
Spardruck: Was Gemeinden jetzt alles streichen müssen
Österreichs Gemeinden geht es schlecht. Fast jede zweite Kommune wird heuer zu wenig Geld einnehmen, um die laufenden Ausgaben zu decken. Das geht aus der aktuellen Berechnung des Zentrums für Verwaltungsforscher (KDZ) und des Städtebundes hervor. „Die Prognose zeigt, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren weiter verschärft“, sagt Peter Biwald, Geschäftsführer des KDZ.
Die Gründe dafür sind laut den Verwaltungsforschern höhere Personal- und Sozialausgaben, zum Beispiel bei der Kinderbetreuung und der Pflege. Viele dieser Ausgaben sind verpflichtend, etwa die Landesumlage sowie die Krankenanstalten- und Sozialhilfeumlage. Ob sie es wollen oder nicht, damit finanzieren die Gemeinden die Spitäler der Länder mit – und weitere Leistungen wie Infrastruktur und Arbeitslosengeld. Aber nicht nur diese Mittel sind im Laufe der vergangenen Jahre angestiegen, auch die Aufgaben, die den Gemeinden übertragen wurden, haben zugenommen. Zum Beispiel der Ausbau der Kinderbetreuung. Ein schwieriges Unterfangen: Denn nicht nur die Energiekosten, auch die Baukosten sind inflationsbedingt stark gestiegen. Dass die heimische Wirtschaft das dritte Jahr in Folge schrumpft, verschärft die Situation zusätzlich. Wenn Betriebe Stellen abbauen oder ganze Standorte schließen, spiegelt sich das schnell im Gemeindebudget wider: Den Kommunen entgeht dann Kommunalsteuer.
Steigende Kosten bei sinkenden Einnahmen, das kann nicht lange gut gehen. Die KDZ-Prognose zeigt: von einem Euro, den Städte und Gemeinden aus öffentlichen Mitteln erhalten, bleiben den Gemeinden im Jahr 2028 nur noch 40 Cent. 2019 waren es noch über 50 Cent. „Diese Entwicklung untergräbt die finanzielle Eigenständigkeit der Gemeinden und schwächt die Finanzierbarkeit der kommunalen Daseinsvorsorge“, so die Forscherinnen und Forscher vom KDZ. Zwar skizzieren sie in ihrer Prognose auch Maßnahmen, wie Gemeinden mehr Geld einnehmen und Ausgaben senken könnten. Zum Beispiel mithilfe der Erhöhung von Parkgebühren oder indem Gemeinden verstärkt zusammenarbeiten, wenn es um Verwaltungsaufgaben geht. Oder indem – wie es die Regierung bei ÖBB-Projekten vorhat – Infrastrukturprojekte verschoben werden. Doch wenn Bund und Länder nicht einlenken, blieben den Gemeinden nur noch Leistungskürzungen, so das KDZ. Das könnte also bedeuten: weniger Geld für Vereine, kürzere Öffnungszeiten am Amt, das Schließen von Kultureinrichtungen – langfristig wirkt sich das auf die Lebensqualität vor Ort aus.
Was bedeutet das für eine Gemeinde konkret? Ein Blick nach Waidhofen an der Ybbs, eine 11.000 Einwohner-Stadt in Niederösterreich. Die Heimatgemeinde des früheren ÖVP-Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka. Seine guten Kontakte zum Land halfen wenig.
Werner Krammer (ÖVP) ist seit 2014 Bürgermeister von Waidhofen. Und seit zwei Jahren hat er ein Problem, das er mit immer mehr Ortschefs und Chefinnen teilt: Der Gemeinde geht das Geld aus. „Von 2022 bis zum Voranschlag des Budgets 2025 sind unsere Umlagen, also die Mittel für Gesundheit, Pflege, Soziales, Kinder- und Jugendwohlfahrt an das Land um 1,8 Millionen Euro gestiegen“, sagt Krammer. Jene Gelder, die die Gemeinde aus öffentlichen Mitteln erhält, seien „de facto gleich geblieben“. Am stärksten schlagen sich aber die Personalkosten im Gemeindebudget nieder, sie sind im selben Zeitraum von zehn auf 14 Millionen angewachsen. Die hohen Gehaltsabschlüsse im öffentlichen Dienst machen sich bemerkbar. Vier Millionen Euro, so groß ist auch das Budgetloch, das Krammer und seine Gemeinde stopfen müssen.
Aber wie soll das gelingen?
Gespart wird in der Verwaltung, Stellen werden nicht nachbesetzt, die Anzahl der Gemeinderäte soll ab 2027 von 40 auf 31 reduziert werden. Jährlich soll das der Gemeinde etwa 130.000 Euro sparen. Außerdem werden Radwegprojekte, der Ausbau von Gehsteigen und die Sanierung von Gemeindestraßen verschoben. Die Müllgebühr erhöht. Unpopuläre Maßnahmen. Vor allem für Krammers Koalitionspartner, die SPÖ. Zu dritt – in Waidhofen regieren ÖVP und SPÖ mit einer Bürgerliste – soll die Budgetkonsolidierung gelingen. Ähnlich wie im Bund. Ein Thema stößt ihm im Gespräch mit profil sauer auf. Es geht um den Ausbau der Kinderbetreuung.
„Jetzt stehen wir bei der Kinderbetreuung vor der Herausforderung, soll man bauen, obwohl wir den Platz momentan gar nicht brauchen, nur damit wir die erhöhte Förderung in Anspruch nehmen. Oder lassen wir die Förderung verfallen.“
Kritik an blau-gelber Betreuungsoffensive
Die niederösterreichische Landesregierung hat bis 2027 750 Millionen Euro für Kindergärten und die Betreuung der Kleinsten reserviert. Das Ziel: allen Kindern ab dem zweiten Lebensjahr einen Betreuungsplatz in Wohnortnähe anbieten zu können. Viele Gemeinden überfordert der Ausbau, profil berichtete ausführlich. Zwar zahlt das Land beim Bau neuer Kindergärten mit und beteiligt sich bei den Personalkosten, „gänzlich abgegolten bekommen wir das, was man sich da vorgenommen hat, aber nicht“, sagt Krammer. Die Betreuungsoffensive hat noch einen Haken: Förderungen in diesem Ausmaß gibt es nach 2027 – Stand jetzt – nicht mehr. Dann bleiben die Gemeinden alleine auf dem Großteil der Kosten sitzen.
„Wir wissen jetzt schon: Wir werden das bis 2027 nicht in Anspruch nehmen, weil wir momentan keinen Platzmangel haben“, sagt der Waidhofner Bürgermeister. Mehr Bedarf habe man momentan aufgrund des demografischen Wandels anderswo, etwa in der Pflege. „Jetzt stehen wir bei der Kinderbetreuung vor der Herausforderung, soll man bauen, obwohl wir den Platz momentan gar nicht brauchen, nur damit wir die erhöhte Förderung in Anspruch nehmen. Oder lassen wir die Förderung verfallen“, so Krammer. Gespräche mit Bund und Länder habe man diesbezüglich geführt. Jedoch ergebnislos. An den Förderkriterien ändern soll sich nichts.
Gemeindewohnungen verkaufen?
Gemeinderat verkleinern, Bauprojekte schieben – das sind Peanuts im Vergleich zum Einsparungsbedarf. In Waidhofen gibt es keine Tabus mehr, man denkt mittlerweile offen über den Verkauf von Gemeindewohnungen nach. „Wir überlegen derzeit, ob wir das wirklich noch selbst bewirtschaften können oder, ob wir uns davon trennen. Und für diejenigen, die es wirklich brauchen, Förderungen vergeben“, sagt Krammer.
Dass Österreichs Gemeinden immer stärker unter Druck geraten, ist der Regierung bewusst. Spätestens seit Ende März, als bekannt wurde, dass das gesamtstaatliche Defizit des Jahres 2024 noch höher ausfallen wird, als bisher angenommen. Auch, weil die Länder und Gemeinden, anders als kalkuliert, 2024 keine positiven Beiträge ins gesamtstaatliche Budget beisteueren, sondern mit Minus 4,6 Milliarden Euro bilanziert haben.
Im Entwurf des Doppelbudgets finden sich Maßnahmen, die den Gemeinden zumindest kurzfristig unter die Arme greifen sollen. Auf der einen Seite sollen die Ertragsanteile für Länder und Gemeinden angehoben werden. Auf der anderen Seite sollen für Gemeinden bis 2028 insgesamt 880 Millionen Euro aus dem kommunalen Investitionsprogramm (KIP) unbürokratisch abrufbar sein.
An den wirklich großen Stellschrauben zu drehen, wie es auch das KDZ fordert – beispielsweise eine Reform der Grundsteuer oder auch die immer wieder geforderte große Verwaltungsreform – plant diese Regierung laut ihrem Arbeitsprogramm aber nicht.
Dass sich dadurch für Gemeinden so schnell nichts an der Lage ändert, „muss in der Bevölkerung erst ankommen“, sagt Krammer. „Und da muss man wirklich schauen, dass man populistischen Aussagen und einfachen Lösungsvorschlägen nicht die Bühne gibt“, so der Ortschef. Ganz ähnlich wie im Bund.