Weizen wird bewässert

Landwirtschaft: Der Klimawandel heizt den Feldern ein

Die Landwirtschaft lechzt nach Regen, doch der wird im Klimawandel immer seltener. Wie reagieren die Bauern darauf - und werden sie demnächst Oliven und Artischocken ernten?

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"Momentan ist es extrem", sagt Lorenz Mayr, und man merkt ihm an, dass er sich Sorgen macht. Der Bauer aus Großmugl im Weinviertel spricht von der Trockenheit, die das Land dieses Frühjahr plagt. Seit Jahresbeginn, so erzählt er, bekamen seine Felder lediglich 62 Liter Niederschlag pro Quadratmeter-was nicht einmal der Hälfte des langjährigen Durchschnitts entspricht. "Das tut schon richtig weh", klagt Mayr. Der Landwirt bangt aktuell um seinen Weizen. Wenn in den nächsten ein, zwei Wochen nicht ausreichend Regen kommt, stellt die Pflanze auf Notbetrieb um-und dann war es das mit einer erfolgreichen Ernte. Auch Kukuruz, Zuckerrüben und Erdäpfel dürsten nach Wasser. "Die haben nach der Aussaat zwar genug Niederschlag abbekommen, um austreiben zu können, aber jetzt brauchen sie Nachschub, sonst wird es eng." Die Landwirtschaft lechzt nach Regen. Kein Wunder, erleben wir doch heuer erneut einen viel zu trockenen Frühling. Seit den 2000er-Jahren zeigen die Monate März und April einen Trend zu immer weniger Niederschlag. Das liegt unter anderem auch daran, dass sich die subtropische Klimazone-die bisher um den Mittelmeerraum und Nordafrika verortet wurde-immer weiter nach Norden ausdehnt. Inzwischen hat sie im Sommer auch Österreich und sogar Schweden erreicht, wie ein österreichisches Forscherteam von der Technischen Universität Wien und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in einer international viel beachteten Studie dargelegt hat.

"Speziell im Frühjahr und im Sommer gibt es zunehmend längere Episoden, in denen es sehr trocken wird. Diese gab es früher nur alle zehn bis 20 Jahre, mittlerweile sieht man sie nahezu jährlich. Das führt zu großem Stress für die Vegetation und ist auch für die Wasser-und Energieversorgung in der Zukunft problematisch", sagt Studienautor und ZAMG-Meteorologe Gerhard Wotawa, der auch Gast in der aktuellen Folge von Tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise, ist.

Doch welche Auswirkungen haben die zunehmenden Trockenphasen auf die Landwirtschaft? Wie reagieren die heimischen Bauern auf diese Herausforderungen? Und werden in Österreich bald Oliven und Artischocken geerntet?

Tatsächlich arbeitet die Forschung bereits seit Jahren an Getreidesorten, die mehr Trockenheit vertragen sollen. Nur: Die Erfolge sind bislang überschaubar. Speziell gezüchteter Weizen zum Beispiel hat weniger Poren in den Blättern, um die Verdunstung von Wasser zu vermindern. Dadurch kann er aber weniger CO2 aus der Luft aufnehmen, was die Photosynthese verringert und schließlich die Ernte schmälert. Zudem schneiden diese Pflanzen in regenreichen Jahren, die es durchaus weiterhin geben wird, beim Ertrag schlechter ab. Anstelle neuer Züchtungen rät Hans-Peter Kaul zum Artentausch. "Soja, Mais und Hirse kommen mit Trockenstress gut zurecht",sagt der Leiter des Instituts für Pflanzenbau an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien.

Hirsebrot statt Weizensemmel? Dass die Österreicherinnen und Österreicher sich damit abfinden, ist eher unwahrscheinlich. Der Weizen als heute wichtigste heimische Ackerfrucht wird auch durch den Klimawandel nicht verschwinden. Statt Sommerweizen wird mittlerweile zunehmend Winterweizen angebaut, der bereits im Herbst gesät wird. "Im Frühjahr hat sich dann bereits ein gutes Wurzelwerk gebildet, das mit trockenen Phasen besser zurechtkommt", sagt Landwirt Mayr.

Doch die Alternativen werden in den nächsten Jahren immer stärker mitmischen. Und dass die Vorschläge der Wissenschaft längst in der heimischen Landwirtschaft angekommen sind, zeigt etwa das Beispiel Soja recht eindrücklich. Die Hülsenfrucht wurde hierzulande 1990 erstmals in nennenswerten Mengen angebaut. Seither hat sich die Produktion mehr als verdreizehnfacht-auf 235.000 Tonnen im Jahr 2021.

Ähnlich wie beim Ackerbau sind auch beim Gemüse keine neuen, klimafitten Züchtungen in Sicht.

Anna Keutgen, Leiterin des Instituts für Gemüsebau an der BOKU, hat schon mit vielen Pflanzen experimentiert. Das Problem: Trockenresistenz geht in der Regel auf Kosten der Qualität. "Das Gemüse wird faseriger, bitter oder weniger knackig", sagt Keutgen. Kurzum: Es ist nicht wirklich vermarktungsfähig. Vielen Gemüsepflanzen machen die neuen klimatischen Bedingungen sehr zu schaffen. Unter der Trockenheit leiden vor allem Kartoffeln und Spargel, Blattgemüse wie Spinat oder Salat bekommen Sonnenbrand, und Tomaten tun sich ab Temperaturen von 30 Grad Celsius schwer mit dem Rotwerden. Die Folge: Mittlerweile brauchen viele Glashäuser in Österreich Kühlungssysteme.

Wie werden unsere Gemüsefelder in zehn, 20 Jahren aussehen? Man wird noch viel mehr bewässern als bisher - und auf mediterrane sowie tropische Arten ausweichen müssen. "Es werden zunehmend Okra, Süßkartoffeln, Amaranth, Gemüse-Portulak und neuseeländischer Spinat zu finden sein", sagt Agrarwissenschafterin Keutgen. Auch ihre Versuchsreihen mit Artischocken in Wien verliefen vielversprechend. Die frostempfindlichen Gewächse passten sich schnell an die kälteren Temperaturen an, die Ernte war in Geschmack und Menge von Artischocken aus Frankreich oder Italien nicht zu unterscheiden.

Die heimischen Winzer wiederum ziehen teils schon die Konsequenzen: "Müller-Thurgau und Frühroten Veltliner haben wir gerodet und durch andere Sorten ersetzt. Die standen zwar in unseren kühlsten Lagen, aber selbst dort ist es für diese zu warm",berichteten Vincent und Willi Bründlmayer profil schon vor fünf Jahren. Sie ersetzten ihre alten Rebstöcke an den Hängen des Heiligensteins mit den spätreifen Sorten Merlot und Cabernet Franc. Der Rotweinanteil der Langenloiser Winzer war damals mit mehr als 25 Prozent für die Region untypisch hoch.

Sie standen am Anfang eines Trends zu roten Rebsorten in Österreichs Weingärten. Diesen beobachtet auch Astrid Forneck. "Zweigelt, Blaufränkisch, Merlot und Syrah sind besser an höhere Temperaturen angepasst", sagt die Leiterin des Instituts für Wein-und Obstbau an der BOKU. Aber wo bleiben dann Grüner Veltliner und Riesling? Österreichs beliebteste Weißweinsorten werden auch in den nächsten Jahrzehnten nicht aussterben, beruhigt Forneck. Doch ihr charakteristischer Geschmack wird sich durch die höheren Temperaturen im Land wohl verändern. Zudem wird ihr Erhalt die Winzer künftig einiges kosten: Sie müssen mehr bewässern, kühlere Standorte suchen, die Weinstöcke "erziehen",etwa indem sie das Blattwerk so leiten, dass es die Trauben vor der Sonne schützt.

Der Klimawandel bringt für den Wein jedoch auch Vorteile. Er dringt in Regionen vor, die bislang nicht für edle Tropfen bekannt waren. Chardonnay aus dem Innviertel, Sauvignon Blanc aus dem Lavanttal, Blauer Burgunder aus Silz in Tirol: 215 Hektar Anbaufläche zählt die Weinbauregion Bergland, die Winzer in Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg einschließt. Tendenz steigend. "Vor 30 Jahren wäre das undenkbar gewesen", sagt Expertin Forneck.

Die Obstbäuerinnen und-bauern indes zitterten heuer, wie mittlerweile fast jedes Jahr, um ihre Ernte. "Wir sind mit einem hellblauen Auge davongekommen",resümierte Franz Reisinger, Obmann des Vereins Wachauer Marille, die Frostnächte im vergangenen April. Ob der tagsüber hohen Temperaturen blühen die Bäume immer früher und sind damit anfälliger für den Spätfrost. Mit Öfen und Paraffinkerzen heizen die Marillenbauern ihren Bäumen in klirrenden Nächten ein, um die zarten Blüten zu retten.
 

Doch nicht nur die verwöhnte Marille, sondern auch der robustere Apfel leidet unter dem Klimawandel. Wassermangel, Pilze, Schädlinge, Frost, Hagel und Sonnenbrand setzen Österreichs beliebtester Frucht zu. Ihr Anbau wird in Zukunft aufwendiger. Der Klimawandel mischt die Karten neu-und wie immer finden sich dadurch neue Gewinner: Walnussbäume etwa liefern seit einigen Jahren bessere Qualität denn je, und auch die Edelkastanie profitiert von den höheren Temperaturen.

Am Neusiedlersee experimentieren Sabine Haider und Franz Günther indes mit Oliven. Die 550 Bäume, die sie seit 2017 gepflanzt haben, haben die milden Winter in Mörbisch bislang gut überstanden. Auch ernten konnten die beiden bereits, wie sie auf ihrer Website berichten. 2025 wollen sie ausreichend Früchte beisammenhaben, um ihr erstes Öl zu pressen.

Neben den Oliven schätzen allerdings auch Schädlinge die zunehmende Wärme. In den vergangenen Jahren hat der Drahtwurm den Erdäpfelbauern nicht nur ein Mal gehörig die Ernte vermiest, während enorme Zuckerrübenflächen dem Rüsselkäfer zum Opfer fielen. "Heuer musste ich bereits von 17 Hektar Raps vier Hektar umreißen, weil Schädlinge alles abgefressen haben", erzählt Mayr. Der Bauer hatte Glück im Unglück: Es war noch früh genug im Jahr, um andere Kulturen anzubauen. "Wenn das im Juni passiert, geht das nicht mehr",so Mayr.

Was vor wenigen Jahren noch unvorstellbar war, ist heute Realität. Wer im Frühsommer 2022 durch das Marchfeld fährt, sieht Wasserfontänen, so weit das Auge reicht. Sie tränken nicht nur, wie früher üblich, Salat und anderes Feldgemüse-sondern Weizen-und Sojasprösslinge. Diese zu bewässern war bis vor Kurzem noch viel zu teuer. Nun ist es in manchen Regionen unerlässlich, um den Ertrag zu sichern.

"Ich versuche jeden Tropfen Regen am Feld zu halten",sagt Mayr. Er arbeitet mit Direktsaat mit möglichst geringer Bodenbearbeitung. Nach den Ernten werden seine Flächen wieder begrünt. "Die Blätter wirken wie ein Sonnenschirm, bieten Verdunstungsschutz und bremsen Starkregen ab, der sonst den fruchtbaren Oberboden wegschwemmt", erklärt der Bauer, der auch als Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich fungiert. Er erwartet, dass in nicht allzu ferner Zukunft wohl auch Speicherteiche angelegt werden müssen, um die ostösterreichische Ackerbauregion erhalten zu können. "Da geht es schließlich um die Ernährungssicherheit im Land."

Und was rät der Experte? Vor allem die Bauern im Osten des Landes sollten vermehrt auf robustere Arten wie Hirse und Soja setzen, empfiehlt Hans-Peter Kaul von der BOKU. Wasserschonende Bodenbearbeitung, Umstellung auf die Aussaat im Herbst-und nicht zuletzt eine gute Versicherung. Neben der Hagel-gibt es neuerdings eine Dürreversicherung. Kaul: "Darauf sollte man in diesen Zeiten nicht verzichten."

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.