in Deutschland die sogenannte Hamburger University, an der weiterführende Kurse stattfinden. Ganz wichtig ist das Arbeitsumfeld an sich -und den Mitarbeitern Perspektiven und Aufstiegschancen zu bieten.
Kemperle
Bei uns ist das ähnlich. Wir versuchen, die Silos aufzubrechen. Früher war es so: Wenn jemand in einem Ministerium gearbeitet hat, ist er dort auch geblieben. Doch der Bundesdienst hat 145.000 Mitarbeiter und sehr viele interessante Aufgaben. Die interne Mobilität ist ein wesentliches Thema, da wollen wir durchlässiger werden. Bei uns bekommt man eine ganze Reihe von Ausbildungen, die zum Großteil sehr langfristig sind. Zum Finanzprüfer wird man nicht in zwei Wochen, und ein Polizist braucht zwei Jahre, bis er auf der Straße steht. Damit das keine verlorenen Kosten sind, müssen wir natürlich auch Karrieren für danach anbieten.
Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).