Labubu: Das Milliarden-Geschäft mit den Flauschmonstern
Woche für Woche stehen Jugendliche Schlange, um ein kleines Plüschmonster zu ergattern. Labubus sind der Konsumhit des Jahres 2025 – dahinter verbirgt sich ein Milliardengeschäft und ein florierender Schwarzmarkt.
Die Schlange ist mindestens fünf Meter lang, seit über einer Stunde warten die Jugendlichen schon darauf, dass der kleine chinesische Shop in der Wiener Landstraßer Hauptstraße aufsperrt. Lieferanten schlängeln sich an ihnen vorbei. Kisten voll mit frischer Ware werden hineingetragen. Dann kommt das Go. Euphorisch stürmen die Teenies in das enge Geschäft. Schon länger ist der „Shanghai-Shop“ ein Geheimtipp für K-Pop-Fans und Anime-Enthusiasten, die hier Merchandise einkaufen. Aber der Andrang war noch nie so groß wie momentan. Tritt man ein, fällt der Blick sofort auf ein großes, buntes Regal, das fast wie ein Schrein aus einer anderen Welt wirkt. Darin hausen kleine, fellüberzogene, grinsende, neunzahnige Puppen: Labubus.
Eine junge Frau, vielleicht 17 Jahre alt, erkundet eine frisch gelieferte Labubu-Box. Zwei Wochen hat sie darauf gewartet, endlich ist sie da. Schnell zahlt sie, verlässt das Geschäft und teilt den Fund schon vor dem Eingang auf Instagram mit ihren Freunden. Wie US-Megastar Rihanna und die K-Pop-Sängerin Lisa von Blackpink wird sie das kleine Monster an ihre Tasche hängen. Labubus sind ein Statement-Accessoire, das Millionen Rucksäcke, Hosenbünde oder Taschen schmückt – weltweit. Aber was hat es mit diesen kleinen Teufelspüppchen auf sich? Und warum scheint die ganze Welt verrückt danach geworden zu sein?
Der Labubu-Markt boomt, besonders die Gen Z und die Millennials scheinen wild nach den kleinen Puppen zu sein. Angefangen hat alles in China, genauer gesagt in Hongkong, wo der Künstler Kasing Lung 2015 die Kreatur für eine Kinderbuchserie namens „The Monsters“ geschaffen hat. Die Labubus sind eine Art kleiner, tollpatschiger, aber guter Feen in der fiktiven Welt der „Monsters“. Als Lisa, Mitglied der K-Pop-Gruppe Blackpink, vor sechs Jahren in einem Interview angab, dass sie Labubus sammle, begann der Hype so richtig. Heute sorgen diese hässlichen kleinen Monster für einen globalen Verkaufsboom. Der chinesische Spielzeughersteller Pop Mart ist das einzige Unternehmen, das die originalen Labubus herstellt und weltweit offiziell verkaufen darf. Die Nachfrage ist mittlerweile so groß, dass die Verkaufswebsite regelmäßig abstürzt. Und der Absatz ist so enorm, dass der 38-jährige Pop-Mart-Gründer Wang Ning heute laut „Forbes“ zu den zehn reichsten Chinesen gehört.
Das mit Abstand prominenteste Regal im Wiener „Shanghai-Shop“ ist jenes mit den Labubus.
Labubus sind nicht der erste große Konsum-Hype bei Jugendlichen – siehe Fidget-Spinner, Stanley-Cups, Retro-Tamagotchis. Das Erfolgsgeheimnis der chinesischen Püppchen ist das Blindbox-Prinzip. Man kauft eine kleine, bunte Kartonbox und weiß nie genau, welches kleine Monster man gerade erstanden hat. Erst nach dem Öffnen lüftet sich das Geheimnis. Dieser Dopaminschuss sorgt bei den Käufern oft für einen regelrechten Sammelwahn. Bekommt man dann noch ein seltenes Exemplar, das nicht der Standardedition entstammt, steigt der Antrieb, noch eine weitere Box zu kaufen. Auf TikTok finden sich inzwischen zig Anleitungen, wie man schon vor dem Öffnen herausfinden kann, welches Labubu man bekommen hat. Und die Videos werden von Millionen geklickt.
Gewinnexplosion
Der Boom begann 2019 in China, als die ersten Labubu-Blindboxen auf den Markt kamen, zu einem Preis von umgerechnet 20 Euro. Pop Mart expandierte bald auch international und eröffnete 2021/22 seine ersten Stores in den USA, Australien, Großbritannien und Frankreich, später auch in Deutschland und Italien. Im Jahr 2019 erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von 1683 Millionen Yuan (200 Millionen Euro). 2024 war der Umsatz schon fast acht Mal höher – 13.037 Millionen Yuan (1,55 Milliarden Euro) erwirtschaftete Pop Mart im Vorjahr, der internationale Anteil betrug 38,8 Prozent. Heuer soll der Gewinn laut „Reuters“ noch einmal um 400 Prozent gestiegen sein. In österreichischen Labubu-Läden kostet eine Box aktuell ab 40 Euro, Sondereditionen oder besonders seltene Exemplare können schon mal 150 Euro kosten.
Kein Wunder, dass längst auch ein globaler Fake-Markt im Dunstkreis der echten Labubus floriert. Die gefälschten Püppchen werden fast schon liebevoll Lafufus genannt, die häufigen Abstürze der Pop-Mart-Site und die hohen Preise haben dafür gesorgt, dass viele Jugendliche nichts dagegen haben, sich ein Fake zu kaufen. Die Preisspanne dafür geht von 3 Euro am Straßenmarkt bis hin zu 40 Euro bei Resellern.
Wang Ning ist der Gründer von Pop Mart. Der Konzern erwirtschaftete im Vorjahr einen Umsatz von umgerechnet 1,55 Milliarden Euro. Für heuer erwartet man eine Vervierfachung. Die kleinen Labubu-Monster machten den Pop-Mart-Gründer binnen weniger Jahre zu einem der reichsten Menschen in China.
Wer sich in Wien ein Labubu kaufen will, hat einige Möglichkeiten: Natürlich könnte man ganz klassisch auf der Pop-Mart-Site bestellen, sofern sie funktioniert. Alternativ bieten sich mehrere Shops in der Innenstadt an. Wer durch die Stadt spaziert, der hat womöglich schon diese Geschäfte gesehen, die vermeintlich echte Labubus im Schaufenster ausstellen. Aber: Nicht alle davon sind echte Pop-Mart-Puppen. Tipp: Die Originale haben neun Zähne, steife Ohren, ein angenähtes Plüschfell und eine Art Erkennungszeichen auf der rechten Fußsohle, das unter UV-Licht leuchtet. Lafufus können in allerlei Variationen kommen.
Das große Warten
Der „Shanghai-Shop“ auf der Landstraßer Hauptstraße verkauft originale Pop-Mart-Blindboxen. 40 bis 60 Euro kostet so eine Box hier in der Regel. Der kleine Laden verkauft auch sonst allerlei. Von chinesischen Lebensmitteln bis hin zu Boygroup-Fanartikeln ist alles da. Der Schrein mit den Pop-Mart-Produkten ist besonders liebevoll geschmückt. „Wir waren immer schon ein Geheimtipp für K-Pop-Fans. Aber seit dem Labubu-Hype müssen wir andauernd Ware nachbestellen“, meinte Elva Qian, die Tochter der Besitzerin. Die letzte Lieferung kam am Donnerstag, schon am Montag sind die Labubus ausverkauft. Dabei war Freitag ein Feiertag. Mittlerweile ist die Nachfrage so groß, dass Kunden und Kundinnen Boxen schon eine oder zwei Wochen im Voraus reservieren.
Der Kundenandrang ist aber auch in jenen Geschäften groß, in denen man es mit der originalen Herkunft der kleinen Monster nicht ganz so ernst nimmt. In einer belebten Wiener Einkaufsstraße gibt es in unmittelbarer Nähe voneinander gleich drei Geschäfte, die Labubus verkaufen. Anders als Frau Qian sind die Ladenbesitzer hier eher zurückhaltend, was die Authentizität ihrer Ware angeht. Während manche offen zugeben, dass es sich um Fälschungen handelt, erklären andere, sie wüssten es nicht so genau, aber jedenfalls gäbe es „praktisch keinen Unterschied zu den echten“. Ganz sicher ist, dass sie auch gefälschte Ware zum gleichen Preis verkaufen wie das Original: um 40 Euro.
Wer selbst überprüfen will, ob es sich um eine von Pop Mart hergestellte Figur handelt, sollte sich die Aufschriften auf der Box genauer anschauen. Steht da das Kleingedruckte in mehreren Sprachen und wird als Herstellort die chinesische Provinz Guangdong angegeben, dann handelt es sich vermutlich um ein Original. Bei den meisten Imitaten existiert der Beipacktext nur auf Chinesisch, und die Verpackung wirkt insgesamt wenig hochwertig.
„Sie hat zu Hause bestimmt 200 oder 300 Stück, sie sammelt sie nämlich. Dabei ist mir weniger wichtig, wie viel sie kosten. Wichtig ist, dass die Kleine eine Freude hat.“
Eine Mutter
zur Labubu-Sammelsucht in der Familie
Eine Kundin im „Shanghai-Shop“ erzählt: „Ich habe am Wörthersee für meine Nichte, wie sich dann herausstellte, ein Lafufu für 30 Euro gekauft, obwohl ich ihr ein Original versprochen hatte. Jetzt bin ich froh, hier eins gefunden zu haben.“ Andere verfallen in einen regelrechten Sammelwahn. Eine Kundin, die mit ihrer sechsjährigen Tochter hier ist, kauft nach eigenen Angaben drei bis vier Plüschmonster – täglich. „Sie hat zu Hause bestimmt 200 oder 300 Stück, sie sammelt sie nämlich. Dabei ist mir weniger wichtig, wie viel sie kosten. Wichtig ist, dass die Kleine eine Freude hat“, erklärt die Mutter nach dem Einkauf im Laden.
Labubu-Sammler wollen sich von der Masse abheben, aber trotzdem Teil einer Community sein. Mit einem Labubu zeigt man, dass man popkulturell auf Zack ist, weil man etwas mit dem Konzept von „cute-ugly“ (niedlich-hässlich) anfangen kann. Zumindest erzählen einem das eine ganze Menge spezialisierter Labubu-TikToker. Und so ein Anhänger an der Tasche ist auch ein Statement: Ich habe es geschafft, mir diese Puppe zu kaufen, obwohl sie so schwer zu bekommen und eigentlich auch absurd teuer ist. Es ist der kleine Luxus, den man sich gönnt. In Krisenzeiten zeigt sich dieses Phänomen oft. Menschen kaufen sich kleine Luxusgüter, um sich besser zu fühlen. Ökonomen nennen das den „Lipstick-Effekt“.
Besonders bei Touristen aus dem Osten zeigt sich dieser, denn trotz Sanktionen kommen nach wie vor viele Russinnen und Russen nach Wien und kaufen hier – unter anderem – Labubus. Das beobachtet seit geraumer Zeit auch Frau Qian aus dem „Shanghai-Shop“. Der Grund liegt darin, dass sie in Russland schwer erhältlich sind, aber auch dort der Labubu-Hype explodiert. Mit einem Marktwert von 41 Milliarden Euro wird das chinesische Pop Mart derzeit übrigens höher bewertet als der russische Gasriese Gazprom, dessen Marktwert aktuell 38 Milliarden Euro beträgt.
In Frau Qians Shop ist immer noch viel los, die Kundschaft schleicht zielgerichtet durch den engen Laden in Richtung der kleinen Plüschtier-Boxen. Eine Kundin kann ihr Glück kaum fassen: „Ich habe eine Woche vorher reserviert, weil sie sonst wieder ausverkauft sind.“