Hass ist stärker als Argumente

Warum deutschsprachige Medien zunehmend gegen aggressive Poster vorgehen - auch mit Sarkasmus.

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Wer über Streitthemen wie Esoterik, Frauenquoten oder Integrations-politik schreibt, zieht Wutposter im Netz regelrecht an. Einige militante Impfgegner, glühende Antifeministen oder auch Rechtsradikale durchforsten sogar gezielt das Web, um Andersdenkende niederzumachen. "Silencing“ nennt man diese Zermürbungstaktik, bei der man so lange aggressiv postet, bis sich Andersdenkende nicht mehr zu Wort melden. Dies sehen auch immer mehr Medien als Problem.

Wie geht man mit Menschen um, die für Argumente nicht mehr erreichbar sind, die bei jeder Statistik - egal wie seriös - erklären, das sei alles nur gefälscht? Einige deutsche Redaktionen antworten mittlerweile mit Ironie. Die deutsche Tageszeitung "Die Welt“ ist besonders gewitzt. Auf ihrer Facebook-Site postet ein User wirr: "Politikerhass auch anstackend. Lügenmärchen der Usa/Brd Gmbh.Firmen regieren von wegen Frieden.“

Keine ernsthafte Diskussion, keine ernsthafte Antwort

"Die Welt“ antwortet: "Manchmal denken wir, dass hier einige Leute einfach völlig wahllos Buchstaben zusammenwürfeln und dann auf ‚Senden‘ klicken.“ Das signalisiert: Wer nicht ernsthaft diskutieren will, wird keine ernsthafte Antwort erhalten.

Warum ist ein hartes Vorgehen gegen Wutposter wichtig? Nicht nur deswegen, weil sie andere Menschen verletzen, sondern vor allem, weil sie eine sachliche Debatte unmöglich machen.

Forscher der University of Wisconsin wollten wissen: Wie wirkt es sich aus, wenn die öffentliche Debatte im Netz permanent von Beschimpfungen überschattet ist? Sie befragten 1100 Amerikaner. Diese sollten zuerst einen Blogeintrag über Nanotechnologie lesen, der sachlich verfasst war, und anschließend die Postings darunter. Die eine Hälfte las Kommentare, in denen kontrovers, aber ohne Schimpfworte diskutiert wurde. Die andere Hälfte der Befragten las die nahezu selben Kommentare, nur mit einem Unterschied: Geschickt wurden Schimpfworte eingewoben, etwa hieß es im Posting: "… und wer das nicht versteht, ist ein Idiot …“.

Kleine, militante Minderheit

"Verstörend“ finden die Wissenschafter ihre Ergebnisse. Die Schimpfpostings führten dazu, dass die Befragten der Nanotechnologie viel ablehnender gegenüberstanden - unabhängig davon, was der Artikel wirklich sagte. Das Gelesene wurde negativer interpretiert, wenn darunter Beleidigungen standen.

Das legt den Schluss nahe: Ich kann Themen vergiften, indem ich aggressiv poste. Deswegen erscheint es sinnvoll, gegen Rüpel vorzugehen. Andernfalls schafft es eine kleine, militante Minderheit, die Onlinedebatte kaputtzumachen - und in letzter Konsequenz auch, die Meinungen und Denkmuster anderer Menschen mit Hass zu manipulieren.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.