Jetzt-Chefredakteurin Hatice Akyün sitzt an einem Tisch vor einem Teller Spaghetti und lächelt in die Kamera
Bild anzeigen

Ein Gang mit … Hatice Akyün

Gerade startete „Jetzt“, ein neues, im Vorfeld durchaus verhaltensauffälliges Online-Medium. Die Berliner Journalistin Hatice Akyün wurde kürzlich überraschend zur Chefredakteurin bestellt.

Drucken

Schriftgröße

Es gibt Momente im Leben, da weißt du: Wenn du nach den Regeln spielst, dann verhungerst du, und das muss eigentlich nicht sein, zumindest nicht, wenn man smart ist. Es ist erst ein paar Wochen her, Hatice Akyün war gerade in Wien angekommen, da war sie in der Favoritenstraße, weil sie den angeblich besten Döner der Stadt probieren wollte. Doch vor Ferhat wartete die für Ferhat typische Schlange. Was also tun? Warten war, siehe oben, keine Option, sagt Akyün: „Also habe ich einfach einen türkischen Vater, der fast ganz vorn stand, auf Türkisch angesprochen und ihm gesagt, dass er mich in die Schlange lassen soll. Du kennst mich, ich war mal Society-Reporterin, ich komme überall rein, auch wenn ich keine Einladung habe.“

Jetzt sitzen wir bei den Casolaro Bros in der Wohllebengasse im 4. Bezirk, es ist ein Freitag kurz vor 12 Uhr Mittag, und dieses Mal mussten wir für unsere Plätze niemand bezirzen: Wir sind die ersten Gäste. Akyün hatte das Lokal vorgeschlagen, erstens kann sie hier Cacio e Pepe essen (14,90, angeblich sehr gut), und zweitens hat sie gleich um die Ecke ihr Büro. Im alten Funkhaus in der Argentinierstraße bereitet sie nämlich gerade den Launch von „Jetzt“ vor, dem neuen Digitalmedium, das am kommenden Dienstag starten soll. Akyün ist seit ein paar Wochen die Chefredakteurin dieses Projekts. „Es ging alles ganz schnell“, sagt sie, „am Freitag kam der Anruf, ob ich mir den Job vorstellen könnte, am Montag saß ich im Flieger nach Wien.“ An dem Wochenende dazwischen habe sie die Angelegenheit mit ihrem Freund und ihrer 18-jährigen Tochter besprochen, die wegen Job (Freund) und bevorstehendem Abi (Tochter) nicht mitübersiedeln: „Aber ein Job in Wien ist eben ein Job in Wien, das ist schon eine tolle Stadt, in der man mal leben muss, wenn man die Chance hat. Wäre das Angebot aus Osnabrück, dann hätte ich es wohl nicht gemacht.“

Ein Job in Wien ist eben ein Job in Wien, das ist schon eine tolle Stadt, in der man mal leben muss, wenn man die Chance hat. Wäre das Angebot aus Osnabrück, dann hätte ich es wohl nicht gemacht.

Hatica Akyün

"Jetzt"-Chefredakteurin

Gegen halb eins beginnen sich die Casolaro Bros zu füllen, die sehr spartanisch eingerichtete Tagesbar kommt offenbar auch vier Jahre nach der Eröffnung noch gut an. Akyün stochert in ihren Nudeln, ich versuche mein Panino Napoli mit Salsiccia und Scamorza (10,90) so zu essen, dass ich mich nicht komplett ansaue, was gar nicht so einfach ist, und wundere mich, wie viele Menschen bereit sind, für ein kleines und belangloses Sandwich elf Euro auszugeben. Offenbar sind die Gehälter im Kreativ-Wien doch nicht so schlecht, wie die Auftragslage vermuten ließe. Akyün erzählt mir währenddessen ein bisschen über „Jetzt“. Pro Tag werde ein sogenannter Long Read erscheinen, der von den jeweiligen Autoren aber auch eingelesen wird, dazu gibt’s einen Nachrichtenüberblick am Morgen. Später soll noch ein zweiter „Long Read“ dazukommen, dazu müssten aber noch „mindestens zwei“ weitere Redakteurinnen, „starke Frauen“, dazukommen. Die Redaktion bestünde derzeit aus acht Leuten, von denen die Hälfte für Audio zuständig sei. Sie habe gerade Ressorts eingeführt (Investigativ, Politik, Kultur&Gesellschaft), und ich überlege kurz, ob das nicht bedeutet, dass damit jedes Redaktionsmitglied gleichzeitig sein eigener Ressortleiter ist, verkneife mir die Frage aber.

Markus  Huber

Markus Huber

ist im Hauptberuf Herausgeber des Magazins „Fleisch“ und schreibt für profil alle zwei Wochen die Kolumne „Powerlunch“.