#brodnig: Maschine ist besser

Geben wir es zu: Wir nutzen das Internet auch, um den Kontakt mit anderen Menschen zu reduzieren.

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Nehmen wir eine der neuesten Erfindungen von Google: Duplex ist eine Software, die für ihre Nutzer Anrufe tätigt. Man sagt dem Programm, es soll im gewünschten Restaurant oder beim Frisör für Freitagvormittag einen Termin buchen. Die Software ruft dort an, identifiziert sich als Google-Produkt und vereinbart dann einen passenden Zeitpunkt (und kann ihn auch in den eigenen Kalender eintragen). Zumindest auf Englisch funktioniert der Dienst schon gut, die Software kann selbstständig mit Menschen sprechen. Google gab nun bekannt, dass einige Internetnutzer noch diesen Sommer die Software testen können.

Ich sehe ein enormes Marktpotenzial: Viele Menschen hassen es, mit Fremden zu telefonieren. Google übernimmt künftig diese Tätigkeit. Und auch sonst scheint die Digitalisierung eine großartige Entwicklung für Sozialphobiker zu sein: Statt im Geschäft lang mit Mitarbeitern zu sprechen, kann man einfach vom Sofa aus einkaufen. Die Zustellung erfolgt zwar noch durch Menschen, doch wer weiß: Vielleicht haben wir in 20 Jahren Haushaltsroboter, die für uns Pakete annehmen.

Die verlockende Schlussfolgerung: Die digitalen Tools werden von kontaktscheuen Technikern entwickelt, die menschliche Interaktion möglichst einschränken wollen. Ich halte das für eine zu simple Erklärung. Entscheidender sind zwei Faktoren: Erstens sind wir Benutzer bequem. Selbst kleine Tätigkeiten wie Telefonieren oder Shoppen möchten wir mit wenig Aufwand hinter uns bringen. Zweitens passt das zur Ökonomie. Menschliche Angestellte sind teurer als Roboter.

Ich wette: In Zukunft wird auch im Restaurant oder beim Frisör kein Mensch mehr abheben. Wenn Software telefonieren kann, werden Unternehmen die Mitarbeiter am Hörer wegrationalisieren. Letztlich ist die Geschichte des Internets also eine Geschichte, in der viele Jobs wegfallen werden. Was fehlt, ist eine Antwort auf die Frage, welche Rolle wir Menschen in einem solchen Markt und einer solchen Zukunft dann spielen. Zu diesem wichtigen Kapitel sind wir noch nicht gekommen.

Wie denken Sie darüber? Schreiben Sie mir unter [email protected] facebook.com/brodnig twitter.com/brodnig

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.