Österreich, deine Produkte | Teil 24

Rebel-Meat-Chefin: „Kräuter gehen bei Kindern gar nicht“

Reden wir über Hühner-Nuggets: Cornelia Habacher von Rebel Meat, Hersteller von Bio-Tiefkühlprodukten für Kinder, über rares heimisches Bio-Gemüse, die Schwierigkeit, Grünzeug im Essen zu verstecken, und immer härter werdende Preisverhandlungen mit dem Handel.

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Frau Habacher, wann haben Sie das letzte Mal ein richtiges Stück Fleisch gegessen? Also ein schönes Stück Steak oder ein Schnitzel?
Cornelia Habacher
Das ist schon relativ lange her. Ich bin auf sehr vielen Networking Events, und da kann man sich nur manchmal aussuchen, was es zu essen gibt. Wahrscheinlich war es bei so einer Gelegenheit.
Aber strikt vegetarisch leben Sie nicht?
Cornelia Habacher
Nein, aber ich versuche recht aktiv, mich immer für die vegetarische Option zu entscheiden. Egal ob beim Essengehen oder beim Kochen zu Hause.
Vor gut einem Jahr haben Sie eine Produktumstellung gemacht: von Burger Patties, die nur zur Hälfte aus Fleisch bestanden, hin zu Tiefkühlprodukten für Kinder. Wie kam es dazu?
Cornelia Habacher
Unsere ursprüngliche Idee war, Menschen eine Möglichkeit zu bieten, weniger, aber dafür besseres Fleisch zu essen. Wir hatten eine recht große Bandbreite: Rinderfaschiertes, gemischt mit Gemüse, Bratwürste, Käsekrainer und Hühner-Nuggets für Kinder – alles in Bioqualität. Bei Verkostungen und diversen Food Events haben wir dann gemerkt, dass uns sehr oft Eltern ansprachen, unsere Produkte seien perfekt für Kinder, weil da die Extraportion Gemüse schon drin ist. Und man muss das Kind nicht noch überzeugen, dass es den Karfiol extra isst. So haben wir uns mehr auf die Kinderschiene fokussiert. Auch im Marketing ist die Message „Mehr Gemüse“ leichter verständlich als „Weniger Fleisch“. Denn zu Beginn kam oft das Feedback: „Will ich weniger Fleisch essen, kann ich ja gleich vegetarisch essen.“ Oder: „Ich esse lieber hundert Prozent Fleisch.“ Bei diesem Schwarz-Weiß-Denken war es eine Herausforderung, mit unserer Kommunikation durchzudringen.
Für das ursprüngliche Geschäftsmodell mit den Burger Patties haben Sie viele Auszeichnungen bekommen und waren auch in der TV-Show „2 Minuten, 2 Millionen“ eingeladen. Bei den Konsumenten ist es offenbar nicht so gut angekommen.
Cornelia Habacher
Grundsätzlich ist es schon gut angekommen. Burger ist ein Produkt, das in Österreich immer größere Beliebtheit erfährt. Aber möglicherweise ist es ungewohnt, es als Tiefkühlprodukt zu kaufen. In Österreich ist es doch sehr stark an die Saison gebunden und wird oft als Frischeprodukt konsumiert. Ursprünglich haben wir darauf abgezielt, an die Gastronomie zu verkaufen. Doch dann kam Corona, und wir gingen in den Einzelhandel. Dafür war das Produkt aber nicht optimiert. Die Verkaufslandschaft da ist schon sehr unterschiedlich. Das war ein sehr großes Learning, das wir jetzt bei den neuen Produkten einzusetzen versuchen.
Wie gehen Sie da vor?
Cornelia Habacher
Wir haben beispielsweise, als wir die Bio-Hühner-Nuggets entwickelt haben, alles, was es am Markt gab, verkostet. Das waren damals über 30 verschiedene Produkte, die alle in Form, Textur, Größe, Geschmack und Farbe unterschiedlich waren. Da gibt es etwa eine große Farbpalette von sehr hellgelben bis dunkelorangen Nuggets. Das war für uns eine Überraschung, wie divers dieses eine Produkt sein kann. Denn wer geht schon in den Supermarkt und testet sich durch alles durch, wenn man nicht gerade beruflich damit zu tun hat? Darum ist es eine große Herausforderung, den Geschmack von möglichst vielen zu treffen.

Wenn man bei den Preisverhandlungen mit den Supermarktketten nicht auf einen Nenner kommt, ist man gezwungen, schmerzhafte Konsequenzen zu ziehen – oder man spart bei den, ohnehin sehr geringen, Margen ein. Das geht vermutlich derzeit allen Lieferanten so und führt zu einem starken Selektionsdruck, den einige nicht überleben werden.

Cornelia Habacher

Rebel Meat

Sie haben einmal erzählt, dass Sie bei den Burger Patties mehrere Anläufe gebraucht haben, um die richtige Rezeptur und Mischung zu finden. Ist es Ihnen bei den neuen Produkten auch so gegangen?
Cornelia Habacher
Habacher: Ja, das hat eine Zeit lang gedauert, aber wir haben schon sehr viele Vorerfahrungen, welche Gemüse gut passen, sei es geschmacklich oder von der Textur her. Da hatten wir eine sehr lange Liste an Trial and Error. Es ist sehr wichtig, dass das Endprodukt fleischig bleibt. Wenn das Gemüse zu wässrig oder zu sämig ist, harmoniert das nicht. Und manches wird von der Zielgruppe ganz abgelehnt.
Was denn zum Beispiel?
Cornelia Habacher
Eltern haben uns oft gesagt, dass wir bei den Fleischbällchen die Kräuter weglassen sollen. Das grüne Zeug geht bei den Kindern gar nicht. Selbst wenn man die Kräuter ganz fein schneidet, sind sie im Endprodukt wahrnehmbar, weil sie oft einen Grünstich erzeugen.
Welches Gemüse hat letztendlich Verwendung gefunden?
Cornelia Habacher
Hauptsächlich Karfiol und Hirse. Da geht es zum einen um den Geschmack und auch darum, ob die Zutaten in ausreichend großen Mengen und in Bioqualität erhältlich sind. Während wir unser Bio-Fleisch ausschließlich aus Österreich beziehen können, ist das bei gewissen Gemüsesorten eine größere Herausforderung. Deshalb beziehen wir es teilweise aus Frankreich.
Gibt es, bevor ein Produkt auf den Markt kommt, auch groß angelegte Testessen?
Cornelia Habacher
Am Anfang macht man das in einer kleineren Gruppe. Man versucht, im Umfeld Mutige zu finden, die das Produkt testen wollen. Da geht es vor allem darum, Spitzen rauszuschmecken, ob es etwa zu bitter oder zu sämig ist. Hier schauen wir auch schon, wie das Ganze produktionstechnisch ablaufen kann. Wie werden die Zutaten verarbeitet? Wie groß oder klein müssen Gemüse und Fleisch geschnitten werden, damit es sich ordentlich verbindet? Wie lange muss die Masse stehen? Und dann macht man die ersten Testproduktionen mit den Produzenten, wo wir aufgrund der Prozesse je Produkt 30 bis 50 Kilogramm machen. Das eignet sich super für die Verkostungen mit den Kindern.
Aha! Kinderarbeit also?
Cornelia Habacher
Kindermitarbeit! In Wahrheit freuen die sich immer irrsinnig, wenn sie um ihre Meinung gefragt werden und Entscheidungen treffen dürfen. Wir haben spezielle Fragebögen mit einer Smiley-Skala entwickelt, damit Kinder, die noch nicht lesen können, auch mitmachen können. Unsere Zielgruppe sind die circa Drei- bis Zehnjährigen. Und wir bitten auch die Eltern mitzuhelfen, bei denen wir eher die technischen Details abfragen; zum Beispiel, wie sich das Produkt in der Pfanne, im Backrohr oder in der Mikrowelle verhält.

Cornelia Habacher, 35,

gründete Rebel Meat gemeinsam mit Philipp Stangl und Wolfgang Haidinger im Jahr 2019. Das Start-up schafft es mit seinen Bio-Burger- Pattys schnell in die Supermarktregale und wird mit Auszeichnungen überhäuft. Im Frühjahr 2022 erfolgt die Expansion nach Deutschland, im darauffolgenden Herbst der Entschluss, auf Bio-Tiefkühlprodukte für Kinder zu fokussieren. Die Produktpalette umfasst derzeit die von Sonnberg Biofleisch in Oberösterreich hergestellten Rindfleischbällchen sowie Hühnersticks und Chicken Nuggets, die von der Firma Pöttelsdorfer Edelpute im Burgenland produziert werden. Alle Produkte beinhalten 50 Prozent Biogemüse.

Die Supermärkte haben auch begonnen, mit ihren Eigenmarken Hybrid-Faschiertes, also halb Fleisch, halb pflanzliche Zutaten, anzubieten.
Cornelia Habacher
Ja, da gab es dann auch Hybrid-Würstel und Burger.
Hat man Ihnen die Idee geklaut?
Cornelia Habacher
Jemand schlauer hat mal gesagt, kopiert zu werden, ist das größte Kompliment. Und dass sich große Marken von uns inspirieren lassen, die wir ursprünglich nicht aus der Branche stammen, ist schon schmeichelhaft.
Haben Sie nicht Sorge, dass ein größerer Player auch Ihre neuen Produkte kopieren könnte?
Cornelia Habacher
Ja, das könnte passieren. Aber wir haben natürlich unsere geschützten Rezepturen und unsere exklusiven Produktionspartner. Die Marke ist selbstverständlich auch geschützt, und gemeinsam mit den Werten, welche sie transportiert, lässt sich dieses Gesamtpaket nur schwer kopieren.
Preislich werden Sie mit den großen Lebensmittelproduzenten wohl nicht mithalten können.
Cornelia Habacher
Preislich wird das nie gehen, weil wir geringere Mengen produzieren. Aber wir heben uns preislich auch ab, weil wir im Gegensatz zu den meisten anderen am Markt befindlichen Produkten Bioqualität anbieten und außerdem für transparente Herkunft und hochwertige Rohstoffe stehen. Für diesen Mehrwert sind die Konsumenten auch bereit, ein bisschen mehr zu investieren.
Die Statistik zeigt, dass die Konsumenten derzeit aufgrund der Teuerung weniger Bioprodukte kaufen und stattdessen zu günstigeren, konventionell erzeugten Produkten greifen. Merken Sie das auch?
Cornelia Habacher
Eher weniger. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass wir eine sehr spitze Zielgruppe haben, die sehr markentreu ist.
Wie schwer ist es, in den großen Supermarktketten gelistet zu werden?
Cornelia Habacher
Sehr schwer. Es gibt enorm viel Angebot an Neuware und Innovationen, welches an die Supermärkte herangetragen wird. Aber wir hatten anfangs das Glück, bei „2 Minuten, 2 Millionen“ dabei zu sein, so bekamen wir mit unseren Bio-Burgern einen Listungsplatz und sind mit den Einkäufer:innen in Kontakt gekommen. Als wir mit den Kinderprodukten gestartet sind, kannten wir unsere Ansprechpartner also schon. Das erleichtert es vielleicht ein bisschen, dass man seine Produkte vorstellen und verkosten lassen kann. Aber man braucht sich nichts vormachen: Wenn sich das Produkt nicht verkauft, wird es schnell wieder rausgenommen.
Den Handelsketten wird nachgesagt, enormen Druck auf ihre Lieferanten auszuüben. Merken Sie das auch?
Cornelia Habacher
Die großen Ketten geben in der Werbung ihren Kunden das Versprechen, hart mit ihren Lieferanten zu verhandeln. Und das machen sie wirklich. Ich weiß nicht, ob das jemals anders war. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass es in letzter Zeit noch ein bisschen härter geworden ist. Wir müssen die Preissteigerungen unserer Produzenten auch weitergeben. Rohstoffe und Energie wurden teurer. Verpackung – also der Karton – hat extreme Teuerungen hinter sich und vermutlich auch noch vor sich. Wenn man bei den Preisverhandlungen nicht auf einen Nenner kommt, ist man gezwungen, schmerzhafte Konsequenzen zu ziehen – oder man spart bei den, ohnehin sehr geringen, Margen ein. Das geht vermutlich derzeit allen Lieferanten so und führt zu einem starken Selektionsdruck, den einige nicht überleben werden.
Haben Sie das Gefühl, dass von der Gesellschaft übermäßiger Fleischkonsum als Problem für Gesundheit und Klima wahrgenommen wird?
Cornelia Habacher
Ich glaube, dass das Bewusstsein in letzter Zeit sehr stark gestiegen ist. Man sieht an den Zahlen, dass der Fleischverbrauch in Österreich zurückgegangen ist.
Andererseits wird dem Aufruf, weniger Fleisch zu essen, oft mit extremer Emotion begegnet. Niederösterreichs Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer von der FPÖ fürchtet etwa, dem Schnitzel künftig nur noch im Museum begegnen zu können.
Cornelia Habacher
Ich verstehe nicht, warum ausgerechnet beim Schnitzel die Emotion so hoch ist. Man bekommt schon als Kind beigebracht, mehr Gemüse zu essen. Vielleicht vergessen das die Leute dann, wenn sie für ihre eigene Ernährung verantwortlich sind. Ich finde es schon fast komödiantisch, wenn es für die eine Seite offenbar das Allerschlimmste ist, ein Schnitzel weniger zu essen. Niemand will jemandem das wegnehmen. Wir werden aber auch von vegan lebenden Menschen angeschrieben, dass wir es den Fleischessern zu leicht machen. Ich finde es immer schwierig, wenn Extreme forciert werden. Es geht doch darum, unsere Lebensmittelversorgung regionaler zu gestalten und bewusster zu essen. Ein erheblicher Teil des Kalbfleischs für unsere Schnitzel kommt aus dem Ausland. Gleichzeitig exportieren wir unsere Kälber. Das ist auch ein Wahnsinn. Man kann sich doch einfach in der Mitte treffen und Fleisch und veganes Schnitzel nebeneinander essen, ohne darüber zu streiten
Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).