Perg ist eine Autofahrerstadt. Der Ort ist ein historischer Verkehrsknotenpunkt, in der Stadtmitte treffen sich mehrere überregionale Straßenverbindungen. Der Hauptplatz mit Rathaus und Pfarrkirche ist eigentlich kein Platz, sondern eine Mischung aus ungeregelter Kreuzung und Parkplatz.
Ein verkehrsberuhigtes Zentrum wird es hier so schnell nicht geben, es funktioniert auch so: Apotheke, Bäckerei, Buchhandlung, Fleischerei, alles da. „Schauen Sie, wir haben null Leerstand“, sagt Froschauer triumphierend, während er den Wagen durch die Einkaufsstraße in der Ortsmitte lenkt. Beim Optiker hier kauft sogar ein berühmter Fernsehmoderator aus Wien seine Brillen.
Froschauer will eigentlich etwas anderes zeigen. Im Gegensatz zu anderen Bürgermeistern kann er es sich noch leisten, zu investieren. Gleich ums Eck hat die Gemeinde eine leer stehende frühere Billa-Filiale übernommen und in ein modernes Verwaltungsgebäude umgewandelt. Ende Juni hat das Bauamt der Stadt hier den Betrieb aufgenommen. „Die Bauabteilung kann autark arbeiten, muss nicht unbedingt im Rathaus sein“, sagt Froschauer. Dort habe ohnehin seit Jahren Platzmangel geherrscht. Im großzügigen Meetingraum des Bauamts finden jetzt nicht nur Baubesprechungen statt, sondern auch Gemeinderatssitzungen. Schräg gegenüber vom Bauamt hat gerade ein weiteres Prestigeprojekt des Ortes eröffnet: ein Primärversorgungszentrum mit drei neuen Kassenärzten, Physiotherapeuten und einem OP-Saal für kleinere chirurgische Eingriffe.
Migrationshintergrund
Perg ist seit dem Zweiten Weltkrieg ununterbrochen gewachsen. Im Vergleich zu Froschauers Geburtsjahr 1963 hat sich die Einwohnerzahl der Gemeinde verdoppelt: Heute leben hier rund 9500 Menschen. Zuerst sind Wochenpendler aus dem nördlichen Mühlviertel hergezogen, die in Linz bei der Voest oder der Chemie Linz gearbeitet haben. Die Landeshauptstadt ist mit Bus, Bahn und Pkw gut erreichbar. Auch Froschauer stammt eigentlich aus dem zehn Kilometer entfernten Baumgartenberg.
1959 sind die ersten beiden Gastarbeiter aus der Türkei gekommen. Zuletzt hat Werner Kreisl, der Bezirkshauptmann von Perg, die Pflegemisere in Eigenregie gelöst. Mit Pouvoir des Landes hat er 2019 damit begonnen, Pflegekräfte auf den Philippinen anzuwerben. Inzwischen arbeiten 39 philippinische Pflegerinnen und Pfleger in den sechs Altenheimen des Bezirks, acht weitere kommen heuer.
Seit 2007 ist Anton Froschauer Pergs Bürgermeister und managt das Wachstum. Heuer investiert die Gemeinde mehr als fünf Millionen Euro in die Sanierung und den Ausbau der Volksschule. Insgesamt gibt es vier Kindergärten und neun Schulen im Ort. Eine Sonderdividende des E-Werks von einer Million Euro soll trotzdem für ein ausgeglichenes Haushaltsjahr sorgen. Der Budgetvorschlag ist im vergangenen Dezember im Gemeinderat einstimmig angenommen worden. „Die Zusammenarbeit funktioniert bei uns insgesamt sehr gut“, sagt der SPÖ-Fraktionsvorsitzende Michael Harrucksteiner.
Ein Grund, warum es in Perg besser läuft als anderswo: Mit dem Baukonzern Habau hat ein Unternehmen in Perg seinen Sitz, das rund zwei Milliarden Euro im Jahr umsetzt und fast 7000 Mitarbeiter beschäftigt. Auch im Nachbarort Schwertberg gibt es mit dem Maschinenbauer Engel Austria einen Arbeitgeber in ähnlicher Größenordnung. 25 der 26 Gemeinden im Bezirk Perg haben sich an einem Wirtschaftspark mit Standorten in Arbing und Perg beteiligt. Das verhindert, dass in jedem Ort Flächen für Betriebsstätten erschlossen werden und sich Nachbargemeinden beim Werben um Unternehmensansiedlungen gegenseitig unterbieten. Die Kommunalsteuern werden aufgeteilt.
„Die Finanzsituation ist trotzdem auch bei uns angespannt, aber wir haben hier schon vor einigen Jahren klar definiert, in welchen Gebieten wir sparen wollen und welche für uns unantastbar sind“, sagt Froschauer. Neben den Bereichen Bildung, Soziales und Gesundheit sind Kürzungen bei den Vereinsförderungen tabu.
Die Perger sind Vereinsmeier: Über 100 Vereine sind hier registriert. Von den großen Sportvereinen Askö und Sport Union über den Rallye Club bis hin zum Alevitischen Kulturverein, dessen Sommerfest längst ein Fixpunkt im Eventkalender von Perg geworden ist. Dass Perg neben dem Gemeinde-Freibad auch noch ein öffentlich zugängliches Flussbad an der Naarn erhält, liegt am ehrenamtlichen Engagement. Das Bad wurde vor 15 Jahren saniert und wird seitdem von Beachvolleyballern, Kneipp-Club und Verschönerungsverein gepflegt. „Sie werden dort nicht einen Filzstiftstrich an der Wand finden“, sagt Bürgermeister Froschauer.
7000 Stunden für ein Musikheim
In Pergkirchen sowieso nicht. Das Dorf, das zur Gemeinde Perg gehört, eröffnet am 14. September das neue Musikheim und den sanierten Pfarrhof. Etwas mehr als 1,7 Millionen Euro hat das Projekt gekostet, es hätte deutlich mehr sein können. „Freiwillige haben beim Bau insgesamt 7000 Arbeitsstunden geleistet, die sonst bezahlt hätten werden müssen“, erzählt Anton Wahlmüller. Er ist Vorsitzender des Sport- und Kulturausschusses im Gemeinderat von Perg und selbst seit Ewigkeiten im Musikverein Pergkirchen aktiv. Wahlmüller hat für den Stahlhersteller Böhler Uddeholm früher EDV-Projekte auf der ganzen Welt geleitet. „Ich bin extra aus Amerika zum Vereinskonzert zurückgeflogen. Das Ticket hat damals 30.000 Schilling gekostet“, erzählt er.
Es ist ein Phänomen, das sich in der gesamten Region beobachten lässt. Im unteren Mühlviertel geht das gemeinschaftliche Engagement weit über Fußballverein, Freiwillige Feuerwehr und die Blasmusik hinaus.
„Es gibt hier eine sehr aktive Erinnerungskultur rund um die KZ-Gedenkstätten Mauthausen und Gusen, aber auch lokale Jazzfestivals, Kleinkunstbühnen und Sommertheater. Beinahe jeder Ort hier hat ein lebendiges Vereinswesen“, sagt der SPÖ-Landtagsabgeordnete Erich Wahl, selbst mehrfacher Vereinsfunktionär. Der Rot-Kreuz-Stützpunkt in seinem Heimatort St. Georgen an der Gusen habe allein 350 Ehrenamtliche, erzählt er, und das in einer Gemeinde mit nicht einmal 4500 Einwohnern. Sein nächstes Telefonat gilt einem Fleischer, Wahl erkundigt sich nach dem Leberkäs-Preis.
Irgendwo wird hier immer gerade ein Fest geplant.