Eine Frau spritzt sich Semaglutid

Wegovy: Eine weitere Abnehmspritze kommt auf den österreichischen Markt

Die Österreichische Gesundheitskasse sieht Adipositas nicht als Krankheit – entgegen allen medizinischen Erkenntnissen.

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Ab 1. September werden österreichische Apotheken direkt mit der Abnehmspritze Wegovy beliefert – und müssen sie nicht mehr über Parallelimporte aus dem Ausland beziehen. Wegovy ist gewissermaßen die große Schwester von Ozempic: Die Spritze enthält mit Semaglutid denselben Wirkstoff, aber in höherer Dosierung. Anders als Ozempic ist sie nicht für Menschen mit Diabetes, sondern für Adipositas-Patientinnen und Patienten zugelassen.

Was ändert die Markteinführung für die heimischen Patientinnen?

„Je mehr Adipositas-Medikamente auf dem Markt sind, desto geringer werden die Lieferengpässe, unter denen die Patienten in der Vergangenheit immer wieder gelitten haben“, sagt Florian Kiefer, Präsident der Österreichischen Adipositas Gesellschaft. Mehr Wettbewerb werde sich zudem günstig auf die Preise auswirken.

Tatsächlich musste man bisher mehr als 500 Euro monatlich für Wegovy hinblättern. Ab 1. September soll die monatliche Maximaldosis von Wegovy 333 Euro kosten, sagt Anna Tauscher vom Pharmaunternehmen Novo Nordisk Österreich gegenüber profil. Damit ist Wegovy nun günstiger als das Konkurrenzprodukt Mounjaro von Eli Lilly, das je nach Dosis mit monatlich 333 Euro bis 581 Euro zu Buche schlägt. Allerdings enthält Mounjaro den Wirkstoff Tirzepatid, der laut Studien einen noch größeren Gewichtsverlust verspricht als Semaglutid (nachzulesen hier). 

ÖGK-Behauptung: Adipositas keine Krankheit

Finanzieren müssen die Betroffenen die Therapie bis auf wenige Ausnahmen selbst. Expertinnen und Experten fordern seit Langem eine Erstattung durch die Kasse. Denn die Vorteile für das Gesundheitswesen würden die Kosten der Spritze bei Weitem überragen, wie das IHS errechnete: Bluthochdruck, Diabetes, Fettleber, Herz-Kreislauf-Probleme, Gelenkschmerzen, Krebs, sogar Alkoholsucht – das Risiko für all diese Erkrankungen geht durch die Spritzen und den Gewichtsverlust deutlich zurück.

Gebäude der ÖGK in Wien

„Ganz wenige adipöse Betroffene haben dieses Problem aus Krankheitsgründen."

Eine Stellungnahme der ÖGK, die den medizinischen Fakten widerspricht.

Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) sieht das offenbar anders. Sie stellt sogar die Einstufung von Adipositas als Krankheit in Frage: „Wir können Ihnen dazu sagen, dass ganz wenige adipöse Betroffene dieses Problem aus Krankheitsgründen haben. Primär hängt Adipositas mit der Lebensweise und der Ernährung zusammen, d.h. es geht um zu viel Kalorienzufuhr und zu wenig Bewegung“, so die Presseabteilung der ÖGK gegenüber profil. Eine Ansicht, der die medizinischen Fakten in aller Form widersprechen. Laut Weltgesungheitsorganisation (WHO) sind „die Ursachen deutlich komplexer als eine reine Kombination aus ungesunder Ernährung und Bewegungsmangel“. Zwillingsstudien legen sogar nahe, dass die Stoffwechselerkrankung Adipositas in etwa 70 bis 80 Prozent der Fälle auf genetische Ursachen zurückzuführen ist.

Trotzdem Verhandlungen über Erstattung

Im Hintergrund laufen derzeit aber sehr wohl Verhandlungen mit dem Hauptverband der Sozialversicherung, wie Anna Tauscher von Novo Nordisk Österreich bestätigt. „Wir sind in laufenden Gesprächen, um gemeinsam eine Lösung zu finden, um Menschen mit Adipositas Zugang zu unserem Adipositasmedikament Wegovy zu gewähren – zumindest für jene, die es am dringendsten benötigen – und so das Gesundheitssystem langfristig entlasten.“
Seit Kurzem bezahlt die Kasse immerhin die Abnehm-Spritze namens Saxenda (Wirkstoff Liraglutid) für stark übergewichtige Kinder; auch Erkrankte im Vorfeld einer Magenverkleinerung bekommen Abnehmspritzen erstattet. Ansonsten wird etwa Ozempic nur für Menschen mit Diabetes bezahlt. 

 

Franziska Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort, ihre Schwerpunkte sind Klima, Medizin, Biodiversität, Bodenversiegelung und Crime.