„Größte humanitäre Katastrophe der Welt“: Was passiert im Sudan?
Al-Faschir wurde erobert. Über 18 Monate hat die Stadt im Sudan den Paramilitärs der Rapid Support Forces (RSF) getrotzt. Am Sonntag fiel nach heftigen Kämpfen der Flughafen der Stadt – das letzte Widerstandnest, wo noch Armeesoldaten ausgeharrt hatten.
Der Sudan ist die größte humanitäre Krise der Welt. Der Konflikt eskaliert und die Kinder zahlen den Preis.
stellvertretender UNICEF-Exekutivdirektor
In Sudan tobt laut der UN die „größte humanitäre Katastrophe der Welt“. Im 50-Millionen-Land in Afrika herrscht seit zwei Jahren ein Krieg, der schon 150.000 Menschen das Leben gekostet hat. Der Sudan liegt südlich von Ägypten, durch ihn fließt der Nil. Zwei Generäle kämpfen hier um die Macht, doch es ist kein ideologischer Konflikt: Wer den Krieg gewinnt, erringt die Kontrolle über die erheblichen Goldreserven des Landes.
Doch für eine Seite geht es um mehr als nur Gold: Die RSF-Miliz predigt eine rassische Überlegenheit der arabischen Sudanesen über die afrikanischen Stammesgruppen. Araber stellen mit 70 Prozent der Bevölkerung im Nilland die Mehrheit. Die Paramilitärs kontrollieren mittlerweile große Teile Darfurs – die westliche Region Sudans.
Al-Faschir konnte die RSF lange nicht einnehmen. Jetzt soll die Stadt und ihre Bewohner für ihren Widerstand bestraft werden. RSF-Milizionäre verbreiteten im Netz Videos, die zeigen, wie sie Flüchtende überfahren oder Gefangene aus nächster Nähe mit Pistolenschüssen hinrichten. Die Aufnahmen lassen sich nicht unabhängig verifizieren.
Doch auch die rassistischen Vorstellungen der RSF lebt die Miliz aus: Nach Al-Faschir waren zuvor viele nicht-arabische Sudanesen geflohen, um vor Verfolgung durch die RSF sicher zu sein. Laut Armeequellen sollen mindestens 2.000 Menschen getötet worden sein. Auf Satellitenbildern sind Leichen und potenziell sogar Blutlachen sichtbar, so eine Untersuchung des „Humanitarian Research Lab“ der US-amerikanischen Yale-Universität.
Luftaufnahmen eines zerstörten Al-Faschirs.
Todesmarsch nach Tawila
Mehr als 30.000 Personen sind auf der Flucht. Das Ziel vieler Flüchtlinge: Die rund 60 Kilometer entfernte Kleinstadt Tawila, in der bereits 800.000 Binnenvertriebene leben. Sylvain Penicaud ist dort Projektkoordinator für „Ärzte ohne Grenzen“. In einer profil zugeschickten Sprachnachricht spricht er von einem „massiven Zustrom“ an Flüchtenden, die in die Stadt kommen. „Die Menschen nehmen entweder auf Trucks oder zu Fuß die extremst gefährliche Reise auf sich“, erzählt er. Menschen würden dehydriert und durch Unterernährung geschwächt in Tawila ankommen und seien dort kurz vor dem Zusammenbrechen.
Wir sind überwältigt vom den vielen Menschen. Unser Chirurgieteam im Krankenhaus ist voll ausgelastet.
Projektkoordinator für „Ärzte ohne Grenzen“ in Tawila
„Ärzte ohne Grenzen“ hat am Rand der Stadt ein Erstversorgungszentrum aufgebaut. „Alleine am Mittwoch haben wir 250 Menschen dort versorgt – darunter auch unterernährte Kinder und stark geschwächte schwangere Frauen“, sagt der französische Staatsbürger, der bis Dezember im Sudan stationiert ist. „Manche hatten auch Schussverletzungen“, fügt er hinzu. Über 1.000 Menschen seien bereits in Tawila eingetroffen seitdem Al-Faschir gefallen ist – mehr werden folgen.
Tawilas Krankenhaus sei jedoch bereits jetzt hoffnungslos überfüllt, erzählt Penicaud: „Wir sind überwältigt vom den vielen Menschen. Unser Chirurgieteam im Krankenhaus ist voll ausgelastet.“
RSF-Kämpfer feiern ihren Sieg in Al-Faschir.
Doch die, die Tawila erreichen, sind die Glücklichen: Sie sind vorerst sicher. Eine Frau, die entkommen konnte, erzählte der sudanesischen Online-Zeitung „Ayin Netzwerk“, die RSF hätte gezielt Männer und Frauen in Al-Faschir voneinander getrennt. „Sie sagten uns Frauen, wir sollen gehen, während die Männer bleiben mussten“, berichtet sie in einem Video.
In Al-Faschir harren noch 177.000 Menschen aus, so Zahlen der Internationale Organisation für Migration der UN. „Viele sind nach wie vor Gewalt und Missbrauch ausgesetzt“, sagt Penicaud. Ihr Schicksal ist ungewiss.
 
                     
          
    						 
            
                     
            
                     
            
                     
          
                                                
                
                 
          
                                                
                
                