Warum der Fall Epstein Trump nicht loslässt
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Mehr als sechs Jahre sind vergangen, seit der verurteilte Sexualstraftäter Jeffrey Epstein tot in einer New Yorker Gefängniszelle aufgefunden wurde. Doch der Fall lässt die USA und Donald Trump nicht los. Monatelang kämpfte der US-Präsident erbittert gegen eine Veröffentlichung der Ermittlungsakten zum Fall Epstein. Am vergangenen Wochenende ließ Trump plötzlich wissen, er habe nichts zu verbergen; am Mittwoch unterschrieb er dann ein Gesetz zur Herausgabe der Dokumente. Etwas anderes blieb ihm kaum übrig: Beschlossen wurde der Gesetzesentwurf nahezu einstimmig vom US-Kongress. Dagegen gestimmt hatte lediglich ein einziger Republikaner im Repräsentantenhaus.
1. Wie geht es jetzt weiter?
Nach Trumps Zustimmung bleiben dem Justizministerium 30 Tage, um die Ermittlungsakten herauszugeben. Sie werde „dem Gesetz Folge leisten“, sagte Justizministerin Pam Bondi am Mittwoch. Doch Kritiker bezweifeln, dass der Fall nun wirklich aufgeklärt wird.
So darf das Justizministerium Informationen zurückhalten, die von der Regierung als geheim eingestuft werden – etwa zum Schutz der nationalen Sicherheit oder der Außenpolitik. Damit kann so gut wie alles vertuscht werden.
Von der Veröffentlichung ausgenommen sind auch Daten, die laufende Ermittlungen gefährden könnten. Auf Trumps Anordnung ermittelt das Justizministerium seit Kurzem zu Epsteins Beziehungen mit hochrangigen Demokraten, darunter der ehemalige US-Präsident Bill Clinton. Dieser war in den frühen 2000er-Jahren mehrmals in Epsteins Privatjet mitgeflogen. Clinton bestreitet, von Epsteins Verbrechen gewusst zu haben. Auch vonseiten der Opfer gibt es keine Vorwürfe gegen ihn.
Einige Demokraten sowie der Anwalt von Epsteins Opfern James R. Marsh befürchten nun, dass das Justizministerium die laufenden Ermittlungen als Vorwand nutzt, um Dokumente zurückzuhalten, die Trump belasten. Begründet wird der Verdacht auch damit, dass Trump die Epstein-Files nicht längst freigegeben hat. Den Kongress hätte es dafür nicht gebraucht, der US-Präsident hätte die Veröffentlichung einfach anordnen können. Doch das tat er nicht.
2. Warum ist die Sache überhaupt so brisant?
Der New Yorker Investmentbanker Jeffrey Epstein hat Hunderte minderjährige Mädchen missbraucht und sie an Freunde weitergereicht. Vor knapp 20 Jahren landete der Fall in Florida vor Gericht, 2019 wurde er noch einmal aufgerollt. Zu einem Prozess kam es nicht, nach offiziellen Angaben starb Epstein in Untersuchungshaft an Suizid. Zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde seine Komplizin Ghislaine Maxwell, weil sie Mädchen rekrutiert hatte, damit Epstein diese missbrauchen konnte.
Sicher ist, dass Epstein viele Prominente und hochrangige Politiker zu seinen Freunden und Bekannten zählte. Zu ihnen gehörte auch Donald Trump, bis sich die beiden Anfang der Nullerjahre zerstritten. „Ich war zehn Jahre lang sein engster Freund“, sagte Epstein 2017 im Gespräch mit dem Journalisten Michael Wolff. Dieser behauptet auch, dass Epstein ihm Fotos von Trump gezeigt habe, auf seinem Schoß junge Frauen mit nacktem Oberkörper.
Trump hat stets dementiert, je mit Epstein befreundet gewesen zu sein. Doch das wird immer unglaubwürdiger. Aus den 1990er- und den frühen Nullerjahren gibt es zahlreiche entlarvende Fotos und Videos. Epstein war Gast bei Trumps zweiter Hochzeit, und seine Komplizin Maxwell rekrutierte in Trumps Club Mar-a-Lago Mädchen für Epsteins Missbrauchsring. Im vergangenen Sommer tauchte ein Geburtstagsgruß Trumps für Epstein aus dem Jahr 2003 auf. „Ein Freund ist etwas Wunderbares“, schreibt Trump neben sexuellen Anspielungen und der Zeichnung eines weiblichen Torsos und wünscht weitere „wundervolle
Geheimnisse“. Der US-Präsident sprach von einer „Fälschung“ und verklagte das „Wall Street Journal“, das zuerst darüber berichtet hatte.
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© APA/AFP/US District Court for the Southe/HANDOUT
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3. Was könnten die Dokumente über Trump verraten?
Rund 100.000 Seiten sollen die Ep-stein-Files umfassen, darunter E-Mails, Befragungen von Opfern und Zeugen sowie Kontoauszüge des verstorbenen Sexualstraftäters.
Vor Kurzem veröffentlichten die Demokraten E-Mails aus Epsteins Nachlass, in denen auch Trump auftaucht. Das löste neue Spekulationen darüber aus, ob und wie viel der Republikaner von Epsteins Straftaten wusste.
In einem E-Mail an den Journalisten Michael Wolff schrieb Ep-stein im Jahr 2019 über Trump: „Natürlich wusste er von den Mädchen, er hatte Ghislaine gebeten, damit aufzuhören.“ Und gegenüber seiner Komplizin Ghislaine Maxwell behauptete er, dass Trump mit einer der jungen Frauen „Stunden in meinem Haus verbracht hat“. Doch Trump, so Epstein weiter, wurde „nie erwähnt“, auch nicht von einem „Polizeichef“. Der Name des Opfers: „Virginia“.
Virginia Giuffre war das prominenteste Opfer Epsteins. Sie war 16 oder 17 Jahre alt und arbeitete in Trumps Golfressort in Mar-a-Lago, als Maxwell sie rekrutierte. Laut Giuffre hat sich Trump nichts zuschulden kommen lassen, von einer Verwicklung in Epsteins Verbrechen wusste sie laut eigenen Aussagen nichts. Befragt werden kann sie nicht mehr, Giuffre nahm sich im April dieses Jahres das Leben.
4. Wie sehr kann Trump die Sache schaden?
Der Fall Epstein ist – neben miserablen Wirtschaftsdaten – die einzige Affäre, die das Potenzial hat, Trump wirklich zu schaden. Bisher zeigten seine Fans aus der MAGA-Bewegung („Make America Great Again“) eine bemerkenswert hohe Toleranz für Trumps Verhalten. Geschadet haben ihm weder die gebrochenen Wahlversprechen noch die zahlreichen Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe oder die Verurteilung wegen Missbrauchs. Doch bei Epstein ist es anders.
Viele von Trumps Anhängern aus der MAGA-Bewegung sind geradezu besessen von dem Fall. Sie sind überzeugt, dass die Regierung brisante Dokumente unter Verschluss hält, um die Eliten zu schützen. Im Wahlkampf hatte Trump versprochen, die Ermittlungsakten zu veröffentlichen, dann aber nur Dokumente freigegeben, die nichts Neues lieferten. Danach stieg der Druck, und bislang loyale Trump-Anhänger folgten lieber ihrer Basis als dem Präsidenten.
Doch auch für die Demokraten bergen die Epstein-Files ein Risiko. Es ist anzunehmen, dass Parteileute oder ehemalige Politiker der Demokraten in den Epstein-Files vorkommen. Werden die Passagen über Trump tatsächlich entfernt, wären die Vorwürfe gegen seine politischen Gegner alles, was von dem Fall übrig bleibt.
Sollten die Dokumente Trump belasten, kann der US-Präsident immer noch behaupten, es sei alles erlogen. Als die Grußkarte an Ep-stein auftauchte und sich Trump als Opfer einer Fälschung gab, versammelten sich die Republikaner hinter ihrem Präsidenten. Das könnte auch im Fall der Epstein-Files wieder geschehen.
Denkbar ist aber auch, dass sich die MAGA-Basis diesmal nicht so einfach befrieden lässt – und Trump ins Zentrum ihrer Empörung rückt.
Siobhán Geets
ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort und seit 2025 stellvertretende Ressortleiterin. Schwerpunkt: Europa und USA.