Für Fadesse!

Ich wünsche mir Geräte, die keine Breaking News, sondern auch mal Langeweile bieten.

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Wenn ich an meine Kindheit denke, fällt mir auf, wie oft ich fadisiert herumsaß – wie viel Langeweile es gab, bevor die digitalen Geräte kamen, bevor es iPhones, Facebook und Twitter gab. Das hat sich verändert: Viele von uns sitzen nicht mehr an der Bushaltestelle und schauen in der Gegend herum. Wir ziehen sofort das Smartphone aus der Tasche und wischen darauf herum – weil es unterhaltsamer ist, auf Facebook herumzuscrollen, als mit seinen Gedanken allein zu sein.

Nur hat diese Ablenkung Schattenseiten: Viele (mich inklusive) greifen selbst dann zum Smartphone, wenn sie neben einer ihnen wichtigen Person sitzen. Die Soziologin Sherry Turkle nennt diesen Zustand „verbunden und doch allein“.

Das Problem ist, dass Ablenkung das zentrale Geschäftsfeld des Internets geworden ist. Viele Apps und Online-Dienste leben vom Verkauf von Werbung und somit von der Eroberung unserer Aufmerksamkeit. Ständig erinnern sie uns an „Breaking News“, „Notifications“ oder „Freundschaftsanfragen“, um ein paar Sekunden unserer Aufmerksamkeit zu ergattern und davon zu profitieren. Aber profitieren wir selbst auch davon?

Mittlerweile frage ich mich, ob Langeweile nicht das bessere Modell war. Und ich bin nicht die Einzige, die skeptisch geworden ist: In den USA ist eine Debatte entbrannt. Der frühere Google-Mitarbeiter Tristan Harris hat mit Verbündeten das „Center for Humane Technology“ gestartet. Die Initiative vertritt die These, dass Technologie zu sehr an unserer Aufmerksamkeit nagt. Sie sprechen von einem „System, das dafür designt ist, uns süchtig zu machen“.

Die Amerikaner plädieren für Software, die uns nicht ständig mit Pop-ups oder Vibrationen lockt. Auf ihrer Webseite humanetech.com geben sie Tipps für den Einzelnen, wie man sich vom Smartphone weniger ablenken lassen kann, und sie liefern konkrete Forderungen, wie Technik künftig anders programmiert werden könnte. Genau das wünsche ich mir mittlerweile auch: Ich hätte gern ein Handy, das mir auch mal Langeweile als Option vorschlägt – weil ich sonst auf die digitalen Reize wie ein nervöses Eichhörnchen reagiere.

Wie denken Sie darüber? Schreiben Sie mir unter [email protected] facebook.com/brodnig twitter.com/brodnig

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.