Milliardendifferenz
Christoph Badelt ist von seinem Naturell her ein Optimist. Tritt der frühere Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien und Ex-Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo in seiner Funktion als Präsident des Fiskalrats auf, dann vermittelt er allerdings selten einen zuversichtlichen Blick auf die Zukunft. So war es auch am Montag dieser Woche, als Badelt in den Räumlichkeiten der Oesterreichischen Nationalbank den jährlichen „Bericht über die Einhaltung der Fiskalregeln“ präsentierte. Der Fiskalrat ist ein unabhängiges Expertengremium, das die österreichische Budget- und Schuldenpolitik analysiert und dazu Empfehlungen abgibt. Im Wahljahr 2024 widersprach der Fiskalrat über Monate hinweg vehement der Darstellung des damaligen Finanzministers Magnus Brunner (ÖVP), dass Österreichs Budgetdefizit unter der Maastricht-Grenze von drei Prozent bleiben würde - und behielt schließlich recht.
Auch dieses Jahr zieht der Expertenrat die Prognosen des Finanzministeriums in Zweifel und spart nicht mit Kritik. Die mittelfristige Wirkung der vorgestellten Maßnahmen werde „deutlich überschätzt“ und auch die angestrebten Ziele seien „unambitioniert“, heißt es in der Analyse des Fiskalrates. Laut Regierungsprogramm beträgt das Konsolidierungsvolumen heuer rund 6,4 Milliarden Euro und im kommenden Jahr 8,7 Milliarden. Der Fiskalrat geht von 4,5 Milliarden Euro 2025 und 6 Milliarden 2026 aus. Von da an gehen die Einschätzungen noch weiter auseinander: 2029 rechnet die Koalition mit 14,7 Milliarden Euro, der Fiskalrat überhaupt nur mit 8,4 Milliarden.
Wie erklärt sich der große Unterschied?
In die Prognosen des Fiskalrats werden „nur gesetzlich beschlossene oder hinreichend konkretisierte Maßnahmen“ aufgenommen, wie es im gerade vorgelegten Bericht heißt. Die Darstellung hat etwas für sich. Österreichs innenpolitische Chroniken sind voll von angesagten Reformen, die nie umgesetzt wurden, Patientenmilliarden, die nie wirksam wurden, und Regierungen, die ihre eigenen Budgetvorgaben nicht eingehalten haben.
Andererseits ist es auch nicht unbedingt eine realistischere Darstellung des Budgetpfades, wenn geplante Maßnahmen einfach gar nicht miteinberechnet werden. Es teilen übrigens bei Weitem nicht alle Mitglieder des Fiskalrates die pessimistischen Einschätzungen, wie sie im Bericht formuliert wurden. Einige empfanden die Darstellungen als „sehr suggestiv“, wie es ein Experte des Gremiums gegenüber profil ausdrückt. Allerdings: Selbst, wenn die vom Finanzminister vorgelegten Zahlen halten, wird es nicht reichen. Um das Budgetdefizit wie geplant 2028 unter die Maastrichtgrenze von 3 Prozent zu senken, wären auch dann laut Fiskalratsprognose „zusätzliche Konsolidierungsmaßnahmen mit einer Budgetwirkung von 8,4 Milliarden Euro“ nötig.
Leichter wird es nicht
„Ich fühle mich durch den Fiskalregelbericht in der Budgetpolitik sehr bestärkt“, behauptete nichtsdestotrotz Finanzminister Markus Marterbauer bei der Budgetdiskussion am Montag und kündigte als Reaktion für Herbst das erste Gesetzespaket zur Bekämpfung von Steuerbetrug an, das schon im kommenden Jahr 270 Millionen einbringen soll. „Wir glauben, dass das eine sehr vorsichtige Schätzung ist“, so Marterbauer.
Die Erstellung des Doppelbudgets war für die wirtschaftspolitisch sehr unterschiedlich ausgerichteten Koalitionspartner bereits ein schwieriges Unterfangen. Die größeren Hürden stehen aber erst bevor. Die Gespräche der Arbeitsgruppen mit Ländern und Gemeinden über deren Konsolidierungsbeitrag haben gerade erst begonnen. Die Landeshauptleutekonferenz bekannte sich Anfang Juni zu einer „Reformpartnerschaft“. Ob die von Fiskalratspräsident Christoph Badelt geforderte „sofortige Einleitung von Strukturreformen“ Erfolg haben wird? Ein bisschen Optimismus ist Badelt geblieben: „Wir haben eine Regierung, die in ihrer breiten Zusammensetzung die innere Kraft hätte, Reformen umzusetzen.“
Aber auch wenn die innere Kraft der Regierung für eine Einigung mit den Vertretern von Ländern und Gemeinden auf eine Föderalismusreform reicht, ist der Erfolg längst nicht garantiert. Die Regierungskoalition verfügt über keine Zweidrittelmehrheit im Parlament und bräuchte daher die Unterstützung einer der beiden Oppositionsparteien FPÖ und Grüne. Die Reformpartnersuche hat gerade erst begonnen.