Vor nicht ganz 46 Jahren wurde er in Linz geboren, er ging in Linz zur Schule und hat auch hier studiert, das sogenannte „Wöginger-Risiko“ (Konversion zu den Grünen) mussten seine Eltern also nicht eingehen. Während der Uni engagierte er sich im CV und begann nach dem Studium sofort für die ÖVP zu arbeiten, erst in der Stadt, dann im Land. Er wurde Landesgeschäftsführer, später Soziallandesrat. Wie eng er mit seinem Landeshauptmann ist, erkennt man an einem Foto, das Thomas Stelzer nur wenige Stunden nach der Geburt des zweiten Kindes von Familie Hattmannsdorfer im Krankenhaus zeigt. Das Foto erschien in den „OÖN“, und dass der glückliche Vater darauf bereits in der Business-Panier zu sehen ist, während seine Frau erschöpft im Wochenbetthemd steckt, ist nicht das Weirdeste an der Aufnahme.
Wir löffeln uns durch unsere Frittatensuppen (sechs Euro) und reden über Hattmannsdorfers Politikverständnis. Er meint, dass die Dreierkoalition im Großen und Ganzen gut funktioniert, dass es aber mühsamer sei, sich mit zwei Partnern zu koordinieren, als in Linz, wo die ÖVP die Mehrheit in der Landesregierung hat. Er meint, dass ein Politiker immer eine „Homebase“ haben sollte und die Verankerung zur Bevölkerung braucht. „Ich bin kein Politiker, der nur den 1. Bezirk im Auge hat. Da läufst du Gefahr, dass du zu sehr in Wiener Netzwerken hängst. Das wäre ein Fehler, die Wertschöpfung in Österreich passiert nämlich außerhalb von Wien“, sagt er. Er sei zwar jetzt Minister, seine „Homebase“ sei aber weiterhin Linz: Wenn er keine Abendtermine hat, lässt er sich von seinem Chauffeur nach Büroschluss nach Linz bringen und am nächsten Tag zurück, die Entfernung sei vernachlässigbar, meint er. Landtagsabgeordnete aus dem westlichen Oberösterreich haben eine weitere Anreise zum Arbeitsplatz als er. Außerdem arbeite er gerne vom Auto aus: „Ich glaube, wir haben mehr Mitarbeiterbesprechungen via Skype als im Besprechungszimmer.“ Das werden die Freunde flexiblerer Arbeitsmodelle gerne hören.
Wir reden über das Problem der ÖVP in Städten, Hattmannsdorfer, der fünf Jahre im Linzer Gemeinderat saß, sagt, dass sich die Volkspartei immer schon schwergetan habe, dass man mit den richtigen Personen etwas machen könne. Wie es sich für einen Landespolitiker gehört, schimpft er ein bisschen über Wien. „Ich war im Parlament richtig schockiert von der Stimmung, das Wiener Parkett ist so viel ideologischer als anderswo“, sagt er zum Beispiel. Oder dass sich „die Wiener Politikszene mit zu vielen Dingen beschäftigt, die die Menschen gar nicht interessiert. Außerhalb des 1. Bezirks kriegen die Leute die Themen gar nicht mit.“ Es werde zu viel gestritten, zu viel polemisiert, dadurch werde der Kompromiss oft unmöglich, aber genau den brauche das Land.
Okay, das sind alles in allem keine besonders neuen Sätze, und je länger wir über den Unterschied zwischen Wien und Linz reden, desto mehr frage ich mich, wie dieser Termin wohl in Wien verlaufen wäre. Aber Hattmannsdorfer ist ein sympathischer Mensch und ein lustiger Erzähler. Er arbeitet dabei viel mit den Händen, und vor allem sucht er ständig Augenkontakt, was ihm eine gewisse Bodenständigkeit gibt. Damit bringt er selbst Inhalte mit beschränktem Inhalt charmant an den Mann, und wenn er Dinge erzählt, die durchaus Inhalt haben, vor allem ÖVP-intern, sagt er sehr viel schneller „off records“ dazu, als andere Oberösterreicher „goi“ sagen können.
Wahrscheinlich erklärt das ganz gut, warum Hattmannsdorfer innerhalb kürzester Zeit vom unbekannten Soziallandesrat zum potenziellen ÖVP-Chef aufgestiegen ist. Tatsächlich hatten ihn im Jänner, nach Karl Nehammers Rücktritt, einige Medien als potenziellen Vizekanzler unter Herbert Kickl auf dem Zettel – zu der Zeit war er gerade einmal ein paar Wochen Nationalratsabgeordneter und Generalsekretär der Wirtschaftskammer. „Ich hatte damit nichts zu tun“, sagt er, die Gerüchte seien nicht von ihm ausgegangen. Woran er sich übrigens noch gut erinnern kann, ist eine Schlagzeile aus Wolfgang Fellners „Österreich“: „,Hattmanns-Wer‘ hat der Fellner damals in einem Kommentar geschrieben.“
Das würde er wohl heute nicht mehr. Vor allem nicht, wenn er ihn einmal in Linz trifft.
Die letzten 90 Minuten unseres Gesprächs sitzt übrigens der Eigentümer des „Pianino“ mit am Tisch. Harald Katzmayr ist nicht nur langjähriger Szenegastronom in Linz, sondern auch Mitglied des Gemeinderats – für die SPÖ. Als wir gehen, meint Katzmayr, dass Hattmannsdorfer für ihn so etwas wie „der JFK von Linz“ ist. Ich frage zurück, wer denn dann die Marilyn Monroe von Linz sei. Und das ist das erste Mal, dass Wolfgang Hattmannsdorfer bei diesem Termin leicht verlegen wirkt. Wahrscheinlich, weil der Vergleich auch für ihn zu absurd ist.