Collage: In der Mitte ist eine flüchtende Frau in den Umrissen des Sudan, links unten Generäle (Burhan und Hemeti) und rechts unten Protestierende mit einer Sudan-Flagge.
Bild anzeigen

„Krieg der Gräueltaten“: Wer von Sudans Bürgerkrieg profitiert

Sudan versinkt im Bürgerkrieg: In der Stadt al-Faschir kämpfen Hunderttausende zwischen Bombenterror und Hunger ums Überleben. Während das Land leidet, profitieren andere. Wer sind die Drahtzieher hinter der Gewalt?

Drucken

Schriftgröße

23. Oktober. Mohamed Omar meldet sich per Whats-App aus der von der Außenwelt abgeschnittenen Stadt al-Faschir im Westsudan bei profil. Er berichtet vom Bombenlärm und der verzweifelten Lage der mehr als eine halbe Million zählenden Bevölkerung der Stadt. Omar, Spitzname „Minees“, organisiert für die Hilfsorganisation Emergency Response Rooms (ERR) Suppenküchen. In den Straßen von al-Faschir betteln Vertriebene um Geld und Essen, erzählt Minees, es gebe keine Arbeit mehr.

Luftaufnahme. Man sieht eine Straße und schwarze (zerstörte) Häuser.
Bild anzeigen

Luftaufnahmen zeigen ein zerstörtes al-Faschir.

Die Front rückt näher, die für ihre Brutalität berüchtigte Miliz der Rapid Support Forces (RSF) beschießt die Stadt. Immer wieder muss Minees Verletzte in improvisierte Notfallspitäler schleppen. „Diese gleichen Geisterhäusern“, schreibt er, „Verwundete und namenlose Leichen liegen nebeneinander auf dem Boden, in der Ferne hört man Schüsse.“ Minees berichtet von Menschen mit abgetrennten Gliedmaßen. „Wir haben keine Medikamente. Familien können sich nicht einmal um sich selbst kümmern, geschweige denn um Patienten in den wenigen Krankenhäusern“, lautet eine von Minees Nachrichten an profil.

Wir haben keine Medikamente. Familien können sich nicht einmal um sich selbst kümmern, geschweige denn um Patienten in den wenigen Krankenhäusern.

Minees

Freiwilliger in al-Faschir

Al-Faschir ist zu diesem Zeitpunkt die letzte Stadt in der Region Darfur, die von den RSF noch nicht eingenommen wurde. Seit mehr als zwei Jahren tobt im Sudan ein Bürgerkrieg, und die RSF versuchen, im Kampf gegen die reguläre Armee die Macht an sich zu reißen. Mittlerweile kontrolliert die Miliz den Westen des Sudan, darunter die Region Darfur rund um Al-Faschir.
 

Was erwartet Minees, sollte die Stadt fallen? „Einen Genozid“, schreibt er zurück.
 

26. Oktober. RSF-Kämpfer stürmen den Flughafen von al-Faschir – der letzte Widerstandsposten der Armee. Die Stadt fällt in die Hände der RSF. Kämpfer der Miliz patrouillieren auf Kamelen und in Toyotas mit zerschossenen Windschutzscheiben durch die Straßen, recken Kalaschnikows und ihre Finger geformt zum Victory-Zeichen in die Höhe.
 

Kämpfer zeigen Victory-Zeichen und schwenken Maschinengewehre.
Bild anzeigen

profil versucht Minees zu kontaktieren, doch auf WhatsApp erscheint nur ein grauer Haken – die Nachrichten kommen nicht mehr an.
 

Berichte über Massaker durch die RSF häufen sich. Videos tauchen auf, in denen Gefangene aus nächster Distanz mit Pistolenschüssen hingerichtet, Menschen überfahren und Männer und Frauen gezielt voneinander getrennt werden. Die Männer werden ermordet und in Massengräber geworfen. Auf Satellitenbildern identifiziert das „Humanitarian Research Lab“ der US-amerikanischen Yale-Universität „Leichenberge“. Allein in einer Geburtsklinik wurden 460 Patienten und deren Begleiter ermordet. Die RSF soll humanitäre Helfer gezielt ins Visier nehmen, berichten Augenzeugen. Der Internationale Strafgerichtshof kündigte Ermittlungen an. 
 

Ein ERR-Mitarbeiter bestätigt schließlich am Telefon unter Tränen Minees Tod. Er wurde  Opfer der Massaker.

Blutige Geschichte

Spätestens seit den Massakern von al-Faschir ist der sudanesische Bürgerkrieg in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt.

150.000 Tote soll der Krieg bereits gefordert haben, die meisten Experten gehen sogar von einem noch viel höheren Blutzoll aus. Rund 70 Prozent der Spitäler des Landes sind zerstört. Die UN sprechen von der „größten humanitären Katastrophe der Welt“. Zwölf Millionen Menschen sind geflohen, vier Millionen haben die Grenze zu Nachbarländern wie dem Tschad oder Ägypten überquert. Auch die Zahl der Flüchtlinge, die Europa erreichen, steigt – wenn auch auf niedrigem Niveau.
 

Raphael  Bossniak

Raphael Bossniak

seit Juli 2025 im Außenpolitik-Ressort. Davor freier Journalist für APA, Kurier und die deutsche Nahostfachzeitschrift zenith. Schwerpunkt Nahost / Kaukasus / Osteuropa.