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„Ich bin sowohl Freund der Israelis als auch der Palästinenser“

Israel begehe im Gazastreifen eine ethnische Säuberung, sagt der UN-Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk. Es müsse Druck auf die israelische Regierung ausgeübt werden, damit sie zur Besinnung komme.

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Sie werfen der israelischen Regierung „ethnische Säuberung“ im Gazastreifen mit dem Ziel einer „permanenten demografischen Verschiebung“ vor. Findet im Gazastreifen ein Völkermord statt?

Volker Türk

Es kommt zu schweren Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten, zu Kriegsverbrechen. Israel hat auf extrem unverhältnismäßige Weise massive Waffengewalt angewendet – mit enormen Verlusten unter palästinensischen Zivilisten, die auch durch die Verhinderung von genügend Hilfsmitteln kollektiv bestraft werden. Die Hamas hat am 7. Oktober ein schweres Verbrechen begangen, das ich immer wieder aufs Schärfste verurteilt habe. Das Völkerrecht verbietet auch jegliche Geiselnahme.

Der israelischen Regierung wird vorgeworfen, Hunger als Kriegswaffe einzusetzen, im Mai wurden laut UN innerhalb von zehn Tagen 180.000 Menschen vertrieben. Sind das Hinweise auf Völkermord?

Türk

Diese Frage wird vor dem Internationalen Gerichtshof untersucht, und ich kann mich zu laufenden Verfahren nicht äußern. Der Gerichtshof hat allerdings sehr wichtige vorläufige Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung gegen jegliche Gefahr von Völkermord erlassen, die in vollem Maß umgesetzt werden müssen.

Wie rasch kann der Internationale Gerichtshof ein Urteil fällen?

Türk

Das kann einige Jahre dauern.

Beim Angriff auf eine Schule in Gaza, in der Menschen Zuflucht gefunden hatten, wurden am Montag mehr als 30 Menschen getötet. Laut der israelischen Regierung hätte sich darin eine Kommandozentrale der Hamas befunden. Vonseiten der Regierung heißt es immer wieder, Terroristen versteckten sich hinter Zivilisten. Ist das dennoch ein Kriegsverbrechen?

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.