Eatdrink

Spinat ist Trumpf

Irrtümer, Legenden und Wahrheiten über ein Blatt, das zum Evergreen wurde.

Drucken

Schriftgröße

Spinat ist grün. Spinat ist gesund. Deshalb schmeckt Spinat vielen Kindern nicht. Damit wäre eigentlich alles über Spinacia oleracea gesagt. Nun kann man die Geschichte aber auch anders erzählen, ausschweifender, genauer, bunter als nur grün.

Wir schreiben das Jahr 1890. In Basel forscht der Physiologe, Chemiker und Mediziner Gustav von Bunge über schädliche und nützliche Substanzen, die dem Körper zugeführt werden. Von Bunge ist ein leidenschaftlicher Gegner von Alkohol. Seine Aufsätze sind die ideologische Basis der Abstinenzbewegung; der Schriftsteller Gerhard Hauptmann lässt sich von den Texten für sein Sozialdrama über Trunksucht und Abstinenz „Vor Sonnenaufgang“ inspirieren. Andererseits forscht von Bunge aber auch über den Spinat. Er will die vielen anekdotisch beschriebenen Vorzüge des Blattwerks wissenschaftlich untermauern – und fördert mit einem kapitalen Irrtum das Klischee vom Superfood Spinat erst recht. Das Zeug, fand er heraus, enthalte 35 Milligramm Eisen pro 100 Gramm und sei deshalb enorm wichtig für den Muskelaufbau vor allem junger Menschen. Von Bunge hatte jedoch hoch konzentriertes Spinatpulver analysiert. Zieht man in Betracht, dass Spinat zu 90 Prozent aus Wasser besteht, schrumpft der Eisengehalt von frischen Blättern auf 3,5 Milligramm; er verrutscht also durch falsche Annahmen um eine Dezimalstelle. Aber das ist ja auch schon den besten Finanzministern passiert.

Der Spinatirrtum war jedenfalls nicht mehr aus der Welt zu kriegen. 1929 erschuf der Comiczeichner Elzie Segar eine Figur namens Popeye. Der Seemann begann als Nebenfigur einer Serie in amerikanischen Zeitungen, wurde aber aufgrund seines etwas bizarren Aussehens und seiner Gewohnheiten immer populärer. Dosenweise schluckte er Spinat, der ihm Superkräfte verlieh; Segar nahm damit Bezug auf von Bunges falsche Berechnungen. Die Idee war jedenfalls genial: Schon damals verabscheuten viele Kinder Spinat allein deshalb, weil er ihnen ständig als gesund verkauft wurde. Aber wenn man davon übermenschlich stark wird wie Popeye, der Seemann, wäre ein Teller Spinat ja doch eine Überlegung wert.

Im Hintergrund lauerte aber noch eine Szene auf ihre Chance: Spinat wurde zum Codewort für Marihuana, das auch im Ruf stand, die Grenzen menschlichen Vermögens zu sprengen wie Popeye die Ketten, in die ihn der Schurke Bluto legt. In den hanfnebelverhangenen Jazz-Clubs machte der mit koketten Anspielungen gespickte „Spinach-Song“ Furore, und alle wussten, was gemeint war: „I didn’t like it the first time, but, oh, how it grew on me.“ Dazu kam, dass leidenschaftlich darüber diskutiert wurde, was denn nun Popeye in seiner Pfeife wohl raucht.

Der Echte Spinat ist auch hier schon einige Male aufgetaucht, und zwar längst nicht nur im Frühjahr. Eines meiner Lieblingsrezepte ist der gratinierte Spinat, der den charakteristischen Geschmack durch die passende Würze besonders gut unterstreicht. Ich nehme 1 Kilo Blattspinat (die Stängel dürfen gerne dranbleiben), wasche ihn gründlich und lasse ihn nass in einem großen Topf zusammenfallen. Wenn die Blätter glänzen, schütte ich ihn in ein Sieb, lasse ihn kurz abkühlen und drücke ihn gut aus. Anschließend erhitze ich 2 EL Olivenöl und 2 EL Butter in einer großen Pfanne, gebe den Spinat und 2 fein gehackte Knoblauchzehen, etwas Salz und Pfeffer dazu. Sobald die Butter leicht bräunt, ziehe ich die Pfanne vom Herd und stelle einen Topf auf. Darin bereite ich eine Art Bechamel zu: Je 1 EL Butter und Mehl werden bei kleiner Hitze unter Rühren sämig geköchelt. Dann kommt nach und nach etwa 1/4 Liter warme Milch dazu. Nach etwa 10 Minuten Rühren sollte eine helle Creme entstanden sein. Die wird nun mit 30 g Parmesan, 1 guten Prise Muskat, Salz und Pfeffer abgeschmeckt. Den Spinat gebe ich jetzt in eine Auflaufform, beträufle ihn mit etwas Zitronensaft und verteile die Bechamelsauce darüber. Zum Schluss wird alles noch einmal mit Parmesan bestreut und kommt bei 200 Grad in den Ofen. Nach knapp 10 Minuten hat das Spinatgratin hübsche braune Flecken und sagt mir damit, dass es jetzt bereit ist, hingebungsvoll genossen zu werden – am liebsten mit ohne irgendetwas, einfach als warme Vorspeise.