Die Liste der BVT-Verfehlungen wird immer länger

BVT-Affäre um deutsche Privatagentin: Ermittlungen in Causa „Nina“ abgeschlossen

Stasi-Vergangenheit, hochkarätige Kunden und eine Connection zum Verfassungsschutz: Die WKStA hat ihre Arbeit im bizarren Agentinnen-Krimi beendet. Nun entscheiden die Oberbehörden.

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Fünfeinhalb Jahre lang wurde in Österreich ermittelt. Nun steht im ältesten von mehreren hochnotpeinlichen Verfahren rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT; seit kurzem: DSN – Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst) eine wichtige Entscheidung bevor: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat ihre äußerst umfangreichen und seit 2016 laufenden Erhebungen um die BVT-Connection der deutschen Nachrichtenhändlerin Christina W. - Deckname aus Stasi-Zeiten: „Nina“ – abgeschlossen. Dies bestätigte ein WKStA-Sprecher auf Anfrage von „profil“. Kürzlich sei ein Vorhabensbericht an die Oberstaatsanwaltschaft Wien geschickt worden. Dieser umfasst demnach alle noch offenen Verfahrensstränge.

Im Kern geht es in der schillernden Causa um den Verdacht, ein BVT-Mitarbeiter habe Privatagentin „Nina“ gegen Geld geheime Informationen weitergegeben. Der Verdacht lautet auf Amtsmissbrauch und Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit. Der Mann wurde 2016, als die Affäre aufflog, suspendiert. Bis dahin stand er gemäß Verdachtslage seit mehr als zehn Jahren in intensivem Kontakt mit der bestens vernetzten Schnüfflerin. Diese war – meist indirekt als Subauftragnehmerin diverser Sicherheits- und Unternehmensberater – unter anderem für den ukrainische Oligarch Dmitry Firtasch, die OMV-Gruppe, den Glücksspielkonzern Novomatic und die Vienna Insurance Group tätig.

Verurteilungen in Deutschland und der Schweiz

In Deutschland und in der Schweiz gab es bereits rechtskräftige Verurteilungen: Auch dort war es im Rahmen der breit gefächerte Geschäftstätigkeit von Christina W. zu Berührungspunkten mit Behördenmitarbeitern gekommen. Christina W. und ein ehemaliger Kriminalhauptkommissar, der ihr zugearbeitet hatte, wurden Anfang 2017 in Schwerin nach Geständnissen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt – unter anderem wegen Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit. Einem Schweizer Kantonspolizisten, der „Nina“ gegen Geld mit Polizeidaten versorgt haben soll, wurde Ende 2020 wegen Amtsgeheimnisverletzung, passiver Bestechung und Vorteilsannahme eine Geldstrafe auf Bewährung aufgebrummt.

Ob die WKStA in ihrem nun fertiggestellten Vorhabensbericht auch für Österreich eine Anklageerhebung anstrebt – oder umgekehrt eine Einstellung des Verfahrens, wird in diesem Stadium grundsätzlich nicht bekanntgegeben. Fest steht, dass die Letztentscheidung in derart prominenten und sensiblen Causen von den Oberbehörden bis hinauf ins Ministerium getroffen wird und auch den sogenannten Weisungsrat durchläuft.

Das kann dauern. Umso mehr, als sich die Sachbearbeiter in der Weisungskette nun mit einem umfangreichen und weit verzweigten Akt auseinandersetzen müssen. Das Ermittlungsverfahren kann durchaus auch als Versuch gesehen werden, strafrechtlich Licht ins Dunkel einer Schattenwelt zu bringen, in der nachrichtendienstliche Community und – teils dubiose – private wirtschaftliche Interessen ineinander verschmelzen. In der Welt der Privatschnüffler und ihrer potenten Auftraggeber sind Informationen viel Geld wert (über „Ninas“ Konten liefen Millionen). profil zeichnet einen Agentinnen-Krimi nach, dessen entscheidendes Kapitel nun aufgeschlagen wird.

KAPITEL 1: DER HELFERSHELFER

Die Causa „Nina“ geht ursprünglich von Deutschland aus und reicht dort zurück bis ins Jahr 2015. Kurioserweise hatten die Ermittler Christina W. am Anfang gar nicht auf dem Radar. Sie beschäftigten sich hingegen mit einem Kriminalbeamten aus Mecklenburg-Vorpommern, der dem dortigen Wirtschaftsministerium dienstzugeteilt war (übrigens ausgerechnet im Bereich der Geldwäscheprävention). Ein Helfershelfer, der letztlich – ohne es zu wollen – zum beruflichen Totengräber der Clique um Christina W. werden sollte. Und das kam folgendermaßen.

Zu viele Fragen

Dezember 2014: Mit seinen rund dreißig Jahren ist P. H. noch alles andere als ein alter Hase. Seit ein paar Monaten werkt er im Wirtschaftsministerium. Nun ist er mit einem Kollegen auswärts bei einer mehrtägigen Betriebsprüfung. Man kommt ins Gespräch – und P. H. beginnt, dem Kollegen eigenartige Fragen zu stellen. Ob er den Chef einer bestimmten Firma kenne, die gepanzerte Fahrzeuge herstelle? Ob er größere Mengen von Medikamenten beschaffen könne? P. H. übergibt seinem Kollegen auch eine entsprechende Liste. Dies alles wird der Zeuge jedenfalls später aussagen. Die Medikamente zum Beispiel hätten zur Ausrüstung und zur Steigerung der Ausdauer einer Spezialeinheit in der Region Aserbaidschan dienen sollen.

Um den Jahreswechsel 2014/15 herum wird der Kollege immer misstrauischer. Mitte Jänner meldet sich P. H. krank, sein Kollege braucht jedoch dienstliche Informationen von seinem Computer, weshalb der Kriminalbeamte ihm sein Passwort gibt. Auf der Suche nach den Informationen durchstöbert der Kollege – seiner späteren Darstellung zufolge – die Ordner und Dateien auf dem Rechner. Dabei stößt er auf höchst bemerkenswerte Dokumente, unter anderem ein Schreiben ans US-amerikanische FBI in Zusammenhang mit Oligarch Dmitry Firtasch (wahlweise auch Dmytro, dazu später mehr). Der erstaunte Ministerialbeamte schickt einzelne Dokumente einem ihm bekannten Polizeibeamten weiter und informiert einige Tage später in einem Gespräch unter vier Augen auch den Wirtschaftsminister.

Der erste Österreicher

Im Februar 2015 laufen in der Folge Vorermittlungen gegen P.H. an – neben dem Konnex zu Firtasch gehen die deutschen Behörden dem Verdacht nach, der Kriminalbeamte habe nicht zugelassene Arzneimittel und gepanzerte Fahrzeuge für den Einsatz in einem Krisengebiet beschaffen wollen. Außerdem beäugen die Ermittler einen Kontakt von P. H. mit einem Österreicher höchst kritisch: P. H. sagt damals als Beschuldigter aus, er habe versucht, für einen S. einen Termin beim CEO der Waffenschmiede Rheinmetall zu vereinbaren. S. gilt in österreichischen Nachrichtendienstkreisen als bunter Hund. Er soll als Repräsentant einer Unternehmensgruppe aus Abu Dhabi aufgetreten sein. Es wird beileibe nicht der letzte Schlapphut-Konnex nach Österreich sein, über den die Ermittler stolpern.

KAPITEL 2: DER OBER-CHECKER

Welche Rolle hat P. H. im System „Nina“ gespielt? Allem Anschein nach wurde er in bestimmten Fällen für einen Bekannten tätig: H. H., ein deutscher Kriminalhauptkommissar Ende 50, mit dem er früher zusammengearbeitet hatte. Dieser wiederum war einer der ganz zentralen Ansprechpartner von Christina W., wenn es um die Erledigung von Recherchen und Aufträgen ging. Dafür erhielt er auch Geld. Die Ermittler brauchten jedenfalls nicht lange, um von P. H. auf die Spur des Hauptkommissars H. H. zu gelangen. Und damit waren sie nur noch einen kleinen Hinweis von der Nachrichtenhändlerin entfernt.

Kontaktmann zum BND

H. H. war nicht nur langgedienter Kriminalbeamter, sondern wies eine weitere wertvolle Eigenschaft auf: Er hatte beste Kontakte zum deutschen Bundesnachrichtendienst (BND). Alleine von Jänner 2011 bis August 2013 sind 13 Besuche von H. H. bei BND-Dienststellen in Berlin und München dokumentiert. 2013 wurde H. H. vom Nachrichtendienst als sogenannter Legendenwohnungsgeber angeworben. In dieser Funktion stellte er einem operativen und mit Tarnpapieren ausgestatteten BND-Mitarbeiter eine Deckadresse zur Verfügung. Dies wurde erst gestoppt, nachdem der Nachrichtendienst im Jahr 2015 über die Vorermittlungen gegen H. H. informiert worden war.

Christina W. wusste jedenfalls, dass H. H. mit dem BND gut vernetzt war. Erhielt er von dort auch Informationen? Christina W. gab später an, dass es so gewesen sei. H. H. habe einen Informanten beim BND gehabt. Deckname: „Knecht“. Dies war jedoch nicht das einzige Asset, das der Polizist in die lukrative Geschäftsbeziehung mit „Nina“ einbringen konnte. Der Hauptkommissar tätigte für die Privatagentin auch verbotenerweise Abfragen aus Polizeidatenbanken. 2017 wurde er gemeinsam mit Christina W. vor Gericht gestellt und wegen Bestechlichkeit sowie wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt. „Nina“ hatte ihm demnach von 2008 bis 2015 insgesamt 270.000 Euro bezahlt. Die Privatagentin selbst wurde zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.

Der entscheidende Hinweise

Dass die Ermittler überhaupt auf Christina W. gestoßen sind, ist einem zunächst unspektakulär wirkenden Fund im Rahmen der Vorermittlungen Mitte 2015 zu verdanken. Damals kümmerten sich die deutschen Behörden eigentlich nur um P. H. und H. H. Dabei überprüften sie allerdings auch die Reisetätigkeit des Hauptkommissars. Sie stießen auf eine Rechnung für einen Hin- und Rückflug zwischen Berlin und München. Ausgestellt war diese auf Christina W. beziehungsweise ihre Unternehmensberatung in Berlin. Das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern zählte eins und eins zusammen und vermutete, dass „Nina“ das fehlende Bindeglied in der Affäre sein könnte.

KAPITEL 3: DER OLIGARCH

Der Fall „Nina“ bestand für die deutschen Ermittler in diesem Stadium zunächst aus einem zentralen Teil: verdächtige Aktivitäten der Beamten P. H. und H. H. für den ukrainischen Oligarchen Dmitry Firtasch in Zusammenspiel mit der Privatagentin.

Der Brief ans FBI

Firtasch war im März 2014 in Wien festgesetzt worden. Die USA verlangten (und verlangen bis heute) seine Auslieferung wegen einer Korruptionsanklage. Der Milliardär hat sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Der Fall sorgte jedenfalls bereits damals für Schlagzeilen – und führt zurück zum erwähnte Dienstcomputer des P. H. im Wirtschaftsministerium von Mecklenburg-Vorpommern.

Darauf fand sein neugieriger Kollege nämlich nicht nur eine von Firtasch unterzeichnete Vollmacht, die es unter anderem P. H. und H.H. gestattete, gemeinsam mit einem Firtasch-Vertreter Gespräche mit US-Behörden zu starten. Er stieß zudem auf ein entsprechendes Schreiben von P. H. an den damaligen FBI-Direktor James Comey aus dem Mai 2014. Ein paar Tage später hatte P. H. außerdem noch ein ähnliches E-Mail an den damaligen US-Justizminister Eric Holder gerichtet. Darin gab er sich als von Firtasch autorisierte Person zu erkennen und schrieb, man sei vom Oligarchen instruiert worden auszuloten, ob die US-Behörden gewillt wären, an Gesprächen teilzunehmen. Firtasch sei gewillt, Gespräche über alle Fragen zu führen, die für die USA von Interesse seien – darüber hinaus auch über die Vorwürfe gegen ihn.

P. H. könnte die Aufgabe zugefallen sein, die Nachrichten zu verfassen, da er einst ein Austausch-Schuljahr in den USA verbracht hatte und besser Englisch sprach als H. H. Dass das merkwürdige Verhandlungsangebot immer noch ziemlich holprig daherkamen, war aus Sicht der deutschen Ermittler wohl noch das geringste Problem.

Geld aus Zypern

 

Die Behörden fanden nämlich heraus, dass eine Limited mit Sitz auf den Seychellen und Bankkonten auf Zypern mehr als eine halbe Million Euro an Christina W. überwiesen hatte. Die Firma wurde dem Einflussbereich von Firtasch zugerechnet. Da W. wenige Tage danach fünfstellige Summen von ihrem Konto abhob, hegten die Ermittler den Verdacht, dass sie Geld an H. H. weitergab. Ermittlungen hatten zudem weitere Verbindungen zwischen H. H. und Christina W. ergeben – und auch Connections nach Österreich. Am 20. April 2016 – mehr als ein Jahr nach Aufkommen der ersten Verdachtsmomente – schlugen die Behörden zu. Es gab Hausdurchsuchungen, und zwar nicht nur bei den Verdächtigen in Deutschland, sondern auch im Rechtshilfeweg in Österreich – unter anderem bei Firtasch, wobei dieser in der Causa „Nina“ immer nur als Zeuge gehandelt wurde und nie als Beschuldigter.

KAPITEL 5: DIE ÜBERFLIEGERIN

 

Als die Einsatzkräfte am 20. April 2016 um 5.30 Uhr in der Früh bei W. klingelten, realisierte die damals knapp 70-Jährige zunächst nicht, dass ihre Karriere als breit vernetzte Nachrichtenhändlerin mit einem Schlag zu Ende sein würde. Sie sagte gegenüber den Beamten, dass sie zwei Tage später dringende Termine in Wien hätte und diese auch wahrnehmen wolle. Die Ermittler mussten ihr deutlich machen, dass das eher nicht möglich sein werde. W. wurde noch an diesem Tag festgenommen und wanderte in Untersuchungshaft. 2017 wurde sie – wie oben erwähnt – verurteilt, mittlerweile ist sie wieder auf freiem Fuß. Ihr Anwalt teilte auf profil-Anfrage mit, sie werde keinerlei Stellungnahmen abgeben.

Wer ist „Nina“?

 

Christina W. stammte ursprünglich aus Leipzig, arbeitete zu DDR-Zeiten als Journalistin und war ab Mitte der 80er Jahre nebenher als Spitzel (IM - „Inoffizieller Mitarbeiter“) für die Stasi tätig. Ihr Deckname war „Nina“. Diesen kultivierte W. regelrecht und nutzte ihn stolz als Spitznamen weiter – nicht zuletzt im Rahmen ihrer illustren Geschäftstätigkeit als Privatagentin, die für Unternehmen und andere betuchte Auftraggeber Informationen beschaffte. Dabei ging es unter anderem um Personen- und Firmeninformationen, die Auftraggebern in Streitfällen nützlich sein sollten. Über die Werthaltigkeit dieser Tätigkeit gab es im Laufe der Jahre unterschiedliche Meinungen. Manch Dossier dürfte aus dem Internet zusammenkopiert gewesen sein. Der eine oder andere unterstellte ihr schon früh einen gewissen Hang zu Verschwörungstheorien. Ganz im luftleeren Raum agierte „Nina“ jedoch nicht. Schließlich konnte sie – etwa über H.H. - auch Abfragen aus Behördencomputern vornehmen lassen.

Die Geschäfte liefen jedenfalls prächtig und W. war viel unterwegs: Bei Air Berlin galt sie als Vielfliegerin mit einer Topbonus-Platinkarte. Ermittler fanden heraus, dass die rasende Agentin von März 2012 bis November 2015 durchschnittlich neun Mal pro Monat im Flieger saß. Regelmäßige Reiseziele: Wien, Zürich, Budapest, Bukarest, Prag und Belgrad. Auf einem der Girokonten von W. und ihrem Mann gingen von 2011 bis 2015 rund 2,3 Millionen Euro ein, denen die Ermittler schon auf den ersten Blick einen geschäftlichen Hintergrund zuordneten. Die Zahler stammten großteils aus Österreich. Von diesem Konto wurden rund 760.000 Euro bar abgehoben. Auch über ein weiteres Konten liefen hohe Beträge.

Die Österreich-Connection

Wien war geschäftlich eine bevorzugte Destination der Privatagentin. Sie stieg immer im Hotel Kärntnerhof in der Innenstadt ab. Alleine von Juli 2015 bis Jänner 2016 verzeichnete man dort 17 Aufhalte. Mit ihren Kontaktleuten traf sich Christina W. teilweise gleich im Hotel, mitunter aber auch bei einem nahen Italiener oder in einem Mehlspeisenlokal ums Eck. Einer, mit dem sie laut Bewirtungsbelegen zusammensaß und über das eine oder andere Projekte sprach: ein Beamter des österreichischen BVT.

 

KAPITEL 6: DER VERFASSUNGSSCHÜTZER

Unter den zahlreichen österreichischen Kontakten von Agentin „Nina“ sticht einer ganz besonders heraus – schon allein wegen seines heiklen beruflichen Umfelds. Der Mann war bis zum Auffliegen der Affäre (und seiner Suspendierung) im BVT tätig. Ein besonders sensibles Umfeld, dennoch war der Beamte gemäß Verdachtslage ein treuer Zuarbeiter von Agentin „Nina“ – und das soll sich finanziell für ihn gelohnt haben.

Ist Bares Wahres?

Die Ermittler durchforsteten die penibel geführte Buchhaltung der Privatagentin. Darin fanden sie eine Reihe von Eigenbelegen – offenbar für Bargeldauszahlungen. Demnach soll der BVT-Mitarbeiter von 2009 bis 2016 auf diese Weise knapp 100.000 Euro kassiert haben. Auf den verdächtigen Eigenbelegen fand sich meist der Vermerk „Quelle“ nebst den Initialen des Beamten.

Der suspendiertes Verfassungsschützer hat jedes Fehlverhalten immer bestritten. Er habe sich aus strafrechtlicher Sicht nichts vorzuwerfen. Er habe „weder dienstliche, geheime, noch anderweitig schützenswerte Daten oder Informationen“ an W. oder an sonst jemanden weitergegeben, teilte er Anfang 2021 profil auf Anfrage mit. In einem E-Mail an die Ermittler soll der BVTler angegeben haben, nur aus Freundschaft den Boten gespielt zu haben. W. behauptete ihrerseits, der Beamte hätte im Rahmen ihrer Projekte lediglich Organigramme (Anmerkung: offenbar zu Personen und Firmen) angefertigt.

Informationsankauf“

Dementgegen stehen allerdings die Leistungsbeschreibungen auf Zahlungsbelegen, welche die Ermittler dem BVT-Beamten zurechnen. Diese lauten unter anderem auf: „Ermittlungen, Recherchen, Informationen, Informationsbeschaffung“ oder auch einfach nur „Informationsankauf“ (profil berichtete in der Ausgabe 5/2021). Darüber hinaus fanden die Ermittler einen regen E-Mail-Verkehr zwischen „Nina“ und dem BVT-Mann, der dafür Tarn-Accounts nutzte. Mehrfach fragte der Beamte Personen und Firmen im Firmenbuch ab, die bei den Projekten der Privatagentin eine Rolle spielten. Das Firmenbuch ist öffentlich einsehbar, möglicherweise erfolgten die Abfragen aber im Dienst. Teilweise fand die Justiz Informationen auf dem Dienst-Rechner des Beamten, die dann anderenorts bei Christina W. auftauchten.

Gegenüber Kunden verwies die Privatagentin jedenfalls durchaus unverhohlen auf ihre Connection zum BVT. Umgekehrt führte der Verfassungsschützer Christina W. als Gelegenheitsinformantin – obwohl es in Nachrichtendienstkreisen schon länger Vorbehalte gegenüber „Nina“ gab. Als der BVTler der Privatagentin im Jahr 2013 mitteilte, dass er am Wochenende in der Steiermark Wein verkosten werde, antwortete sie: „Fall nicht ins Weinfass, ich brauche Dich noch.“

profil berichtete in den vergangen Jahren wiederholt ausführlich zu den diversen Geschäften von Privatagentin „Nina“. Wir stellen diese Artikel nun vollständig online zur Verfügung:

 

profil 28/2020 vom 5. Juli 2020: Agentin Ninas langer Schatten

 

profil 29/2020 vom 12. Juli 2020: „Bussi Nina“

 

profil 18/2021 vom 2. Mai 2021: Essig im Öl

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.