Kleingeld macht Mist

„Oligarchin von Kitzbühel“ Elena Baturina hat einen Konkurs am Hals

Affäre. „Oligarchin von Kitzbühel“ Elena Baturina hat einen Konkurs am Hals

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Es soll ja Leute geben, die sechsstellige Summen als quantité négligeable begreifen. Kleingeld halt. Elena Baturina gehört ohne Zweifel dazu.
Die 50-jährige Russin mit gelebter Affinität zu Österreich im Allgemeinen und Kitzbühel im Besonderen soll über ein Vermögen jenseits einer Milliarde Euro disponieren, womit sie sich zumindest der schlimmsten Existenzängste entledigt haben dürfte. Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet Baturina, Ehefrau des ehemaligen Moskauer Oberbürgermeisters Juri Luschkow, jetzt in einen vergleichsweise bescheidenen Konkurs verwickelt ist.

Donnerstag vergangener Woche stellte die unter der Firmenbuchnummer 377408m registrierte Martinez Hotels GmbH – sie steht über eine Schweizer Holding de facto im Alleineigentum Baturinas – beim Handelsgericht Wien einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenz-verfahrens. Die erst am 10. April 2012 gegründete Gesellschaft sitzt auf offenen Verbindlichkeiten gegenüber Mitarbeitern, Lieferanten und einer Bank in der Höhe von rund 700.000 Euro, die sie nicht mehr bedienen kann oder will.

In dem profil vorliegenden Insolvenzantrag, formuliert von der Kanzlei des Wiener Rechtsanwalts Karl F. Engelhart (unter anderem auch Masseverwalter der 2013 kollabierten Alpine Bau Holding), wird der Konkurs mit „mangelnder Liquidität“ begründet.

Eine Milliardärin mit Liquiditätsproblemen?

Die im Baugewerbe groß gewordene Unternehmerin hat in den vergangenen Jahren eine kleine, aber umso feinere internationale Hotelkette begründet: Das „New Peterhof“ im russischen St. Petersburg, das „Quisisana Palace“ im tschechischen Karlsbad, das „Morrison“ im irischen Dublin sowie die Kitzbüheler Edelherberge mit angeschlossenem Golfplatz „Grand Tirolia“.

Um das Management der vier Hotels zu professionalisieren, ließ Baturina 2012 die nunmehr insolvente Martinez Hotels GmbH gründen, wo sie eine Dreiergeschäftsführung um den Unternehmensberater Michael Regner installierte. Diese sollte Aufgaben wie Budget- und Strategieplanung, Internet-Auftritte, IT-Lösungen, Marketing, Versicherungen (nicht aber den eigentlichen Hotelbetrieb) zentral erledigen. Im Gegenzug sollten die Hotels Gebühren an die Managementgesellschaft abführen. So viel zur Theorie. In der Praxis zahlten die Hotels – die mit Ausnahme des irischen „Morrison“ nicht rasend profitabel sind, das „Grand Tirolia“ steckt gar tief in den roten Zahlen – selten bis nie. Laut Insolvenzantrag waren bis zuletzt Außenstände von immerhin zwei Millionen Euro aufgelaufen. Abstrus: Da sowohl die Hotels als auch die Managementgesellschaft Baturinas wirtschaftliches Eigentum sind, schuldete sich die Geschäftsfrau das Geld in letzter Konsequenz selbst. Noch abstruser: Vor wenigen Tagen ließ Baturina die Managementverträge mit der Martinez Hotels GmbH – also mit sich selbst – kündigen.

Da die Managementgesellschaft ihrerseits offene Verbindlichkeiten gegenüber Dritten hatte, blieb der Martinez-Geschäftsführung um Michael Regner letztlich nichts anderes übrig, als den Gang zum Handelsgericht anzutreten. Oder wie es im Insolvenzantrag heißt: „Die Weigerung, die aus Sicht der Antragstellerin völlig zu Recht bestehenden und längst fälligen Forderungen zu bezahlen, führt letztlich zwangsläufig zu einer Zahlungsunfähigkeit im Vermögen der Antragstellerin.“
Die Vorgänge in und um die Martinez Hotels GmbH sind mittlerweile Gegenstand heftiger Kontroversen zwischen Baturina und Regner. Die Unternehmerin wirft dem Manager in Presseaussendungen vor, die Rentabilitätsziele klar verfehlt zu haben. Regner widerspricht vehement: „Das ist schlicht und einfach unwahr. Wir haben 2012 einen Businessplan aufgesetzt, der für die ersten Jahre Anfangsverluste vorsah. Die tatsächlichen Verluste lagen 2013 bereits um 700.000 Euro unter Plan.“ Aus Baturinas Umfeld ist zu vernehmen, dass Regner daneben auch Leistungen unsauber, weil zu seinen eigenen Gunsten, abgerechnet haben soll. „Die ersten Ergebnisse der Untersuchung, welche die Einrichtungen von Elena Baturina hinsichtlich der Aktivitäten von Michael Regner betreffen, sind für uns höchst besorgniserregend“, ließ die Unternehmerin Freitag vergangener Woche mitteilen. Und weiter: „Die Geschäftsgebarung lässt weiterhin viele Fragen offen.“ Auch das lässt Regner nicht unwidersprochen: „Hier wird versucht, mich zu diffamieren, das sind reine Fantasiebehauptungen. Die Abrechnungen waren stets transparent, korrekt und halten jedem Fremdvergleich stand.“ Beide Seiten behalten sich rechtliche Schritte vor.

Nur in einem Punkt scheinen die Lager d’accord. Baturinas Managern ist es nie gelungen, das Geschäftsmodell – wie eigentlich vorgesehen – zu erweitern. Nach den ursprünglichen Planungen sollten Regner und Kollegen für Baturina neue Hotelprojekte auf dem Balkan entwickeln und daneben auch Managementverträge mit anderen Hotelbetreibern anlanden. Sehr viel mehr als ein noch immer nicht realisierter Hotelbau in Montenegro schaute aber nicht heraus. „Das lag außerhalb unseres Einflussbereichs“, sagt Michael Regner. So sei es mit dem Namen Baturina im Hintergrund „schwierig bis unmöglich“ gewesen, bei Banken in Europa Geschäftskonten, Kredit- oder Leasingfinanzierungen zu bekommen. Von Verträgen mit großen Ketten wie Starwood Hotels & Resorts ganz zu schweigen. „Wir hatten mit potenziellen Geschäftspartnern stets ein gewisses Compliance-Thema.“

All das beantwortet nicht die Frage, warum Baturina lieber ihre eigene Managementgesellschaft in den Konkurs jagt, statt sich einfach der in Ungnade gefallenen Geschäftsführung zu entledigen. Umso mehr, als sie selbst ja die Hauptgeschädigte dieser Insolvenz ist. Die Martinez Hotels GmbH führt neben der von Baturina einbezahlten Stammeinlage von 100.000 Euro auch ein von ihr gewährtes nachrangiges Darlehen in der Höhe von 2,2 Millionen Euro in den Büchern – das nunmehr wohl weitestgehend perdu ist. Es sei denn, ihre Hotels bezahlten die offenen Rechnungen über zwei Millionen Euro. Aber das wäre dann wiederum ihr Geld.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.