
Das Porträt eines Mannes mit Bart vor einem dunklen Hintergrund.
© APA/HANS KLAUS TECHT
Das Porträt eines Mannes mit Bart vor einem dunklen Hintergrund.
Signa: Der Prozess des Jahres startet
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Donnerstag ist normalerweise der Tag, an dem Häftlinge innerhalb Österreichs in andere Haftanstalten überstellt werden. Der sogenannte „Häfenexpress“ plant gerade seine Tour für diese und die kommende Woche. Das Justizministerium hat eben erst einen neuen, dunkelblauen Bus bekommen, in dem 27 Häftlinge sicher transportiert werden können – Klo inklusive, man kann ja nicht einfach bei einer Tankstelle stehen bleiben. In diesem Bus wurde diese Woche der Schauspieler Florian Teichtmeister von der Justizanstalt Innsbruck nach Wien verlegt.
Der prominenteste U-Häftling Österreichs muss derweil in die andere Richtung. Am 14. Oktober beginnt am Landesgericht in Innsbruck der erste Prozess gegen den gefallenen Immobilien-Jongleur und Signa-Gründer René Benko. Gemessen am Milliarden-Schaden, den die Signa-Pleite und René Benkos Privatkonkurs als Unternehmer verursacht haben, wird in Innsbruck vorerst über Kleingeld verhandelt. Es geht in Summe um 660.000 Euro, die Benko mutmaßlich kurz vor seiner Pleite vor seinen Gläubigern in Sicherheit gebracht haben soll. Er selbst hat die Vorwürfe stets bestritten. Ob er schuldig ist oder nicht, muss jetzt das Gericht klären. Der Andrang und das öffentliche Interesse sind jedenfalls massiv.
René Benko fuhr nicht mit dem „Häfenexpress“ nach Innsbruck, sondern in einem eigenen Transporter. Still und leise, ohne Aufsehen zu erregen. Eigentlich sollte Benko erst am Montag, den 13. Oktober, also einen Tag vor Prozessbeginn, nach Innsbruck gebracht werden. Benko sitzt aber schon seit Anfang der Woche in der Innsbrucker Justizanstalt und wartet dort auf seine Verhandlung. Von der Überstellung Benkos gibt es keine Fotos, keine Paparazzi warteten entlang der Route – und auch sonst niemand, der Benkos Sicherheit oder die der Justizwachbeamten hätte gefährden können.
Die Routenplanung war eine knifflige Angelegenheit für die Justizwachebeamten, sie mussten einige Umwege fahren. Über das Kleine Deutsche Eck wäre die kürzeste Variante gewesen, aber da auch die deutsche Justiz Benko habhaft werden will, war das keine Option. Auch an Italien sollte man besser nicht anstreifen, dort wurde ein internationaler Haftbefehl gegen Benko erlassen. Also nahm man eben die längere Route auf ausschließlich österreichischen Straßen. Man will in Österreich selbst gegen Benko verhandeln. Immerhin geht es um die größte Wirtschaftspleite der Zweiten Republik.
Innsbruck hat sich auf den Promi-Prozess gut vorbereitet. Soweit das eben geht, denn der Andrang auch internationaler Medien ist enorm. Eigentlich ist das Innsbrucker Landesgericht auf solche Megaprozesse nicht unbedingt eingestellt – darum hat man auch ein eigenes Sicherheitskonzept erarbeitet. Es gab deutlich mehr Akkreditierungen als Plätze im Schwurgerichtssaal. Dort haben 60 Menschen Platz – 40 davon sind für Medien vorgesehen. Der Rest für Zeugen, den Angeklagten und seine Verteidiger. Weil davon auszugehen ist, dass etliche weitere Medien mit Kameras vor dem Saal, im und um das Gebäude lauern werden, wird es laut Landesgericht auch dort erhöhte Polizeipräsenz geben. Auch auf spontane Demonstrationen ist man vorbereitet. profil wird vor Ort im Schwurgerichtssaal sein und laufend berichten. Die Verhandlung beginnt am Dienstag um neun Uhr und ist bis 18 Uhr angesetzt – an Tag zwei soll sogar bis 20 Uhr verhandelt werden. Acht Zeugen sind geladen. Darunter Benkos Mutter und seine Schwester, die als Angehörige aber nicht gegen ihn aussagen müssen. Dazu noch ehemalige, hochrangige Signa-Manager und Finanzverantwortliche. Und ehemalige Mitarbeiter, die Einblicke in die Geldgebarung der zahlreichen Gesellschaften hatten.
Zurück in die Heimat
René Benko wurde ohne jeden Medienrummel vor einigen Tagen von Wien in die Justizanstalt Innsbruck überstellt. Weil in Deutschland ein Haftbefehl gegen ihn vorliegt, nahm sein Transport den Umweg über Österreichs alpine Straßen, statt über das Kleine Deutsche Eck zu fahren.
Wenn Benko nach dem ersten Prozesstag in die Justizanstalt Innsbruck zurückkehrt, wird das reguläre Abendessen eigentlich schon vorbei sein. Man wird ihm aber wohl etwas aufheben, damit er nicht hungrig zu Bett gehen muss. Die Haftanstalt ist ja mittlerweile auf Promi-Häftlinge eingestellt. Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser sitzt dort gerade seine Strafe ab. Und auch der Schauspieler Florian Teichtmeister verbrachte hier einige Tage hinter Gefängnismauern, der nach einem Kinderpornografie-Drogenskandal fröhlich Fotos vom Oktoberfest postete. Nach einer Polizeikontrolle fand man bei ihm Kokain – ein Verstoß gegen die Bewährungsauflagen. Und dann war in Innsbruck zuletzt auch noch ein gewisser Jimi Blue Ochsenknecht, der sich vor Gericht verantworten musste. Er soll ein Tiroler Hotel um 14.000 Euro geprellt haben und kam mit einer Geldstrafe davon.
Was wirft die Justiz René Benko konkret vor?
In dieser ersten Anklage geht es um den Vorwurf der betrügerischen Krida. Sollte er schuldig gesprochen werden, drohen ihm ein bis zehn Jahre Freiheitsentzug. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist überzeugt, dass Benko – kurz zusammengefasst – vor der Pleite versucht haben könnte, Geld beiseite zu schaffen und es so vor dem Zugriff seiner Gläubiger in Sicherheit zu bringen. „Unter dem Eindruck zunehmender Zahlungsschwierigkeiten und einer für ihn spätestens ab Herbst absehbaren Konkurseröffnung fasste der Angeklagte den Entschluss, Vermögenswerte dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen, indem er sie unter anderem in die Verfügungsgewalt seiner Mutter, Ingeborg Benko, oder in die Verfügungsgewalt von Gesellschaften und Privatstiftungen (ua Laura Privatstiftung) verschob, von denen er selbst unmittelbar oder mittelbar profitierte und deren offiziell Begünstigte Ingeborg Benko und seine ehelichen Kinder sind“, steht in etwas sperrigem Juristendeutsch in der Anklage, die profil vorliegt.
Im Zentrum steht eine mehr als ungewöhnliche Mietvorauszahlung von 360.000 Euro und eine 300.000 Euro schwere Überweisung an die eigene Mutter, und zwar ausgerechnet am Tag der Signa-Pleite. Es geht also um insgesamt 660.000 Euro. Vorweg: Benko bestreitet die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.
„Unter dem Eindruck zunehmender Zahlungsschwierigkeiten und einer für ihn spätestens ab Herbst absehbaren Konkurseröffnung fasste der Angeklagte den Entschluss, Vermögenswerte dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen, indem er sie unter anderem in die Verfügungsgewalt seiner Mutter, Ingeborg Benko, oder in die Verfügungsgewalt von Gesellschaften und Privatstiftungen (ua Laura Privatstiftung) verschob, von denen er selbst unmittelbar oder mittelbar profitierte und deren offiziell Begünstigte Ingeborg Benko und seine ehelichen Kinder sind.“
aus der Anklageschrift der WKStA
Jetzt wird es kompliziert: Die Familie Benko bewohnt(e) in Innsbruck gleich zwei wunderschöne Immobilien. Die Villa im südlichen Stadtteil Igls – und eine Villa auf der Hungerburg, quasi auf der Nordseite des Tals. Keine dieser Immobilien gehört laut Grundbuch Benko selbst oder seiner Ehefrau Nathalie. Typisch für Benko. Bei Signa hatte er offiziell keine gesellschaftsrechtliche Funktion, privat besitzt er selbst kaum etwas und auch in keiner der Familienstiftungen ist er direkt begünstigt. Eigentümerin der Immobilie auf der Hungerburg ist die RB Immobilienverwaltungs GmbH & Co KG. Die gehört wiederum der RB Immobilienverwaltungs GmbH, die mehrheitlich der Laura Privatstiftung zugerechnet wird. Das ist jene Familienstiftung, in der noch ein beachtliches Vermögen liegen soll und deren Begünstigte Mama Ingeborg Benko ist.
Jedenfalls haben die Benkos am 6. Oktober 2023 die Miete für gleich vier Jahre vorausgezahlt. Die WKStA zeichnet in ihrer Anklage die Geldflüsse rundherum penibel nach:
Am 5. Oktober 2023 lässt die Laura Privatstiftung Benko eine halbe Million Euro zukommen. Am 6. Oktober überweist Benko 360.000 Euro auf das Konto der RB Immobilienverwaltungs GmbH und Co KG. Am 10. Oktober 2023 überweist die Immobilienverwaltungs GmbH und Co KG 340.000 Euro an deren Gesellschaftsmutter Immobilienverwaltungs GmbH. Wenig später überweist wiederum die Immobilienverwaltungs GmbH 300.000 Euro an die Laura Privatstiftung.
Die Ermittler vermuten, dass dieses Geld im Kreis geschickt wurde und wieder in der Sphäre der Laura-Stiftung landete, wodurch Benkos Gläubiger um diese Summe geschädigt worden sein sollen. Denn einen Zugriff auf das Geld der Familienstiftung, deren Begünstigter Benko ja offiziell nicht ist, hat der Masseverwalter bisher nicht.
Schmankerl am Rande: Das Haus, für welches die Miete im Voraus bezahlt wurde, war zum damaligen Zeitpunkt gar nicht bewohnbar, weil es wegen einer Hangrutschung und einem daraus entstandenen Wasserschaden saniert werden musste. Die Benkos sind tatsächlich erst um den Jahreswechsel 2024/25 eingezogen. Kurz nach diesem Umzug wurde Benko verhaftet und lebt seitdem in einer Zehn-Quadratmeter-Zelle in Wien-Josefstadt, die er kaum verlässt. Er hat auf andere Mitbewohner auch nur wenig Lust, wie man hört. Alle Anträge seiner Anwälte, ihn aus der U-Haft zu entlassen, wurden bisher vom Gericht abgelehnt.
Am kommenden Mittwoch und Donnerstag muss Benko auch eine zweite Zahlung erklären. Am 29. November 2023 überwies er 300.000 Euro an seine Mutter, tituliert als Rückzahlung eines Darlehens. Zufall oder nicht: Es war just jener Tag, an dem die Signa Holding, die Dachgesellschaft der Gruppe, Insolvenz anmeldete und mit über fünf Milliarden Euro Passiva die bis dato größte Firmenpleite in Österreichs Wirtschaftsgeschichte verursachte. Danach rutschte eine Signa-Gesellschaft nach der anderen in die Pleite.
Interessant ist auch, dass Benko kurz davor von seiner Mutter 1,5 Millionen Euro überwiesen bekam, für die es laut Ermittlern auch eine Schenkungsurkunde gab. Deshalb vermutet die WKStA, dass dieses Geld kein Darlehen war – und die 300.000 Euro auch keine Rückzahlung darstellen. Wieso gibt Benko einen Teil des Geldes, das er kurz zuvor von seiner Mutter bekommt, an diese wieder zurück? Warum tut er das zu einem Zeitpunkt, als bei Signa alles wie ein Kartenhaus zusammenzubrechen beginnt und er eigentlich einen massiven Geldbedarf hat? Immerhin sicherte er Ende 2023 zu, eigenes Geld für die damals noch geplante Sanierung von Signa zuzuschießen. Wieso gibt er also ganz ohne Not 300.000 Euro zurück, anstatt das Geld zu behalten und für die Tilgung von anderen, absehbaren Forderungen zu verwenden?
Dieser erste Prozess ist nicht nur für Schaulustige und Medien, sondern vor allem für Benkos Gläubiger und seinen Masseverwalter, Andreas Grabenweger, von besonderem Interesse. In der Aufklärung der spektakulärsten Pleite der Republik wird man aber auch danach erst ein kleines Stück weiter sein. Die WKStA ermittelt in insgesamt 14 Sachverhaltssträngen. Und zwar nicht nur gegen Benko, sondern auch gegen andere hochrangige Signa-Manager, profil berichtete ausführlich.

Opening The Bank Bar Restaurant
© Andreas Tischler / picturedesk.com/Andreas Tischler/picturedesk.com
Opening The Bank Bar Restaurant
Gute Zeiten, schlechte Zeiten
Ein Bild aus besseren Tagen: Nathalie und René Benko bei der Eröffnung von "The Bank Bar" 2016 im Luxushotel Park Hyatt.
Was in Innsbruck noch nicht verhandelt wird, ist die zweite Anklage, die Benko und seine Ehefrau betrifft. Diese ist nämlich noch nicht rechtskräftig, weil die Verteidigung dagegen Einspruch erhoben hat. Sie liegt profil vor. Laut Ermittlern sollen die Benkos einen Tresor – versteckt hinter Weinkartons und Klopapier – bei Verwandten von Frau Benko deponiert haben und dort 120.000 Euro in bar, elf Luxusuhren, vier Manschettenknöpfe und sieben Luxusringe aufbewahrt haben. Diese Wertgegenstände finden sich aber nicht auf jener Vermögensliste, die Benko seinem Masseverwalter übergeben hat. Weil sie ihm gar nicht gehörten, sagte Benko vor den Ermittlern aus. Die sehen das anders. In der Anklageschrift steht: „In Hinblick auf die absehbare Insolvenz und die damit einhergehende Verwertung des Vermögens des Erstangeklagten fassten er und die Zweitangeklagte zu einem nicht näher feststellbaren, vermutlich Anfang 2024 liegenden Zeitpunkt den Entschluss, einige besonders wertvolle und besonders geschätzte Vermögensstücke des Erstangeklagten sowie Bargeld dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen, außerhalb ihres eigenen Wohnhauses zu verbergen und derart „in Sicherheit zu bringen“.“ Außerdem soll der Safe laut den Ermittlern genau an jenem Tag angeschafft worden sein, an dem Benko seinen Antrag auf Privatinsolvenz als Unternehmer einbrachte, nämlich am 6. März 2024.
Seinen Gläubigern soll dadurch ein Schaden von 368.817 Euro entstanden sein. Die WKStA wirft Benko auch hier betrügerische Krida vor, seiner Frau Nathalie betrügerische Krida als Beteiligte. In beiden Fällen gilt vollumfänglich die Unschuldsvermutung und ob schuldig oder nicht, werden die Gerichte klären. Frau Benko wollte sich nach einer profil-Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern.
Die Gerichte müssen nun über die Einsprüche der Beschuldigten entscheiden. Sollten sie die Einsprüche abschmettern, müssen den Prozessparteien mindestens acht Tage zur Prozessvorbereitung zur Verfügung gestellt werden.
Benko wird von ehemaligen Weggefährten und Mitarbeitern als ein besonders schnell denkender Mensch beschrieben. In früheren Zeiten reichten ihm acht Tage schon mal, um Milliarden-Deals für die Signa einzufädeln.

Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil und seit 2025 auch Herausgeberin des Magazins. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.