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Eurofighter-Verträge: Was die Republik daran unbedingt geheim halten will

Das Verteidigungsministerium musste nach einem Gerichtsurteil erstmals die Eurofighter-Kaufverträge herausgeben, löschte aber viele Stellen. profil weiß, welche.

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Was das österreichische Verteidigungsministerium anstellt, um sich gegen die Offenlegung der Eurofighter-Verträge zu stemmen, erinnert an die sinistre Kunst der psychologischen Kriegsführung. Im März 2015 (kein Tippfehler) setzte sich Markus Hametner vom „Forum Informationsfreiheit“ vor den Computer, um ein E-Mail zu verfassen, das in der Folge sogar Höchstrichter beschäftigen sollte. Nun – sieben Jahre später – feiert er einen Etappensieg, erledigt ist die Angelegenheit damit aber noch immer nicht. Was Hametner will, ist für österreichische Verhältnisse unerhört. Er ersuchte das Ministerium um die Übermittlung des Vertragswerks zum milliardenschweren Kauf der Eurofighter durch das Bundesheer im Jahr 2003. Aber: Darf er denn das?

Das Forum Informationsfreiheit ist eine Organisation, die gegen das Amtsgeheimnis und für ein zeitgemäßes Informationsfreiheitsgesetz eintritt, wie es in anderen Staaten längst existiert. Die Politik stellt ein solches Gesetz seit Jahren in Aussicht – nur um es dann doch nicht umzusetzen. Aktuell wird gerade wieder darüber diskutiert. Man wird sehen, ob sich der gewohnte Zyklus aus Ankündigung und In-der-Lade-verschwinden-Lassen auch diesmal wiederholt. Wie dringend notwendig ein echtes Informationsfreiheitsgesetz in Österreich wäre, zeigt in der Zwischenzeit durchaus paradigmatisch die Causa Eurofighter-Verträge.

Sieben Jahre, drei Bescheide, fünf Gerichtsbeschlüsse

Es sollte von März 2015 weg fast auf den Tag genau sieben Jahre dauern, bis Hametner das Eurofighter-Vertragswerk – es handelt sich um die zwei ursprünglichen Kaufverträge vom 1. Juli 2003 (einen für die Flugzeuge sowie einen zweiten für die Ausrüstung, die logistischen Leistungen und die Ausbildung) samt Nachträgen – in Händen hielt. Im April 2022 wurde ihm das Konvolut endlich zugestellt. Dazwischen lagen in Summe drei ablehnende – und letztlich gerichtlich aufgehobene – Bescheide des Verteidigungsministeriums, vier Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und sogar ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs. Hametner ist Datenjournalist und echter Experte, was das rechtliche Einfordern staatlicher Informationen anbelangt. Andere hätten wohl längst die weiße Fahne gehisst. 

Doch wie sich bei Durchsicht des übermittelten Vertragskonvoluts zeigt: Die Sache ist noch immer nicht erledigt. Das Verteidigungsministerium hat weite Teile der Dokumente unkenntlich gemacht – übrigens nicht durch Schwärzung, sondern durch Weißung. (Dadurch ist an manchen Stellen nicht nachvollziehbar, wie viel oder ob überhaupt etwas fehlt. Das wiederum erschwert weiteres rechtliches Nachbohren.)Nun ist völlig unbestritten, dass die Eurofighter-Verträge Angaben enthalten können, die aus gutem Grund der Geheimhaltung unterliegen – etwa Details über die Bewaffnung der Kampfjets. Auch Hametner hat nicht die vollständige Übermittlung verlangt, sondern eine Version, in der derartige Stellen unkenntlich gemacht sind. Als das Bundesverwaltungsgericht im Dezember 2021 das Ministerium aufforderte, die Verträge herauszugeben, hielt es diesbezüglich fest, dass das Verteidigungsressort berechtigt sei, bestimmte Informationen „auszunehmen oder zu schwärzen“. Nämlich solche, welche „die umfassende Landesverteidigung, die auswärtigen Beziehungen und gegebenenfalls wirtschaftliche Interessen des Bundes beeinträchtigen können“.

Ministerium löschte weite Teile der Verträge

profil konnte in seinen jahrelangen Recherchen zum Thema Eurofighter weite Teile des Vertragswerks in ungeschwärzter Form einsehen. Hält die vom Verteidigungsministerium zähneknirschend herausgegebene Variante den vom Gericht festgelegten Anforderungen stand? Sind hier tatsächlich nur Informationen entfernt worden, die Österreich aus militärischen, zwischenstaatlichen und wirtschaftlichen Gründen unbedingt schützen muss? Oder hat am Ende vielleicht der Amtsschimmel da und dort den Tintenkiller ein bisschen zu freihändig geschwungen?

Einige Beispiele: Fehlen in einer Vertragspassage nur einzelne Wörter oder Zahlen, kann man wohl davon ausgehen, dass diese nach reiflicher Überlegung entfernt wurden – so etwa auf Seite 5 in Teil A (kommerzielle Bestimmungen) des Kaufvertrags. Umso erstaunlicher scheint es, dass hier gezielt die Umsatzsteueridentifikationsnummer (UID-Nummer) des Verteidigungsministeriums unkenntlich gemacht wurde. Diese lautet ATU 36801804 und ist ohne aufwendige Suche im Internet zu finden. Weshalb wäre die UID-Nummer geheim zu halten? 

Kaufpreis längst bekannt - trotzdem „geweißt“

Für die Beurteilung des Eurofighter-Deals mag die UID-Nummer des Ministeriums irrelevant sein, für die Grundhaltung in Sachen Informationsherausgabe ist deren Löschung freilich symptomatisch. Blättert man nämlich zu Anhang A-1 des Kaufvertrags weiter, sieht man sich plötzlich einem „Preis- und Leistungsverzeichnis“ gegenüber, in dem ausgerechnet die Preise fehlen – und zwar sogar die jeweiligen Gesamtpreise. Auch hier erschließt sich das Geheimhaltungsinteresse nicht. Die Gesamtpreise finden sich seit April 2005 auf den Cent genau (1.329.910.581,47 Euro für die Flugzeuge, 629.171.467,87 Euro für die Ausrüstung) in einem Rechnungshofbericht. Darüber hinaus stehen sie auf Millionenbeträge gerundet seit Jahr und Tag im Internet – und zwar ausgerechnet auf der Website des Verteidigungsministeriums.  

Trefflich streiten lässt sich wohl auch über die Frage, ob nach fast zwei Jahrzehnten die Preise der in den Verträgen angeführten Einzelpositionen noch ein schützenswertes Geschäftsgeheimnis darstellen. Schon 2005 zeigte der Rechnungshof auch diesbezüglich wenig Skrupel, indem er festhielt, dass der Kaufvertrag die Ausbildung von 36 Piloten vorsah, jedoch nur 18 Pilotenausrüstungen um rund 3,018 Millionen Euro bestellt wurden und keine Helme. In der nun offengelegten Version des Vertrags hat jemand die Zahl „18“ gelöscht – und auch den Preis. Ebenso wenig nachvollziehbar scheint, weshalb der vereinbarte Lieferplan für die 18 Flugzeuge im Vertrag unkenntlich gemacht wurde. Die Kampfjets (letztlich waren es nur 15, der Kaufpreis fiel dann etwas niedriger aus) sind längst in Österreich gelandet. 

Wie geheim ist der Flugzeuganstrich?

Teil B des Kaufvertrags enthält wohl die sensibelsten Informationen aus militärischer Sicht – die technischen Angaben. Das allein vermag die Fülle an Weißungen in diesem Vertragsabschnitt jedoch kaum zu erklären. Mal ist die englische Bezeichnung einer Komponente gelöscht, die deutsche Übersetzung aber sichtbar. Ein anderes Mal stehen die englischen Begriffe da, die deutschen Übersetzungen wurden aber gelöscht. Dann wiederum ist so gut wie alles weiß – seitenweise. Es fehlen Überschriften, Inhalts- und Abbildungsverzeichnisse – selbst Wörter wie „Einleitung“ oder „Allgemeines“ fielen den Löschungen zum Opfer. Eine Notwendigkeit für derart rigoroses Vorgehen ist nicht ersichtlich. 

Sorgsam getilgt wurden zum Beispiel Verweise auf die „NETMA“, eine Art NATO-Organisation für die Entwicklung, Produktion und logistische Unterstützung in Zusammenhang mit den Eurofightern. Deren Existenz ist nicht geheim, zur NETMA gibt es einen Wikipedia-Eintrag. Doch damit nicht genug: Im Vertrag wurden sogar Informationen zum Flugzeuganstrich geweißt – nämlich die Bestimmung, dass das Verteidigungsministerium der Firma Eurofighter zwölf Monate vor Auslieferung des ersten Jets ein Farbschema für die Oberflächenlackierung mit den nationalen Zeichen, Flugzeugnummern und Markierungen zur Verfügung stellen würde. Tarnfarbe kam bei den Eurofightern nicht zum Einsatz, bei der Offenlegung des Vertragswerks offenbar schon.

Kampf um Verträge geht weiter

profil wollte vom Verteidigungsministerium wissen, warum diese und andere Punkte, bei denen kein Geheimhaltungsinteresse erkennbar ist, geweißt wurden. Darüber hinaus fragte profil nach, ob sich das Ministerium für die ordnungsgemäße Umsetzung eines allfälligen Informationsfreiheitsgesetzes in Österreich ausreichend gerüstet sieht. Im Antwort-Mail der Pressestelle wurde – in beachtlicher Analogie zum bisherigen Vorgehen – keine einzige dieser Fragen beantwortet. Aus dem Statement ergibt sich lediglich, dass man der Meinung ist, die Offenlegung in der gerichtlich gebotenen Form geleistet zu haben. 

Hametner will sich damit nicht zufrieden geben. Er kündigt an, gegen die „teilweisen Auskunftsverweigerungen“ rechtlich vorzugehen. Wer selbst einen Blick in das Vertragswerk werfen möchte, kann dies im Internet tun: informationsfreiheit.at. Besonders lohnt sich ein Blick auf die „2. Vertragsanpassung“ zum Kaufvertrag: Dort wurde auch viel geweißt, der – angeblich geheime – ursprüngliche Kaufpreis diesmal allerdings nicht. 

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).