Trump, Knauss, Epstein, & Maxwell At Mar-A-Lago

Der lange Schatten des Jeffrey Epstein: Heikle Fragen

Donald Trump wird der Fall rund um Sexualstraftäter Jeffrey Epstein zum Verhängnis. Was auch sechs Jahre nach Epsteins Tod im Dunklen bleibt.

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Als Anfang 2003 das erste große Porträt über Jeffrey Epstein erscheint, kennt kaum jemand den Investmentbanker aus New York. „Er bleibt eines der wenigen wirklich rätselhaften Geheimnisse in der Welt der New Yorker Geldadeligen“, schreibt die „Vanity Fair“-Reporterin Vicky Ward in ihrem im März 2003 erschienenen Artikel mit dem Titel „Der talentierte Mr. Epstein“: „Die Leute wissen Bruchstücke, aber nur wenige kennen das Ganze.“

Das Ganze, so wird sich später herausstellen, ist ein umfassendes System der sexuellen Ausbeutung minderjähriger Mädchen. Epstein missbraucht sie, und er reicht sie an einflussreiche Freunde weiter. Doch darüber existieren im Jahr 2003 höchstens Gerüchte. 

Jeffrey Epstein, so viel ist schon damals klar, ist stinkreich. Er besitzt zwei Inseln in der Karibik, eine 3000-Hektar-Ranch in Texas, ein Anwesen in Palm Beach, Florida, sowie das größte private Wohnhaus in New York City. Und er hat einflussreiche Freunde. Zu den abendlichen Empfängen, die seine Lebensgefährtin Ghislaine Maxwell in Epsteins neunstöckiger Villa in Manhattan organisiert, kommen ehemalige Präsidenten und Nobelpreisträger, Hollywoodschauspieler und Intellektuelle. Einigen von ihnen fällt auf, dass bei den Abendgesellschaften auffallend viele „hübsche Ladies“ anwesend sind. In New York sei Epstein dafür bekannt, Frauen zu lieben, schreibt „Vanity Fair“: „viele, die meisten jung“.

Anzeigen wegen Vergewaltigung gab es bereits Mitte der 1990er-Jahre, doch Polizei und Justiz sahen lange weg. Im Jahr 2008 kam Epstein trotz Vorwürfen des Missbrauchs von fast 40 Minderjährigen und umfassenden Ermittlungen mit nur 13 Monaten Haft davon. Eingesperrt wird er nur nachts, tagsüber hat er Freigang. In geheimen Verhandlungen schlagen seine Anwälte einen Deal mit der Staatsanwaltschaft Südkaliforniens heraus. Epstein entgeht einem Verfahren vor einem  Bundesgericht – und damit einer potenziell lebenslangen Haftstrafe.

Der Öffentlichkeit bekannt wird das Ausmaß des „Systems Epstein“ erst durch umfassende Berichte der Tageszeitung „Miami Herald“. Im Sommer 2019 wird der Finanzberater schließlich wegen Verdachts des Menschenhandels und Missbrauchs von Minderjährigen verhaftet. Mit seiner Boeing 727 (Spitzname: „Lolita Express“) soll er Mädchen und einflussreiche Freunde auf die Karibikinsel Little St. James („Orgy Island“) geflogen haben. Die wichtigste Zeugin, Virginia Giuffre, war 16 Jahre alt und arbeitete im Wellnessbereich von Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida, als Ghislaine Maxwell sie 2000 als Masseurin für Epstein „rekrutierte“. In den darauffolgenden zwei Jahren, so Giuffre, hätten Epstein und Maxwell sie zu Sex mit Prominenten gezwungen, darunter Prinz Andrew. Epstein habe ihm Giuffre „gestohlen“, sagte Trump kürzlich. Giuffre kann sich dazu nicht mehr äußern, sie nahm sich im vergangenen April das Leben.

Man sagt, dass er schöne Frauen genauso mag wie ich, und viele von ihnen sind eher jung.

Donald Trump

US-Präsident, damals nur Unternehmer, über Epstein im Jahr 2002 zum „New York Magazine"

Der Skandal um Epstein passt zu den Erzählungen der MAGA-Welt („Make America Great Again“) rund um US-Präsident Donald Trump, der damals seine erste Amtszeit leistet. Ultrarechte Anhänger von Verschwörungsmythen vermuten schon lange, dass einflussreiche Eliten ihre Perversionen unbehelligt von den Behörden an Kindern ausleben.

Als Epstein am 10. August 2019 tot in einer Gefängniszelle aufgefunden wird, scheint die Verschwörung komplett. Offiziell heißt es, Epstein habe sich erhängt, doch das wollen viele nicht glauben, darunter Donald Trump. In den sozialen Medien suggeriert der US-Präsident, sein Vorgänger Bill Clinton könnte etwas mit dem Tod Epsteins zu tun gehabt haben – und fordert eine „umfangreiche Untersuchung“.
Jetzt aber dreht sich die Angelegenheit zuungunsten Trumps – und der US-Präsident will plötzlich nichts mehr damit zu tun haben.

Beging Jeffrey Epstein wirklich Selbstmord?

Es sind verwaschene Aufnahmen einer Überwachungskamera, die jegliche Zweifel an Epsteins Suizid beseitigen sollen. Das vom US-Justizministerium veröffentlichte Video zeigt einen Vorraum im New Yorker Metropolitan Correctional Center, rechts im Bild der Teil einer Treppe, die zur Zelle führt, in der Epstein in den frühen Morgenstunden des 10. August 2019 tot aufgefunden wird. Das Video soll beweisen, dass sich niemand Zutritt zu Epsteins Zelle verschafft hat.

Hilfe bei Krisen

Österreichische Telefonseelsorge (0-24 Uhr, kostenlos unter 142), online unter: telefonseelsorge.at

Psychiatrische Soforthilfe (0-24 Uhr, 01/31 330), online unter: psd-wien.at

Kindernotruf (0-24 Uhr, 0800 567 567) Rat auf Draht (0-24 Uhr, 147), online unter: rataufdraht.at

Kriseninterventionszentrum  (Montag bis Freitag 10-17 Uhr, 01 406 95 95), anonyme E-Mail-Beratung (kriseninterventionszentrum.at)

Doch kurz vor Mitternacht springt der Timecode des Videos nach vorn. Hier fehlen laut einer Metadaten-Analyse der US-Zeitschrift „Wired“ fast drei Minuten an Videomaterial. US-Justizministerin Pam Bondi behauptet, es handle sich bei dem Zeitsprung um eine Eigenheit des Überwachungssystems, liefert dafür jedoch keine Belege.

Epsteins Suizid löste sofort Verschwörungstheorien aus. Seine Anwälte, die ihn noch am Tag vor seinem Tod trafen, beschrieben ihn als „optimistisch“, laut einem Dokument des US-Bundesamts für Haftanstalten sagte er Tage vor seinem Tod, dass er „kein Interesse“ habe, sich umzubringen. Der Satz „Epstein didn’t kill himself“ ging in den Monaten nach Ep-steins Tod online viral  – auch abseits des Lagers von Donald Trump, der damals einen Tweet mit dem Hashtag #ClintonBodyCount teilte. Seine Anhänger verbreiteten Theorien, wonach schattenhafte Eliten, darunter Bill und Hillary Clinton, Epstein ermorden ließen.

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Epsteins Gefängniszelle nach dessen Tod im Jahr 2019

Er hätte „kein Interesse“, sich umzubringen, sagte Epstein Tage vor seinen Tod.

Sicher ist: Epsteins Tod ist ein Justizskandal. Die Aufsichtsbehörde des US-Justizministeriums spricht von einer „Kombination aus Nachlässigkeit und Fehlverhalten“ im Metropolitan Correctional Center. Heute ist das Gefängnis geschlossen.

Gefängniswärter hatten den Investmentbanker nur Wochen vor seinem Tod halb ohnmächtig und mit Blutergüssen am Hals in seiner Zelle aufgefunden. Der Sexualstraftäter galt als selbstmordgefährdet, doch 31 Stunden nach dem Vorfall wurden zusätzliche Überwachungsmaßnahmen überraschend aufgehoben. Sein Zellengenosse wurde verlegt, Epstein war allein – und er konnte zusätzliche Bettlaken horten, mit denen er sich später erhängte.

Laut einer Untersuchung des Justizministeriums ignorierten Epsteins Gefängniswärter in seiner Todesnacht die Vorschrift, jede halbe Stunde nach dem Insassen zu sehen. Sie shoppten stattdessen nach Möbeln und Motorrädern, oder sie schliefen. Die für die Rundgänge nötigen Protokolle wurden nachweislich gefälscht.

Epsteins Autopsie ergab mehrere Knochenbrüche, darunter eine dreifache Fraktur des Zungenbeins, ein kleiner Knochen über dem Kehlkopf. Diese Verletzungen seien „sehr ungewöhnlich für einen Selbstmord und deuten eher auf einen Mord durch Strangulierung hin“, sagte Michael Baden, ein Pathologe, den Epsteins Bruder angeheuert hatte, gegenüber dem US-Sender Fox. Doch seine These gilt als umstritten. Bei Erdrosselung bricht das Zungenbein häufig, dies kann aber auch bei Selbstmorden geschehen, so der Konsens unter Forensikern – besonders bei älteren Personen wie dem 66-jährigen Epstein.

Wer gehörte zu den „Kunden“ Epsteins?

Die Liste an einflussreichen Bekannten Epsteins ist lang. Unter ihnen finden sich Adelige (Prinz Andrew aus Großbritannien, Kronprinz Mohammed bin Salman aus Saudi-Arabien), US-Präsidenten (Bill Clinton, Donald Trump), Filmschaffende (Woody Allen, Harvey Weinstein) und Musiker (Michael Jackson). Doch die Bekanntschaft mit Epstein allein bedeutet noch keine Mittäterschaft beim sexuellen Missbrauch.

Auskunft über das kriminelle Netzwerk Epsteins könnten die Ermittlungsakten geben. Im Wahlkampf hatte Trump versprochen, alle Dokumente zu veröffentlichen. Nach ihrer Angelobung behauptete Trumps Justizministerin Pam Bondi gegenüber Fox News sogar, eine „Kundenliste“ Epsteins läge auf ihrem Tisch.

Doch die Kundenliste ist bis heute nicht veröffentlicht worden. Hier ein Überblick über Epsteins Bekannte und was man über sie weiß:

Raphael  Bossniak

Raphael Bossniak

seit Juli 2025 im Außenpolitik-Ressort. Davor freier Journalist für APA, Kurier und die deutsche Nahostfachzeitschrift zenith. Schwerpunkt Nahost / Kaukasus / Osteuropa.

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.