Maria Theresia
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Maria Theresia: Die dunklen Seiten der Monarchin

Depressionen, Deportationen, harter Antisemitismus und raffinierte PR-Inszenierungen: Die abgründigen Seiten der Maria Theresia, die das Ronacher-Musical ausblendet.

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Wenn die Habsburg-Spezialistin Katrin Unterreiner die Psyche der ersten und letzten Herrscherin der Habsburg-Monarchie beschreibt, dann verwendet sie Begriffe wie „Meisterin der Selbstinszenierung“ und „manipulativ hoch begabte PR-Strategin“, deren „außergewöhnliche Menschenkenntnis“ und „große Intuition“ sie in einem Schleudersitz von Thron in einem ausgebluteten Land überleben ließen. Diese Ansicht teilt auch der deutsche Historiker und Biograf der Kaiserin, Thomas Lau: „Maria Theresia war eine kalte Ingenieurin der Macht, aber auch die vermeintlich schwache Frau – je nach Bedarf spielte sie die Rolle der schüchternen Schülerin, der schutzbedürftigen Mutter oder der häuslichen Ehefrau.“ Maria Theresias Fähigkeit, sich zu inszenieren und das passende Rollenregister zur jeweiligen Situationen zu zücken, war „tatsächlich in dieser Form einzigartig. Sie war eine extrem starke Persönlichkeit mit großem Selbstbewusstsein“, so Unterreiner, „obwohl sie in ihrer Erziehung in keiner Weise auf ihre spätere Aufgabe vorbereitet worden war.“

Maria Theresia (1717-1780) wuchs auf, wie es sich für eine Prinzessin gehörte, deren einzige Aufgabe es einmal sein sollte, zu heiraten: „Die einzige Erklärung für Kaiser Karls Versagen, seine Tochter für ihre spätere Position aufzubauen, ist sein überraschender Tod: Er starb mit 55 Jahren,  vermutlich an einer Pilzvergiftung, und hatte vielleicht noch insgeheim mit der rechtzeitigen Geburt eines Sohns gerechnet“, erklärt Unterreiner.Die Kunsthistorikerin und Autorin historischer Bücher fungierte als wissenschaftliche Beraterin für das bombastische neue Musical „Maria Theresia“ (ab 10. Oktober) im Wiener Ronacher, in dem die Niederländerin Nienke Latten die Titelheldin spielt: „Das Musical ist keine weichgespülte Darstellung der Kaiserin, das war mir wichtig, sonst hätte ich mich auch nicht zur Verfügung gestellt.“Der Sprung ins kalte Wasser, als Mutter von bereits drei Kindern  mit 23 Jahren den Thron eines durch den spanischen Erbfolgekrieg stark geschwächten Reichs übernehmen zu müssen, ist auch der zentrale Ausgangspunkt für das Musical.Das erzählerische Rückgrat des Stückes, so Intendant Christian Struppeck auf profil-Anfrage, liege auf „dem persönlichen und politischen Reifungsprozess der Kaiserin: der Aufstieg in einer von Männern dominierten Welt, die Spannungen zwischen Pflicht und Gefühl, zwischen Macht und Menschlichkeit“.

Im Zentrum stehe eben nicht das Denkmalbild der gestandenen Monarchin, „sondern die junge Frau, die plötzlich zur Herrscherin wird – voller Zweifel, Entschlossenheit und Mut“. Das Buch schrieb Thomas Kahry, Autor des Erfolgsstücks „Spatz und Engel“, der die Monarchin als „Heldin und Identifikationsfigur“  zeigen will,  „aber natürlich stellen wir sie freigeistiger und aufgeklärter dar, als es im historischen Kontext überhaupt möglich war.“Regisseur Alex Balga ergänzt: „Historische Klischees werden aufgebrochen, um eine vielschichtige, glaubwürdige Figur zu zeigen, aber auch eine Herrscherin, die Schwächen, Zweifel und Konflikte hat.“Struppeck, der  mit dem Habsburger-Stoff wohl an den Erfolg des Hit-Musicals „Elisabeth“ anschließen möchte, entwickelte das Projekt „in einem intensiven Prozess“ über mehrere Jahre, „begleitet von Workshops und wissenschaftlicher Beratung“.

Und wie ging man  mit den dunklen Seiten der machtgetriebenen Monarchin um? Deren (teils historisch verklärten)  Reputation als Reformherrscherin stehen ein grausamer Antisemitismus, Deportationen von Andersgläubigen, die Legitimierung von Foltermethoden wie Daumenschrauben und Streckungen, sowie eine gnadenlose Heiratspolitik, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse ihrer Kinder, gegenüber.

Das Musical spare diese Aspekte nicht aus, meint Struppeck gegenüber profil: „Es zeigt Maria Theresias autoritäre Züge und ihren religiösen Fanatismus, aber diese Themen stehen nicht im Mittelpunkt der Handlung. Wir haben sie aber bewusst thematisiert, um die Kaiserin auch kritisch zu beleuchten, ohne sie zu verharmlosen. Ziel ist eine ehrliche Darstellung, die sich nicht in Verklärung verliert, aber auch nicht in einseitiger Anprangerung.“Zur Einstimmung: ein Glossar über skurrile, intime und auch grausame Facetten der Kaiserin. Den abschließenden  Seufzer, den Maria Theresia anlässlich ihres Regierungsantritts 1740 nach einer ersten Kabinettssitzung tat, kann man auf ihr gesamtes Leben anwenden: „Di(e)s ist ein hartes Metier!“

Angelika Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort