Donald Trump mit seiner heutigen Ehefrau Melania, Investmentbanker Jeffrey Epstein mit Partnerin Ghislaine Maxwell (v. l. n. r.) im Jahr 2000 auf Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida: „Ein großartiger Kerl.“
Als Anfang 2003 das erste große Porträt über Jeffrey Epstein erscheint, kennt kaum jemand den Investmentbanker aus New York. „Er bleibt eines der wenigen wirklich rätselhaften Geheimnisse in der Welt der New Yorker Geldadeligen“, schreibt die „Vanity Fair“-Reporterin Vicky Ward in ihrem im März 2003 erschienenen Artikel mit dem Titel „Der talentierte Mr. Epstein“: „Die Leute wissen Bruchstücke, aber nur wenige kennen das Ganze.“
Das Ganze, so wird sich später herausstellen, ist ein umfassendes System der sexuellen Ausbeutung minderjähriger Mädchen. Epstein missbraucht sie, und er reicht sie an einflussreiche Freunde weiter. Doch darüber existieren im Jahr 2003 höchstens Gerüchte.
Jeffrey Epstein, so viel ist schon damals klar, ist stinkreich. Er besitzt zwei Inseln in der Karibik, eine 3000-Hektar-Ranch in Texas, ein Anwesen in Palm Beach, Florida, sowie das größte private Wohnhaus in New York City. Und er hat einflussreiche Freunde. Zu den abendlichen Empfängen, die seine Lebensgefährtin Ghislaine Maxwell in Epsteins neunstöckiger Villa in Manhattan organisiert, kommen ehemalige Präsidenten und Nobelpreisträger, Hollywoodschauspieler und Intellektuelle. Einigen von ihnen fällt auf, dass bei den Abendgesellschaften auffallend viele „hübsche Ladies“ anwesend sind. In New York sei Epstein dafür bekannt, Frauen zu lieben, schreibt „Vanity Fair“: „viele, die meisten jung“.
Anzeigen wegen Vergewaltigung gab es bereits Mitte der 1990er-Jahre, doch Polizei und Justiz sahen lange weg. Im Jahr 2008 kam Epstein trotz Vorwürfen des Missbrauchs von fast 40 Minderjährigen und umfassenden Ermittlungen mit nur 13 Monaten Haft davon. Eingesperrt wird er nur nachts, tagsüber hat er Freigang. In geheimen Verhandlungen schlagen seine Anwälte einen Deal mit der Staatsanwaltschaft Südkaliforniens heraus. Epstein entgeht einem Verfahren vor einem Bundesgericht – und damit einer potenziell lebenslangen Haftstrafe.
Der Öffentlichkeit bekannt wird das Ausmaß des „Systems Epstein“ erst durch umfassende Berichte der Tageszeitung „Miami Herald“. Im Sommer 2019 wird der Finanzberater schließlich wegen Verdachts des Menschenhandels und Missbrauchs von Minderjährigen verhaftet. Mit seiner Boeing 727 (Spitzname: „Lolita Express“) soll er Mädchen und einflussreiche Freunde auf die Karibikinsel Little St. James („Orgy Island“) geflogen haben. Die wichtigste Zeugin, Virginia Giuffre, war 16 Jahre alt und arbeitete im Wellnessbereich von Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida, als Ghislaine Maxwell sie 2000 als Masseurin für Epstein „rekrutierte“. In den darauffolgenden zwei Jahren, so Giuffre, hätten Epstein und Maxwell sie zu Sex mit Prominenten gezwungen, darunter Prinz Andrew. Epstein habe ihm Giuffre „gestohlen“, sagte Trump kürzlich. Giuffre kann sich dazu nicht mehr äußern, sie nahm sich im vergangenen April das Leben.
Man sagt, dass er schöne Frauen genauso mag wie ich, und viele von ihnen sind eher jung.
Donald Trump
US-Präsident, damals nur Unternehmer, über Epstein im Jahr 2002 zum „New York Magazine"
Der Skandal um Epstein passt zu den Erzählungen der MAGA-Welt („Make America Great Again“) rund um US-Präsident Donald Trump, der damals seine erste Amtszeit leistet. Ultrarechte Anhänger von Verschwörungsmythen vermuten schon lange, dass einflussreiche Eliten ihre Perversionen unbehelligt von den Behörden an Kindern ausleben.
Als Epstein am 10. August 2019 tot in einer Gefängniszelle aufgefunden wird, scheint die Verschwörung komplett. Offiziell heißt es, Epstein habe sich erhängt, doch das wollen viele nicht glauben, darunter Donald Trump. In den sozialen Medien suggeriert der US-Präsident, sein Vorgänger Bill Clinton könnte etwas mit dem Tod Epsteins zu tun gehabt haben – und fordert eine „umfangreiche Untersuchung“. Jetzt aber dreht sich die Angelegenheit zuungunsten Trumps – und der US-Präsident will plötzlich nichts mehr damit zu tun haben.
Beging Jeffrey Epstein wirklich Selbstmord?
Es sind verwaschene Aufnahmen einer Überwachungskamera, die jegliche Zweifel an Epsteins Suizid beseitigen sollen. Das vom US-Justizministerium veröffentlichte Video zeigt einen Vorraum im New Yorker Metropolitan Correctional Center, rechts im Bild der Teil einer Treppe, die zur Zelle führt, in der Epstein in den frühen Morgenstunden des 10. August 2019 tot aufgefunden wird. Das Video soll beweisen, dass sich niemand Zutritt zu Epsteins Zelle verschafft hat.
Hilfe bei Krisen
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Doch kurz vor Mitternacht springt der Timecode des Videos nach vorn. Hier fehlen laut einer Metadaten-Analyse der US-Zeitschrift „Wired“ fast drei Minuten an Videomaterial. US-Justizministerin Pam Bondi behauptet, es handle sich bei dem Zeitsprung um eine Eigenheit des Überwachungssystems, liefert dafür jedoch keine Belege.
Epsteins Suizid löste sofort Verschwörungstheorien aus. Seine Anwälte, die ihn noch am Tag vor seinem Tod trafen, beschrieben ihn als „optimistisch“, laut einem Dokument des US-Bundesamts für Haftanstalten sagte er Tage vor seinem Tod, dass er „kein Interesse“ habe, sich umzubringen. Der Satz „Epstein didn’t kill himself“ ging in den Monaten nach Ep-steins Tod online viral – auch abseits des Lagers von Donald Trump, der damals einen Tweet mit dem Hashtag #ClintonBodyCount teilte. Seine Anhänger verbreiteten Theorien, wonach schattenhafte Eliten, darunter Bill und Hillary Clinton, Epstein ermorden ließen.
Epsteins Gefängniszelle nach dessen Tod im Jahr 2019
Er hätte „kein Interesse“, sich umzubringen, sagte Epstein Tage vor seinen Tod.
Sicher ist: Epsteins Tod ist ein Justizskandal. Die Aufsichtsbehörde des US-Justizministeriums spricht von einer „Kombination aus Nachlässigkeit und Fehlverhalten“ im Metropolitan Correctional Center. Heute ist das Gefängnis geschlossen.
Gefängniswärter hatten den Investmentbanker nur Wochen vor seinem Tod halb ohnmächtig und mit Blutergüssen am Hals in seiner Zelle aufgefunden. Der Sexualstraftäter galt als selbstmordgefährdet, doch 31 Stunden nach dem Vorfall wurden zusätzliche Überwachungsmaßnahmen überraschend aufgehoben. Sein Zellengenosse wurde verlegt, Epstein war allein – und er konnte zusätzliche Bettlaken horten, mit denen er sich später erhängte.
Laut einer Untersuchung des Justizministeriums ignorierten Epsteins Gefängniswärter in seiner Todesnacht die Vorschrift, jede halbe Stunde nach dem Insassen zu sehen. Sie shoppten stattdessen nach Möbeln und Motorrädern, oder sie schliefen. Die für die Rundgänge nötigen Protokolle wurden nachweislich gefälscht.
Epsteins Autopsie ergab mehrere Knochenbrüche, darunter eine dreifache Fraktur des Zungenbeins, ein kleiner Knochen über dem Kehlkopf. Diese Verletzungen seien „sehr ungewöhnlich für einen Selbstmord und deuten eher auf einen Mord durch Strangulierung hin“, sagte Michael Baden, ein Pathologe, den Epsteins Bruder angeheuert hatte, gegenüber dem US-Sender Fox. Doch seine These gilt als umstritten. Bei Erdrosselung bricht das Zungenbein häufig, dies kann aber auch bei Selbstmorden geschehen, so der Konsens unter Forensikern – besonders bei älteren Personen wie dem 66-jährigen Epstein.
Wer gehörte zu den „Kunden“ Epsteins?
Die Liste an einflussreichen Bekannten Epsteins ist lang. Unter ihnen finden sich Adelige (Prinz Andrew aus Großbritannien, Kronprinz Mohammed bin Salman aus Saudi-Arabien), US-Präsidenten (Bill Clinton, Donald Trump), Filmschaffende (Woody Allen, Harvey Weinstein) und Musiker (Michael Jackson). Doch die Bekanntschaft mit Epstein allein bedeutet noch keine Mittäterschaft beim sexuellen Missbrauch.
Auskunft über das kriminelle Netzwerk Epsteins könnten die Ermittlungsakten geben. Im Wahlkampf hatte Trump versprochen, alle Dokumente zu veröffentlichen. Nach ihrer Angelobung behauptete Trumps Justizministerin Pam Bondi gegenüber Fox News sogar, eine „Kundenliste“ Epsteins läge auf ihrem Tisch.
Doch die Kundenliste ist bis heute nicht veröffentlicht worden. Hier ein Überblick über Epsteins Bekannte und was man über sie weiß:
war Stammgast auf Epsteins Privatinsel Little Saint James. Die wichtigste Zeugin, Virginia Giuffre, behauptete, dort von Andrew sexuell missbraucht worden zu sein. Ein Foto von 2001 zeigt den Prinzen, der Epstein seit den 1990er-Jahren kannte, zusammen mit Giuffre und Maxwell. Der Fall endete 2022 mit einer außergerichtlichen Einigung. Andrew musste mehr als 14 Millionen Euro zahlen. Laut einer neuen Biografie bezeichnete Epstein den Duke als noch „sexbesessener“ als er selbst und als „perverses Tier“.
flog laut Logbuch 26 Mal in Epsteins Privatjet mit. Epstein beriet Clinton ab 2002 bei seiner Stiftung und spendete Zehntausende Dollar an die „Clinton Foundation“ sowie an den Wahlkampf Hillary Clintons.
lebte in der Nähe von Epsteins Villa in Manhattan. Die beiden sahen einander um 2014 regelmäßig. Allen verglich Epstein mit „Dracula“, bei dem man immer „von mehreren jungen Frauen“ bedient wird.
traf Epstein, ebenso wie sein Vorgänger Schimon Peres, Dutzende Male. Er bezeichnete Epstein als „Menschensammler“ und war Gast in einem seiner Privatjets. „Ich habe Epstein nie in Begleitung von Frauen oder jungen Mädchen getroffen“, betonte Barak, in dessen Tech-Start-up Epstein 2015 rund eine Million Dollar investierte.
traf sich regelmäßig mit Epstein, der ihm bei Bankgeschäften half. „Ich habe keinen Penny von Epstein erhalten“, sagte Chomsky gegenüber dem „Wall Street Journal“.
war jahrelang mit Epstein befreundet. Laut „Sun“ bedrängte Weinstein in Epsteins Pariser Wohung eine seiner Angestellten, Epstein habe ihn hinausgeworfen und als „Schwein“ beschimpft. Ein Foto aus 2006 zeigt die zwei Männer auf einer Kostümparty von Prinz Andrew.
zauberte privat für Epstein. Einmal soll dabei Johanna Sjoberg, ein Opfer Epsteins, anwesend gewesen sein. „Ich habe damals Gerüchte gehört, dass Mädchen dafür bezahlt werden, andere Mädchen in die Epstein-Residenz zu bringen“, sagte Copperfield gegenüber dem „Guardian“
lästerte angeblich bei Besuchen bei Epstein über seine Frau. Heute bereue er den Kontakt, der zu seiner Scheidung beigetragen habe, sagte Gates gegenüber dem „Wall Street Journal“: „Ich war ziemlich dumm.“
Die Ankündigung von Trumps Justizministerin Pam Bondi elektrisierte die MAGA-Basis. Endlich, so die Hoffnung, würden die kriminellen Machenschaften der Eliten und die Vertuschungen des „tiefen Staates“ ans Licht kommen.
Doch es kam anders. Anfang Juli hieß es plötzlich aus dem Justizministerium, es gebe gar keine Kundenliste, sondern nur die „Epstein-Files“, also die Ermittlungsdokumente zu dem Fall, und auch diese werde man nicht veröffentlichen. Trumps Basis tobte, doch der US-Präsident blieb dabei: Es gebe über Epstein nichts mehr zu sagen. Der ganze Skandal sei ein Schwindel der Demokraten, sagte Trump, der die Verschwörungstheorien darüber jahrelang maßgeblich befeuert hatte, und wer noch darüber spreche, sei ein „Schwächling“.
Nicht nur Trumps Anhänger fragen sich seither: Hat der US-Präsident etwas zu verbergen?
Laut US-Medien informierte Justizministerin Pam Bondi Trump bereits im Mai darüber, dass sein Name mehrfach in den Epstein-Files auftaucht. Einige Wochen später erfuhr auch die Öffentlichkeit davon – durch ein Posting von Elon Musk, dem reichsten Mann der Welt, der seinem ehemaligen Freund damit wohl maximal schaden wollte. „Donald Trump ist in den Epstein-Files“, schrieb Musk Anfang Juni auf X, „das ist der wahre Grund, warum sie nicht veröffentlicht wurden“. Zwar löschte Musk den Beitrag bald wieder, doch da war der Schaden bereits angerichtet.
Vergangene Woche wurde bekannt, dass das FBI Trumps Namen aus den Dokumenten entfernt hat. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, wies FBI-Chef Kash Patel rund 1000 Mitarbeiter an, die umfangreichen, über mehr als 20 Jahre zusammengestellten Dokumente über den Fall Epstein zu sichten und Trumps Namen zu schwärzen. Dasselbe geschah mit den Namen Dutzender weiterer prominenter Personen.
Dass Trump in den Dokumenten vorkommt, bedeutet noch nicht, dass er sich schuldig gemacht hat. Doch es wirft die Frage auf, wie gut die beiden einander wirklich kannten.
Wie eng waren Trump und Epstein befreundet?
Nach der Verhaftung Epsteins hatte Trump behauptet, nie mit ihm befreundet gewesen zu sein. „Ich kannte ihn so, wie ihn jeder in Palm Beach kannte“, sagte er gegenüber Journalisten über seinen ehemaligen Nachbarn, „er gehörte zum Inventar“. Das zu glauben, dürfte selbst Trumps treuesten Anhängern schwerfallen – vor allem, seit ein schlüpfriger Gruß Trumps an Epstein auftauchte. Anfang 2003 feierte Jeffrey Ep-stein seinen 50. Geburtstag, und Ghislaine Maxwell bat seine Freunde um Glückwünsche für ein ledergebundenes Buch. Trump, so berichtete das „Wall Street Journal“ vor drei Wochen, schickte eine Karte mit einem obszönen Gedicht voller Anspielungen auf gemeinsame Geheimnisse. „Möge jeder Tag ein weiteres, wundervolles Geheimnis sein“, so der handschriftliche Gruß, daneben die Skizze einer nackten Frau, zwischen den Beinen die unverwechselbare Signatur Trumps.
Trump stritt ab, Verfasser der Geburtstagsgrüße zu sein, und klagte das „Wall Street Journal“ auf zehn Milliarden Dollar Schadenersatz.
Epstein wusste enorm viel über Trump, er kannte Trumps Geheimnisse.
Michael Wolff
Trump-Biograf
Vieles deutet darauf hin, dass Trump und Epstein jahrelang eng befreundet waren. Er kenne Epstein seit 15 Jahren, dieser sei „ein großartiger Kerl“, sagte Trump 2002 zum „New York Magazine“: „Man sagt sogar, dass er schöne Frauen genauso mag wie ich, und viele von ihnen sind eher jung.“
Donald Trump stand Jeffrey Epstein sehr nahe, behauptet auch der US-Journalist und Autor Michael Wolff, der vier Bücher über Trump geschrieben hat. Ab etwa 1988 seien Trump und Epstein engste Freunde gewesen, erzählt Wolff auf Instagram, Anfang der 1990er-Jahre hätten sie sogar „eine Freundin geteilt“. So habe Epstein es ihm in Interviews im Jahr 2017 erzählt. „Epstein wusste enorm viel über Trump, er kannte Trumps Geheimnisse", sagte er gegenüber dem „Spiegel".
Zum Bruch dürfte es im Jahr 2004 gekommen sein. Beide interessierten sich für eine Immobilie in Palm Beach, Florida, am Ende setzte sich Trump durch und erwarb das Anwesen. Autor Wolff ist überzeugt: Nach dem Streit mit Trump dachte Epstein, sein Freund habe ihn an die Polizei verraten. Immerhin begannen die ersten Ermittlungen gegen Epstein kurze Zeit später, im Jahr 2005. Allerdings zeigten damals auch die Eltern einer 14-Jährigen Epstein wegen sexuellen Missbrauchs ihrer Tochter an.
Sicher ist: Trump hatte mit Epstein vieles gemeinsam. Beide liebten Macht und Geld, beide zeigten sich gern auf Partys mit jungen Frauen – auch zusammen. Etliche Bilder zeugen von der gemeinsamen Zeit in Mar-a-Lago, in Epsteins New Yorker Villa und mit Models bei Fashion Events. Zuletzt veröffentlichte der Sender CNN Fotos von Epstein bei Trumps Hochzeit mit Marla Maples im Jahr 1993.
All das ist kein Beleg dafür, dass sich Trump am Missbrauch Minderjähriger beteiligt hat. Doch es weckt Zweifel daran, dass Trump nicht wusste, was in Epsteins Anwesen vorging.
Was weiß Ghislaine Maxwell?
Wenn nach Epsteins Tod noch jemand Licht ins Dunkel bringen kann, dann Ghislaine Maxwell. Sie war jahrelang seine Lebensgefährtin, führte ihn in die gehobene Gesellschaft ein – und sie rekrutierte junge Frauen und minderjährige Mädchen, damit Ep-stein sie missbrauchen konnte. Maxwell suchte gezielt nach Opfern, die bereits Missbrauchserfahrungen hatten und damit leichter manipulierbar waren, sie freundete sich mit ihnen an und lockte sie in die Falle. Ghislaine Maxwell weiß wohl auch, wer die einflussreichen Männer waren, die zu Epsteins Missbrauchsnetzwerk gehörten. Sie ist die Schlüsselfigur im Fall Epstein.
Ihnen werden „abscheuliche Verbrechen an Kindern“ vorgeworfen.
Im Juni 2022 wurde die Tochter des umstrittenen Medienmoguls Robert Maxwell als Komplizin Epsteins zu 20 Jahren Haft verurteilt. Der Staatsanwalt sprach von „abscheulichen Verbrechen an Kindern“, für die sie nun zur Verantwortung gezogen werde. Laut Anklage hat sich Maxwell manchmal sogar an sexuellen Misshandlungen beteiligt.
Für die Opfer und deren Angehörige ist Maxwell ein Monster, Trump-nahe Medien versuchen jetzt, ein neues Bild zu zeichnen: Sie stellen die gebürtige Britin auf einmal als nahezu schuldloses Opfer eines unfairen Prozesses dar. „Sie verdient es, freizukommen“, sagte etwa Greg Kelly, Moderator beim rechten Sender „Newsmax“.
Um das MAGA-Lager zu besänftigen und herauszufinden, was sie weiß, schickte Trump vergangene Woche den stellvertretenden Justizminister Todd Blanche zu einem Treffen mit Maxwell. Der Verdacht liegt nahe, dass Blanche, der Trump früher als Anwalt vertrat, ausloten wollte, wie gefährlich Maxwell dem US-Präsidenten noch werden könnte.
Neun Stunden sollen die beiden miteinander gesprochen haben, laut Maxwells Anwälten wurde sie zu 100 Personen befragt. Sie habe angegeben, Trump nie bei etwas beobachtet zu haben, das Anlass zur Sorge geben könnte, berichten US-Medien. Die Regierung, die derzeit nach einer Strategie für den Umgang mit dem Fall Ep-stein sucht, will demnächst entscheiden, ob ein Transkript des Interviews mit Maxwell veröffentlicht werden soll, berichtete der Sender CNN.
Wenige Tage nach dem Treffen mit Blanche wurde Maxwell aus einem Gefängnis in Florida in eine luxuriöse Haftanstalt mit minimalen Sicherheitsvorkehrungen in Texas verlegt. Seither mehren sich die Spekulationen, dass sie freikommen könnte. Maxwell hat immer wieder gegen das Urteil berufen, sie will erreichen, dass ihr Fall neu verhandelt wird.
Theoretisch möglich wäre auch eine Begnadigung. Eine solche schließt Trump jedenfalls nicht aus. „Ich kann es tun“, sagte er vergangene Woche im Interview mit „Newsmax“, „aber es hat mich niemand darum gebeten.“
Könnte Trump über den Fall Epstein stolpern?
Im Wahlkampf hat Donald Trump versprochen, den „Sumpf“ der staatlichen Behörden trockenzulegen, arrogante Eliten abzustrafen und den „tiefen Staat“ zu bekämpfen. Seiner Basis, dem Lager der MAGA-Fans, sprach er damit aus dem Herzen. Sie eint neben der Verehrung Trumps vor allem der Glaube an die Verwicklung des Staates in weitreichende Verschwörungen. Die Mythen um die Ermordung John F. Kennedys, um die Anschläge vom 11. September 2001 und um den Fall Epstein sind der Kitt, der die radikalen Anhänger Trumps zusammenhält.
Für die Verschwörungsfreunde des MAGA-Lagers war die Kehrtwende der Regierung im Fall Epstein eine Ernüchterung, von der sie sich nicht so schnell erholen werden. In den Hochburgen der Republikaner verschwanden in den vergangenen Wochen MAGA-Flaggen aus Vorgärten und Aufkleber von Autos.
„Der Geist des in Ungnade gefallenen Jeffrey Epstein verfolgt unsere republikanischen Kollegen“, spottete Chuck Schumer, der demokratische Minderheitsführer im Senat.
Donald Trump mit seiner heutigen Ehefrau Melania, Investmentbanker Jeffrey Epstein mit Partnerin Ghislaine Maxwell (v. l. n. r.) im Jahr 2000 auf Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida: „Ein großartiger Kerl.“
Die Demokraten taten zuletzt alles, um eine Freigabe der Epstein-Files zu erzwingen. Damit standen sie plötzlich auf derselben Seite wie viele MAGA-Republikaner. Manch treue Anhänger Trumps im Kongress unterstützten die Initiativen der Demokraten – und folgten damit dem Willen ihrer Wähler. Laut einer Umfrage des britischen Magazins „The Economist“ will eine Mehrheit der Amerikaner – 89 Prozent der Demokraten und 73 Prozent der Republikaner – die Veröffentlichung aller Epstein-Dokumente. Darüber abgestimmt werden sollte Ende Juli im Repräsentantenhaus, doch der republikanische Vorsitzende Mike Johnson schickte die Abgeordneten kurzerhand vorzeitig in die Sommerpause – und die Abstimmung wurde vertagt. Verschoben wurde auch eine für den 11. August geplante Anhörung Maxwells vor dem Repräsentantenhaus.
Trump will mit all dem nichts zu tun haben und setzt auf Ablenkung. In den sozialen Medien lobte er seine Zollpolitik, attackierte wie üblich Kritiker und warf Ex-Präsident Barack Obama vor, einen Putsch gegen die Regierung geplant zu haben. Nur über den Fall Epstein sprach er nicht.
Du musst jeden Feind des Volkes ausschalten. Sonst wird sich die Basis gegen dich wenden, und es gibt kein Zurück mehr.
Marjorie Taylor Greene
MAGA-Republikanerin im Repräsentantenhaus
Doch Trump wird die Angelegenheit nicht los. Der Geist Epsteins, den er einst selbst heraufbeschworen hat, lässt ihm keine Ruhe.
Die Abstimmung über die Dokumente im Abgeordnetenhaus ist nicht abgesagt, sondern lediglich vertagt, und laut „New York Post“ arbeitet Maxwell im Gefängnis an einem Bericht über ihre Zeit mit Epstein. Unter Journalisten in Washington und New York geht das Gerücht um, das „Wall Street Journal“ habe weiteres Material über die Beziehung zwischen Epstein und Trump.
Die Geschichte um Jeffrey Epstein ist wohl noch lange nicht zu Ende.
seit Juli 2025 im Außenpolitik-Ressort. Davor freier Journalist für APA, Kurier und die deutsche Nahostfachzeitschrift zenith. Schwerpunkt Nahost / Kaukasus / Osteuropa.