Holpriger Start
Im Jänner 2025 präsentierte Florian Novak die Journalistin Elisalex Henckel-Donnersmarck als Chefredakteurin. Sie hatte bis dahin die Redaktion des Monatsmagazins „Datum“ geführt. Henckel-Donnersmarck war wochenlang Gesicht und Stimme der Mitgliederwerbekampagne. Sie gab Interviews, schenkte Kaffee beim Journalismusfest in Innsbruck aus, besuchte „Jetzt“-Mitglieder, um mit ihnen über die Erwartungen an das journalistische Start-up zu sprechen. Der Aufwand, mit dem „Jetzt“ um Unterstützer warb, war für österreichische Verhältnisse außergewöhnlich. Prominente von TV-Moderatorin Arabella Kiesbauer bis Staatssekretär Sepp Schellhorn schickten Videobotschaften. Mehr als 66.000 Euro flossen in Werbung bei Facebook und Instagram.
Im ersten Anlauf verfehlte die Crowdfunding-Kampagne das Ziel von 5000 Mitgliedern klar: Bis zum Stichtag am 12. Juni waren es 3100. Und das, obwohl sogar der internationale Staraufdecker Christo Grozev als Mitglied der Redaktion präsentiert wurde. „Ich kenne das Projekt, seit die Idee dafür geboren wurde, und habe es von Anfang an unterstützt“, so Grozev im Newsletter von „Jetzt“. Erst nach einer Nachfrist bis zum 6. Juli konnte die 5000er-Marke geknackt werden (derzeit rund 5670). Die Macher von „Jetzt“ verlangen einen großen Vertrauensvorschuss: 179 Euro für ein Jahr Mitgliedschaft.
Prominente Abgänge
Am 21. Juli gab Elisalex Henckel-Donnersmarck ihren Rückzug als Chefredakteurin bekannt. Die Kommunikation rund um ihre Demission ist nicht gerade ein Musterbeispiel für die von „Jetzt“ ständig propagierte Transparenz oder den Dialog auf Augenhöhe. Der Tag, an dem Florian Novak die Trennung „im gegenseitigen Einvernehmen“ bekannt gab, war zufälligerweise der letzte Tag der Rücktrittsfrist für die Mitglieder. „Uns haben am Tag nach Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist 26 E-Mails dazu erreicht mit dem Wunsch der Beendigung. Selbstverständlich haben wir diesen Wunsch entgegenkommend behandelt und die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung angeboten“, sagt Novak.
Seit wann er selbst von dem prominenten Abgang wusste, beantwortet Novak vage: „Die Beendigung wurde am Freitag, 18. Juli, am Nachmittag vereinbart. Es war das Ergebnis eines beiderseitigen Bemühens um Klarheit, für das wir uns im Vorfeld Zeit genommen haben.“ profil hat Elisalex Henckel-Donnersmarck nach einem Hinweis schon am 15. Juli gefragt, ob sie noch „Jetzt“-Chefredakteurin sei – eine Woche, bevor „Jetzt“ seine Mitglieder informierte. Ihre Antwort damals: „Darüber kann ich nicht reden.“ Florian Novak und Elisalex Henckel-Donnersmarck haben vereinbart, zu den Gründen der Trennung ausschließlich diese nichtssagende Formulierung zu verwenden: „Unsere Entscheidung basiert auf unterschiedlichen Einschätzungen über die für den weiteren Aufbau von ‚Jetzt‘ notwendigen Rahmenbedingungen.“
Ende Juli hat auch der frühere profil-Chefredakteur Christian Seiler seine Tätigkeit als „redaktioneller Berater“ bei „Jetzt“ beendet. Novak muss bis Herbst (einen konkreten Termin für den Start gibt es nicht) selbst eine Redaktion zusammenstellen.
Umtriebiger Unternehmer
Florian Novak hat sich als Gründer von Privatradios einen Namen gemacht. Journalismus stand dabei nicht im Vordergrund. Das „Entspannungsradio“ Lounge FM bezieht die Nachrichten von der Tageszeitung „Der Standard“. Die Inhalte auf der Website lounge.fm („14 Wege, um mehr Zeit zu haben“, „Brüste zu kneten kann Brustkrebs stoppen“, „Mit Mantras durchs Leben“) kommen ohne Autorennennung aus und sind größtenteils von Gesundheits- und Ratgeberseiten übernommen oder Nacherzählungen von Instagram-Stories. Auch Novaks Digitalsender Inforadio setzt auf Fremdmaterial und bringt 24 Stunden am Tag Meldungen der Austria Presse Agentur.
Für seine Medien-Unternehmungen hat Novak über den Digitalisierungsfonds, den Privatrundfunkfonds und den Fonds für digitale Transformation in den letzten Jahren insgesamt mehr als 1,6 Millionen Euro an Förderungen erhalten. Für „Jetzt“ hat er außerdem bereits die Zusage von 98.666 Euro Start-up-Förderung aus der Wiener Medieninitiative. Elisalex Henckel-Donnersmarck ist nicht die erste Frau in Führungsposition, die „Jetzt“ vorzeitig verlassen hat. Auf dem Antrag auf Förderung aus der Wiener Medieninitiative ist die ehemalige „Wiener Zeitung“-Chefredakteurin Judith Belfkih als „Jetzt“-Projektverantwortliche eingetragen. Sie bestätigt auf profil-Anfrage, in der Konzeptionsphase im Jahr 2024 bei „Jetzt“ mitgewirkt zu haben. Belfkih habe sich sogar für die Chefredaktion beworben, ihre Bewerbung dann doch zurückgezogen. Über die Gründe will sie öffentlich nicht sprechen.
Weil beim Förderantrag eine Frau als Projektleiterin eingetragen war, hat „Jetzt“ auch einen „Frauenbonus“ von 5000 Euro beantragt. Bloß sind dem Projekt inzwischen die Frauen abhandengekommen.
Mitarbeit: Veljko Paunović