Ein handgeschriebener Zettel in der Auslage ruft zur Suche nach Arbeitskräften in einem Textilgeschäft.

Das Blatt wendet sich für junge Jobsuchende

Junge Jobsuchende haben gute Karten wie lange nicht mehr. Doch die Konjunkturaussichten verdüstern sich. Was kommt da auf uns zu?

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Auf Tiktok scherzen viele über die laxe Arbeitsmoral der Generation Z, also all jener, die Ende der 1990er-, Anfang der 2000er-Jahre geboren wurden. In den Videos ist die Geschichte meist sehr ähnlich: Der Boomer arbeitet viel, die Gen X ist frustriert, der Millennial spricht von seiner Work-Life-Balance, und der Vertreter der Generation Z schaltet sich bei der Videokonferenz zu, dreht die Kamera ab und meldet sich bis auf ein "Bye" nicht mehr.

Überzeichnet, aber ein Stimmungsbild. "Die Arbeitsmarktsituation zu Beginn des Berufslebens prägt stark, sagt die Soziologin Nina-Sophie Fritsch von der WU Wien. Derzeit herrscht eine hohe Nachfrage nach den wenigen Arbeitskräften der geburtenschwachen Jahrgänge, und das prägt. Anders war das noch bei der Generation davor, den Millennials, geboren in den 1980er- bis frühen 1990er-Jahren, als bei vielen die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007/2008 die erste Berührung mit dem Arbeitsmarkt darstellte.

Seitdem hat sich viel verändert: Die Arbeitslosenquote liegt im Juni 2022 bei 5,5 Prozent. Das ist der niedrigste Stand seit Mai 2008. Auf die Rekordarbeitslosigkeit zu Beginn der Pandemie folgte ein steiler Anstieg an offenen Stellen. Alle sperrten gleichzeitig wieder auf, und bestehende Engpässe beim Personal haben sich verschärft. Auch den demografischen Wandel spüren viele – während Babyboomer in Pension gehen, kommen weniger Junge nach. Das heißt: Grundsätzlich ist die Lage trotz Inflation, hoher Energiepreise, Lieferengpässe und der nicht überwundenen Pandemie günstig für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es gibt viele offene Stellen, verhältnismäßig weniger Bewerber. Damit steigt der Verhandlungsspielraum.

 

Auch die im Vorjahr viel zitierte "Great Resignation" zeugt von neuem Selbstbewusstsein: Vor allem in den USA kündigten Arbeitnehmer, ohne einen Job in Aussicht zu haben. Viele davon haben aber innerhalb kurzer Zeit einen neuen gefunden, berichtet die "New York Times" mit Blick auf die Arbeitsmarktdaten. Oftmals brachte der Jobwechsel auch mehr Gehalt oder bessere Arbeitszeiten mit sich.

In Österreich ist das Phänomen nie so ganz angekommen. "Aber die Verhandlungsmacht der Beschäftigen ist gestiegen", sagt der Ökonom Rainer Eppel vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO). "Viele Arbeitgebende haben gemerkt, wie schwierig es ist, überhaupt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, vor allem gute. Sie wollen diese nun eher halten."

Doch jetzt dreht der Wind. Wirtschaftsprognosen werden pessimistischer. Dazu kommen Meldungen wie etwa die von Tesla-Chef Elon Musk. Er plant, in den kommenden Monaten rund drei Prozent der Stellen zu streichen. Das sind 3500 Beschäftigte weniger. Grund dafür sei "ein superschlechtes Gefühl" in Bezug auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung der USA. Die Scooter-Firma Bird will fast ein Viertel der Belegschaft freisetzen, Facebook und Amazon haben ihr rasantes Tempo beim Einstellen neuer Mitarbeiter gebremst.

Das ist einstweilen weit weg von Österreich. Hier ist der Fachkräftemangel das dominierende Thema. Doch auch heimische Konjunkturprognosen schauen weniger optimistisch in die Zukunft. Das WIFO und das IHS rechnen mit einem schwächeren Wirtschaftswachstum ab dem zweiten Halbjahr 2022, also ab jetzt. Auf dem Arbeitsmarkt kommt das etwas später an. Aber: "Wir gehen sehenden Auges in die Rezession", sagt dazu Lukas Lehner, der an der Universität Oxford forscht. "Die Frage ist, ob es eine leichte oder schwere wird." Er regt daher an, schon einen Schritt weiter zu denken, und zwar: Wie kann man europaweit die Kurzarbeitsmodelle anpassen? Was haben wir aus der Pandemie gelernt? Und wie werden sie finanziert? Noch sind die Karten gut, doch das Blatt wendet sich.

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.