„Ich habe geraucht“
Sie blühen und gedeihen im verborgenen und haben dennoch alles, was sie brauchen: Wind, Sonne und ständig jemanden, der sie liebevoll gießt. Der Weg in den Garten führt über einige Stockwerke eines Hauses im sechsten Wiener Bezirk, vorbei an den Wohnungstüren ehrbarer Bürger, auf ein mit Kies belegtes Plateau. Von dort sind es nur noch ein paar Sprossen auf der Feuerleiter. Ganz oben auf dem Dach sprießen die Pflanzen: indischer Hanf, Cannabis sativa, das von der Gesellschaft geächtete Teufelskraut.
In Töpfen, Kübeln oder einfach in mit Plastik umwickelten Erdhaufen werden die Pflanzen, die seit Jahrtausenden wegen ihres Gehaltes an Tetrahydrocannabinol (THC) zur Stimulanz oder Entspannung genutzt werden, in guten Sommern bis zu zwei Meter hoch, Wahrzeichen einer illegalen Landwirtschaft in der Großstadt. Die wenigen Stauden, die hier angebaut werden, reichen locker, um die urbanen Nebenerwerbsbauern wegen Suchtgiftbesitzes in die Mühlen der österreichischen Drogenpolitik geraten zu lassen: Strafen, regelmäßige Harnproben beim Amtsarzt, Therapien.
Ich habe 1968 Haschisch-Kekse gegessen, das war seinerzeit sehr beliebt. Irgendwie glaubte ich, stärker zu sein als das Haschisch. Nach einem halben Dutzend Kekse wurde es noch eine sehr interessante Nacht.
Publizist
Im Jänner wurde ein Vorarlberger Künstler, der auf einer Wiese 70 Marihuana-Pflanzen gezüchtet hatte, zu fünf Monaten bedingt verurteilt. Er sei "nicht süchtiger als jeder andere hier im Saal, der ein Auto fährt", sagte der "Drogenguru" ("Kronen Zeitung") vor Gericht. Die Blätter, kommentierte die "Krone" im Prozeßbericht, gelten als "Einstiegsdroge". Ein Innviertler Gärtner, der 85 Hanfsträucher gezogen hatte, wurde Mitte Juni zu einem Jahr Haft verurteilt. Er habe, rechtfertigte sich der Züchter vor dem Rieder Bezirksgericht, bloß Pflanzenschutzsubstrat aus den Blättern gewinnen wollen. 24 Setzlinge auf einem Balkon in Mattighofen genügten der Gendarmerie vor wenigen Tagen, um einen 23jährigen auf freiem Fuß anzuzeigen. Das Gras, so der Züchter, sollte ausschließlich den Eigenbedarf decken. Wenn einer der Wiener Hobbyzüchter etwas Gras eingesteckt hat, meidet er den Weg über die U-Bahn-Station Karlsplatz oder andere Wiener Drogenumschlagplätze. Dort angehalten und erfolgreich perlustriert zu werden bedeutet vor allem eines: Man gehört in den Augen der Polizei zur harten Drogenszene. "Bei mir haben sie einmal sogar mit dem Finger im Hintern gesucht", sagt Wolfgang, 21jähriger Student und Cannabis-Freund.
Bobby, Aktivist der grün-alternativen Jugendinitiative, klingt resigniert, wenn er über den Umgang der österreichischen Politik mit Cannabis und Marihuana spricht: "Es ist wie während der Alkoholprohibition in den USA, dabei tut es jeder, vom Hilfsarbeiter bis zum Professor." Der Jung-Grüne arbeitete früher bei "Inhale" (Initiative Haschisch Legal) mit, doch seit einiger Zeit läuft in der Vereinsarbeit nichts mehr - Anzeigenfluten und Hausdurchsuchungen haben Wirkung gezeigt.
Anfang der siebziger Jahre habe ich es fünf- oder sechsmal probiert, nur so aus Interesse. Beim letzten Mal gab mir jemand einen dicken Hammer, darauf hab' ich mich angeschissen, angebrunzt, angespieben und war stundenlang bewußtlos.
Cartoonist
Zuletzt hatte die grüne Jugendinitiative Ende 1992 auf Flugblättern "Fröhliche Highnachten" gewünscht und zu einer "Inhale-Party" unter dem Motto "Legalize Cannabis" in das mittlerweile geschlossene Wiener Szenelokal "Flex" geladen. Unterstützung gab es vom Piratensender "Psychoaktives Radio", der in der Sendung "Cannabis-Talk" Propaganda machte und, so einer der Beteiligten, versuchte, "eine Kiffer-Kultur in Österreich zu etablieren". Bürgermeister Helmut Zilk ("Ich bin empört") und beinahe das gesamte Rathaus rauchten vor Zorn. Selbst den Grünen war die Sache einigermaßen peinlich.
Farben, Gerüche, Geheimnisse
Die Legalisierung von Marihuana war profil schon ab den ersten Nummern ein regelmäßiges Anliegen; diese Ausgabe aus den neunziger Jahren orientierte sich dabei an einem legendären „Stern“-Cover („Wir haben abgetrieben“).
Wesentlich unauffälliger und ohne Politgetöse funktionierte eine Runde etablierter Journalisten und Adabeis im vergangenen Jahr auch das traditionelle Kanzlerfest zur "Inhale-Party" um. Im Garten von Schloß Altmannsdorf, dem Sitz des Renner-Institutes, unterhielten sich Franz Vranitzkys Gäste in einer Ecke des Parkes und ließen den Joint kreisen. Das Motto der Veranstaltung: "Farben, Gerüche, Geheimnisse".
Nach Ansicht von Christa Krammer, seit kurzem Gesundheitsministerin der Vranitzky-Regierung, muß den angetörnten Besuchern des Kanzlerfestes unverzüglich geholfen werden: "Wir wissen, daß es Cannabis-Konsumenten gibt, aber wir wissen nicht, wer diese Leute sind. Ab dem Moment, wo sie auffällig werden, sind sie gefährdet."
Was aber tun mit jener anonymen Masse, die bereits so keck geworden ist, im Regierungsumfeld die Selbstgedrehten kreisen zu lassen?
Sicher habe ich Haschisch schon probiert: Es vertieft Gefühle. Demnächst werde ich einen Artikel über die ,ökologischen und ökonomischen Perspektiven der Hanfproduktion` schreiben. Der letzte Satz könnte lauten: 'Und verboten ist das alles nur, weil es guttut.'
SJ-Vorsitzender
Die Debatte über ein liberaleres Suchtgiftgesetz glost seit Anfang der neunziger Jahre vor sich hin, ohne zu entflammen. Viele Ärzte, Drogenfachleute und Jugendberater, Experten allesamt, sind für die weitgehende Liberalisierung des Drogenkonsums: Freigabe von Haschisch und Marihuana, kontrollierte Abgabe harter Drogen an Süchtige, intensive Auseinandersetzung mit der Flut von synthetischen Designer-Drogen wie etwa "Extasy". Die Politiker betätigen sich als Konstrukteure einer Drogenpolitik, die der öffentlichen Meinung und dem Stammtisch im wahrsten Sinne des Wortes nachempfunden ist. "Wenn jemand einen sitzen hat, na gut", meint etwa Gesundheitsministerin Krammer, "das sieht unsere Gesellschaft so".
90 Prozent der Wiener Bevölkerung, die nie etwas mit Drogen zu tun hatten, stuften den Konsum von Haschisch oder Marihuana in einer Befragung des IFES-Institutes im Sommer 1993 als "besonders oder ziemlich gefährlich" ein. Alkohol dagegen, in "vernünftiger Menge" genossen, sei gesund - das glauben 61 Prozent. Bürgermeister Zilk und Gesundheitsstadtrat Sepp Rieder zogen ihre eigenen Schlüsse: "Die Wienerinnen und Wiener sind über die Gefährlichkeit der Drogen informiert." Die Stadt werde ihre Drogenpolitik daran orientieren.
Meine Experimentierphase liegt lange zurück. Es war in den sechziger Jahren, und ich bin nie über Haschisch hinausgekommen, das allerdings hat ja damals jeder gemacht. Ich hab' für mich erkannt, daß ich ohne das Zeug leben kann.
Popsängerin
Auch die geplante Novelle des Suchtgiftgesetzes ist diesem Geist verpflichtet. Dealer werden zwar härter bestraft und Süchtigen wird geholfen, so heißt es. Die Hilfe aber führt weiterhin über das Strafgesetzbuch. Immerhin, eine Erleichterung gibt es: Wenn jemand mit einer geringen Menge Suchtgift erwischt wird oder ein kleineres Begleit- oder Beschaffungsdelikt begangen hat, soll die Anzeige für eine bestimmte Frist zurückgelegt werden. Bisher lagen solche Entscheidungen im Ermessensspielraum des Richters. Über das Quantum der tolerierten Mengen wird noch gestritten - deutsche Verhältnisse, wonach 30 Gramm Haschisch in der Tasche akzeptiert werden, bleiben hierzulande mit Sicherheit tabu.
"Das Volk darf haschen", schrieb "Der Spiegel" im Mai dieses Jahres, als das Bundesverfassungsgericht feststellte, der Konsum von Cannabis sei ungefährlicher als bisher angenommen und daher "bei mäßigem Genuß" nur von geringem körperlichen Schaden.
Liberalen Zeiten sehen in Deutschland auch die Besitzer kleiner privater Hanfplantagen entgegen. Haschisch muß nicht mehr im Untergrund gedealt werden. Mit Inseraten, etwa im Satiremagazin "Titanic", bewerben Händler verschiedenste Samensorten. Bei "Global Import/Export" kann jeder "Cannabis aus Nepal" mailordern, bei "Hemp Pecker" in Wuppertal telefonisch anfordern. Zwar ist der Anbau von Hanf immer noch genehmigungspflichtig, der Verkauf der Samen aber erlaubt. Der Berliner Versand-Shop "Bham Bham Bhole", bestens mit Kifferzubehör von der Pfeife bis zur Waage ausgestattet, rät seinen Kunden unverhohlen: "Bestellen und abheben".
In Österreich wird am Prinzip der Anzeigen mit ihren sozialen Folgen und dem grundsätzlichen Verbot nicht gerüttelt. Ein 16-jähriger, das ist das Fazit der rechtlichen Lage, darf Alkohol in jeder gewünschten Menge konsumieren, macht sich aber durch den Genuß einer einzigen Haschisch-Zigarette strafbar.
Ich habe das erste Mal 1968 in New York gekifft. Hasch war damals die große Hippie-Droge, ein integrativer Akt der Subkultur. Der Feind war damals der Alkohol, das waren chauvinistische Schweine, die sich auf aggressive Weise den Schädel zugedröhnt haben.
Herausgeber
Auch der Medienkoffer "Drogen", der in den Schulen zum Einsatz kommt, vermittelt diese Botschaft. "Der Gebrauch von Cannabis kann zu denselben sozialen Folgen führen wie der Gebrauch sogenannter harter Drogen", heißt es dort kategorisch. ÖVP-Sicherheitssprecher Hubert Pirker will gar "Miami Vice" in den Schulen zur Aufführung kommen lassen: "Statt der Dilettanten, die derzeit Aufklärung betreiben, sollten Drogenfahnder in die Schulen gehen." Auch in der Ursachenforschung sind die ministeriellen Pädagogen von überkommenem Denken geprägt. In einem Video mit dem Titel "Flucht in die Droge" wird Oswald Kolles abgestandene Sexualaufklärung der sechziger und siebziger Jahre auf die Drogenpolitik der neunziger Jahre übertragen. Schulgiftler-Report, Teil 11?
Als Motiv für Drogenkonsum werden verständnislose Väter, die lieber fernsehen als dem Sohn zuhören, und frustrierte Mütter, die Töchtern den Tablettenmißbrauch vorexerzieren, ausgemacht. Das sind Klischees pur, die Wirklichkeit sieht oft anders aus - von Frust keine Spur. Max Koch, der Leiter des Wiener Integrationsfonds, konnte "besonders ruhig und konzentriert Schach spielen", wenn er - vor Jahren - öfter geraucht oder Hasch-Kekse gegessen hat. Ein anderer, der 21jährige Student Max, empfindet Marihuana, das ursprünglich als "Freundschaftsknüpfer" galt, "als Freizeitdroge, weil während der Prüfungszeit fang' ich damit nichts an". Gerhard, 27jähriger Techniker, schwärmt davon, "wie urgut ich Briefe schreiben kann, wenn ich eingeraucht bin".
Die potentielle Raucherszene ist im Lauf der Jahre vielschichtiger geworden, und keiner hat's gemerkt. Im Gegensatz zu Deutschland und der Schweiz hielt Österreich eine kontinuierliche Erforschung der sozialen Strukturen der Drogenszene nicht für notwendig. Die einzige regelmäßige Informationsquelle ist der Suchtgiftbericht des Innenministeriums, eine Auflistung von Drogendelikten. Im Vorjahr wertete Irmgard Eisenbach-Stangl vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Suchtgiftforschung die wenigen - meist lokal begrenzten - Studien über Drogenkonsumenten in Österreich aus. Ihr Ergebnis: 15 bis 20 Prozent aller Jugendlichen haben zumindest einmal Cannabis probiert. Regelmäßig greifen nur ein bis vier Prozent zu Drogen - der weitaus größte Teil davon dürften Haschisch-Raucher sein.
Selbstverständlich habe ich während meiner Schulzeit Haschisch geraucht. Es war damals einfacher, Haschisch zu kriegen als die Fragen der Mathematik-Schularbeit. Ich nehme an, daß sich das nicht geändert hat. Ich bin für die Freigabe von Haschisch und halte Drogenverbote insgesamt für sinnlos.
Bundessprecher der Grünen
Der vergangene Woche erschienene Suchtgiftbericht führt bloß Fahndungserfolge vor: 7913 Personen wurden 1993 wegen Delikten in Zusammenhang mit weichen Drogen angezeigt. "Bei Cannabiskraut", meldet der Report, "führte eine Steigerung der Zahl der Aufgriffe um etwa 50 Prozent zu einer Vervierfachung der sichergestellten Menge." In Zahlen: 423 Kilogramm Cannabis-Kraut und 122 Kilogramm Harz. Zum Leidwesen der einschlägigen Szene verpuffen diese kostbaren Stoffe der Glückseligkeit gemeinsam mit ordinären Problemstoffen in den Schloten der lokalen Müllverbrennungsanlagen.
Die Mitarbeiter der durch Süchtige überlasteten Drogenzentren wissen mit den ihnen zugewiesenen Haschisch-Konsumenten wenig anzufangen. "Das sind meistens ganz normale Jugendliche, die mit beiden Beinen fest am Boden stehen und sich überhaupt keiner Schuld bewußt sind, oder bürgerliche Leute, die mit Anzug, Kaschmirschal und Aktenkoffer vorbeischauen", sagt ein oberösterreichischer Drogenberater. "Die haben überhaupt kein Problem mit dem Kiffen und werden dazu verurteilt, sich betreuen zu lassen."
Ja, ich habe geraucht, das ist aber sehr lange her. Bei der Fußball-WM in München haben wir uns ein Match angesehen, dabei wurde ein Joint herumgereicht. Die anderen haben sich vor Lachen zerkugelt, bei mir hatte es aber keinerlei Effekt.
ORF-Moderator
Um Konsumenten weicher Drogen von den Umschlagplätzen für Heroin und anderen suchterzeugenden Stoffen fernzuhalten, brachte Harald Ettl, der in jüngeren Jahren selbst Haschisch versucht hatte, 1991 als Gesundheitsminister Hasch-Cafes nach Amsterdamer Vorbild in die Diskussion. "Haschisch ist harmlos, jedenfalls harmloser als Alkohol", sagt Ettl, Vorsitzender der Textilarbeitergewerkschaft, heute: "Von allen möglichen Trotteln werden harte und weiche Drogen in einen Topf geworfen. Jeder Schnösel meldet sich in der Diskussion zu Wort und behauptet, Haschisch sei die Einstiegsdroge." Solche Worte machen verständlich, daß viele Cannabis-Freunde nicht Ettl meinen, wenn sie über Politikverdrossenheit sprechen.
Auch Erwin Rasinger, Arzt und Ex-Gesundheitssprecher der ÖVP, sieht keinen einzigen medizinischen Grund für ein Verbot von Cannabis. "Einstiegsdrogen für härtere Sachen sind Alkohol und Nikotin." In einem eben erschienenen Buch über "Marihuana - die verbotene Medizin"1) legen zwei Harvard-Professoren die medizinischen Wirkungen der dämonisierten Droge dar: Das Kraut hilft, Schmerzen bei Chemotherapien und Aids-Folgeerkrankungen leichter zu ertragen, lindert Migräneanfälle, Menstruations- und Wehenschmerzen und verringert den Augendruck bei Grünem Star. "Eine Trendwende ist vollzogen", schreibt Ellis Huber, Präsident der Berliner Ärztekammer im Vorwort, "angestaubte Vorurteile haben ihre Kraft verloren." Dennoch: Das Stigma hält. Die Ideologie, durch die Haschisch Mitte der sechziger Jahre die Jugend der Mittelschicht eroberte, fällt auf die neue Konsumentengeneration zurück. Haschisch steht noch immer für Leistungsverweigerung, Flucht vor Verantwortung und ungebührlichen Protest.
Oberst Alfred Rupf, als Chef der Flughafenpolizei Schwechat vor allem mit Drogenschmuggel befaßt, hat für Haschisch-Raucher nur wenig Verständnis: "Obwohl Cannabis keine körperliche Abhängigkeit erzeugt, verblöden die Leute irgendwie, wenn sie ständig rauchen." Zu einem Kompromiß kann Rupf sich allerdings durchringen: Heroin sollte an Süchtige unter ärztlicher Kontrolle über Apotheken abgegeben werden. Mit der Freigabe von Cannabis kann sich der Polizist nicht anfreunden.
Ich habe es vor Jahren in den USA ein einziges Mal probiert. Geschafft habe ich aber nicht einmal einen Zug. Dann bekam ich einen Hustenkrampf.
Schauspieler
Die frühere FPÖ-Politikerin Kriemhild Trattnig sieht in der Droge Haschisch gar eine familienzersetzende Substanz, weil sie "impotent" mache. Der derzeitige Drogenexperte der Freiheitlichen, Hilmar Kabas, glaubt die "Rufe der 68er Generation - Legalize Cannabis" zu hören. Günter Pernhaupt, Psychiater und Leiter eines Rehabilitationszentrums für Drogenkranke, hält Cannabis für eine "Aussteigerdroge": "Jugendliche, die Haschisch rauchen, tun nichts anderes als träumen. Sie verschlafen die wichtigsten Jahre ihrer Entwicklung." Nur vereinzelt werden in der Politik Rufe nach der Legalisierung des Konsums weicher Drogen wie Haschisch und Marihuana laut. Als die Tiroler Gesundheitslandesrätin Elisabeth Zanon (ÖVP) die Freigabe von Cannabis-Produkten forderte, fuhr ihr die heilige "Tiroler Tageszeitung" über den Mund: Liberalisierungen a la Holland oder Deutschland seien "eine Art Notstandshandlung, in Tirol sind wir Gott sei Dank noch nicht so weit".
Tirols SP-Chef Herbert Prock ist neben dem SJ-Vorsitzenden Karl Delfs der einzige Sozialdemokrat, der die Forderung nach Freigabe weicher Drogen erhebt. Delfs geht noch einen Schritt weiter und schlägt, obwohl er sich dabei in der Partei "wahnsinnig schwertut", die kontrollierte Abgabe harter Drogen an Süchtige vor: "Der Staat müßte der Dealer sein." Seinen Bundesgeschäftsführer, Ex-Juso Josef Cap, kümmern solche Vorstöße nicht: "Wer ist schon der Delfs?" Knapp drei Monate vor den Nationalratswahlen stellt Cap - "Ich habe noch nie geraucht und bin überhaupt gegen Drogen" - klipp und klar fest, daß es von seiner Partei keine Initiative in Richtung Legalisierung geben werde.
Mit 18 habe ich es probiert, aber mir ist schon nach einem Zug schlecht geworden. Es war ein eher negatives Erlebnis - wie eine starke Zigarette.
Schlagersängerin
Auch die Parlamentsgrünen tun sich mit dem Thema schwer. Eine Parteilinie ist nicht sichtbar. Abgeordnete Terezija Stoisits vermutet, "daß wir mehrheitlich für eine Legalisierung sind, Beschluß gibt es aber keinen". Heide Schmidts Liberales Forum, die einzige Partei, die in ihrem Parteiprogramm für die Straffreiheit des Konsums "gesundheitsgefährdender Genußmittel" eintritt, hat sich im Wahlkampf in Sachen Hasch-Freigabe selbst Sprechverbot verordnet. Beppo Mauhart, Chef der Austria Tabakwerke, deren Produkte im 19. Jahrhundert geringe Mengen Cannabis enthielten, tut sich - nachdem er im Herbst nicht zur Wahl steht - wesentlich leichter. Mauhart, der Haschisch noch nie ausprobiert hat, hält den "Kampf gegen die Droge längst für verloren". Er plädiert für "eine Einrichtung, die mit öffentlicher Kontrolle ordentliche Produkte herstellt und verteilt. Das soll eine staatliche Einrichtung sein, die für ein sauberes, faires Angebot sorgt, für Betreuung und Information." Eines aber ist ihm an dieser Idee wichtig: Ein Hasch-Monopol wolle er damit nicht etablieren. Mauhart: "Das ist ein seriöser Vorschlag."
Angst kennzeichnet die wolkige Auseinandersetzung mit den Joints und Keksen - nicht nur die Furcht vor den gefestigten Vorurteilen der Wähler, sondern auch Ungewißheit. FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger, Verfechter einer rigorosen Drogenpolitik, zeigt mächtigen Respekt vor der "Einstiegsdroge" Marihuana: "Ich würde schon gerne wissen, was man dabei empfindet, nur ich trau' mich nicht, weil ich so labil bin. Wer weiß, vielleicht würde es mir gefallen?"
Ich habe mich nicht oft eingeraucht. Ich habe es auch aus Neugierde getan und um mich zu entspannen. In der SPÖ, einer Partei, die traditionell alkoholdurchseucht ist, wird so etwas natürlich als großes Tabu betrachtet.
Soziologe
Aus dem Archiv (profil 29/1994)