Causa Chorherr: Das Warten auf den Prozess

Die Einspruchsfrist gegen die Anklageschrift der WKStA ist abgelaufen. Nur einer der 31 Angeklagten hat sie angefochten. Das Gerichtsverfahren gegen Christoph Chorherr und die Elite der Wiener Immobilienbranche liegt auf Eis.

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Christoph Chorherr hat es nicht getan, Michel Tojner hat es nicht getan, auch René Benko, Erwin Soravia und Günter Kerbler haben es nicht getan. Sie alle haben die Möglichkeit ungenutzt gelassen, Einsprüche gegen eine Korruptionsanklage zu erheben.

Wie ausführlich berichtet, will die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) den früheren Wiener Grün-Politiker und eine Reihe prominenter Immobilieninvestoren vor Gericht stellen. Chorherr werden Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit angelastet, den Geschäftsleuten Bestechung und Beitrag zum Amtsmissbrauch. Neben Chorherr sind neun Personen angeklagt, dazu 20 Firmen und der Verein S2Arch im Wege der sogenannten Verbandsverantwortlichkeit.  

Sofern sich die Betroffenen bisher öffentlich geäußert haben, haben sie alle Vorwürfe zurückgewiesen, es gilt die Unschuldsvermutung.  

Im Kern geht es um den Vorwurf, Chorherr habe Spenden an den von ihm initiierten Verein S2Arch angenommen – von Spendern, die Immobilienprojekte in Wien verfolgten, mit denen wiederum er als Gemeinderat politisch befasst war. 

 Die Anklage ist noch nicht „rechtswirksam“  

Die Anklageschrift wurde den Betroffenen vor nunmehr zwei Wochen nach und nach zugestellt. Ab da begann die 14-tägige Einspruchsfrist zu laufen, innerhalb derer die Angeklagten allfällige Mängel beim zuständigen Landesgericht für Strafsachen Wien geltend machen können, das anschließend das Oberlandesgericht Wien damit befasst.  

Solange Einsprüche nicht vom OLG behandelt wurden, gilt eine Anklage als nicht „rechtswirksam“ (nicht zu verwechseln mit dem bei Urteilen gängigen Begriff „rechtskräftig“)  und es kann auch kein Prozess beginnen.  

Nach Ablauf der Einspruchsfrist kam von den insgesamt 31 Angeklagten lediglich ein Einspruch, wie die Sprecherin des Wiener Straflandesgerichts Christina Salzborn profil auf Anfrage bestätigte: „Seitens eines Verbandes wurde ein Anklageeinspruch fristgerecht eingebracht, die Anklage ist somit nicht rechtswirksam.“  

Nach profil-Recherchen kam der Einspruch von einer Immobiliengesellschaft der Erste Immobilien-Gruppe, die wiederum zur Erste Group gehört. Die Bank hat mit dem Fall selbst nichts zu tun, sie ist gleichsam über ein Geschäft mit Günter Kerbler, dem Angeklagten Nummer vier, in die Sache hineingeraten. Kerbler hatte Chorherrs Verein S2Arch im Jahr 2014 insgesamt 100.000 Euro gespendet. 

Der Unternehmer kontrollierte einst unter anderem eine Immobiliengesellschaft, die laut WKStA bei den vermuteten Bestechungszahlungen an Chorherr eine Rolle gespielt haben könnte. 2018 kaufte die Erste Immobilien-Gruppe diese Firma, benannte sie um und trat damit auch die sogenannte Rechtsnachfolge an; Kerbler schied aus. 

In dem profil vorliegenden Einspruch (verfasst von der Kanzlei Schönherr) wendet die angeklagte Immobiliengesellschaft einen Verfahrensmangel ein: Die Vorwürfe gegen sie entbehrten schon allein deshalb jeder Grundlage, weil die Gesellschaft erst im Juni 2015 gegründet worden sei – ein Jahr nach den Kerbler angelasteten Spenden. 

Das Oberlandesgericht Wien muss den Einspruch und damit auch die Anklage nun umfassend prüfen, erst nach einer Entscheidung könnte gegebenenfalls ein Prozesstermin angesetzt werden. Wann das geschieht, lässt sich schwer bestimmen. Das OLG ist bei der Prüfung an keine Fristen gebunden. 

Auch wenn dies keinesfalls als Schuldeingeständnis gewertet werden darf: Bemerkenswert bleibt, dass keiner der prominenten Angeklagten die Vorwürfe der WKStA beeinsprucht hat. 

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.