Ein Archivbild, auf dem René Benko auf dem Weg zu einem Untersuchungsausschuss zu sehen ist

Benko: U-Haft verlängert – Masseverwalter klagt INGBE-Familienstiftung auf 15 Millionen Euro

René Benko bleibt in U-Haft. Abseits davon gerät nun auch die Liechtensteiner Familienstiftung INGBE ins Visier: Der Signa-Masseverwalter will 15,2 Millionen Euro zurück und erhebt schwere Vorwürfe.

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René Benko bleibt weiterhin in Untersuchungshaft. Das hat das Landesgericht für Strafsachen in Wien am Mittwochnachmittag entschieden. Das Gericht geht weiterhin von dringendem Tatverdacht aus, ebenso vom Vorliegen des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr und Verhältnismäßigkeit“, heißt es in der Begründung. Seit Anfang August steht fest, dass sich Benko demnächst vor Gericht verantworten muss. Seit Mittwochnachmittag ist auch bekannt, dass dieser Prozess in Innsbruck stattfinden wird – und nicht in Wien, wie von den Anwälten des Signa-Gründers gefordert. Benko wird vorgeworfen, kurz vor seiner Insolvenz als Einzelunternehmer Vermögen dem Zugriff seiner Gläubiger entzogen zu haben. Er selbst hat alle Vorwürfe stets bestritten. Demnächst könnte bereits eine nächste Anklage folgen. Wie der „Standard“ am Mittwoch berichtete, hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) einen weiteren sogenannten Vorhabensbericht an die Oberbehörden übermittelt. Doch auch abseits der strafrechtlichen Ebene ziehen im Benko-Reich dunkle Wolken auf.

Im Fokus steht eine der beiden wichtigsten Familienstiftungen: die INGBE mit Sitz in Liechtenstein, benannt nach Benkos Mutter Ingeborg. In der INGBE und in der Laura Privatstiftung werden bis heute zentrale Vermögenswerte von René Benko vermutet.  Zudem soll die INGBE deutlich stärker bei der Haupt-Immobiliensparte der Signa-Gruppe, der Signa Prime Selection, involviert gewesen sein als bisher angenommen. Das ergibt sich zumindest aus einer Klage des Masseverwalters der Signa Prime.

Die beiden beklagten Parteien – die INGBE Stiftung und die liechtensteinische Firma einer wichtigen Signa-Investorenfamilie – sollen darüber informiert gewesen sein, wie aus der Klage hervorgeht: „Bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung wäre die Bedienung von Verbindlichkeiten ab 31.03.2022 hingegen nicht mehr möglich gewesen. Dies war den beklagten Parteien, die umfassenden Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse der Signa-Gruppe und insbesondere der SPS hatten, auch bekannt.“ Ein zentrales Element der Klage ist ein Kreditvertrag vom 30. Januar 2023 über 150 Millionen Euro. Die Kreditgeber: INGBE und Ameria. Offizieller Kreditnehmer: die Signa Prime Assets GmbH (SPA GmbH), eine 100-prozentige Tochter der Signa Prime. Doch laut Klage hatte die SPA GmbH – zu deren Vermögen unter anderem das „Meinl-Haus“ in Wien und das „Apple Haus“ in Wien zählten – das Geld gar nicht nötig. Die SPA soll lediglich als „Vehikel“ oder „Durchlaufposten“ gedient haben, um das Geld direkt an die bereits angeschlagene Muttergesellschaft SPS weiterzuleiten.

Dieses Vorgehen stellt laut Klage einen klaren Verstoß gegen das gesetzliche Verbot der Einlagenrückgewähr dar. Es soll dazu gedient haben, das Risiko einer späteren Insolvenzanfechtung zu minimieren. Als „Sicherheit“ für den Kredit verpfändete die SPS ihre gesamten Geschäftsanteile an der SPA GmbH. Das sei eine „übermäßige Besicherung“ der (mittelbaren) Anteilseigner gewesen, die andere Gläubiger benachteiligt habe. Ihnen sei so der Zugriff auf besonders werthaltige Vermögenswerte verwehrt worden.

Wörtlich heißt es in der Klage: „Die Verpfändung der Geschäftsanteile an die INGBE diente ausschließlich dem Zweck, diese werthaltigen Beteiligungen den Gläubigern der SPS zu entziehen. (...) ganz offenkundig war es Ziel des zwischen den Parteien vereinbarten Konstrukts, dass die Beteiligungen (...) und daher mittelbar auch an den werthaltigen Projektgesellschaften der Liegenschaften in Österreichs Toplagen („Trophy Assets“) im Falle eines Insolvenzverfahrens der SPS nicht unter den Gläubigern aufgeteilt werden, sondern aufgrund des mit den Pfandrechten einhergehenden Absonderungsrechts im Einflussbereich von (mittelbaren) Gesellschaftern respektive des René Benkos verbleiben.“

Benko: Fädenzieher im Hintergrund?

Offiziell war René Benko weder bei der INGBE Stiftung noch bei der Signa Prime Selection vertretungsbefugt. Doch laut Klage belegen E-Mails, dass er die Kreditvergabe „initiiert und maßgeblich bestimmt“ habe. Er soll „genaue Anweisungen zur Unterzeichnung und Überweisung“ gegeben haben. Der unterzeichnete Vertrag wurde direkt an ihn zurückgesendet und der zuständige Geschäftsführer der Signa „lediglich in Kopie (‚cc‘) gesetzt.“

Der Masseverwalter sieht darin ein deutliches Zeichen für „faktische Entscheidungsgewalt“ und eine enge Verflechtung der INGBE und der Signa. Laut Klage war die INGBE Stiftung über Treuhandschaften auch an der Signa Prime beteiligt. Die Klage zielt – kurz gesagt – darauf ab, die Pfandrechte für unwirksam zu erklären.

„Notkredite“ mit ungewöhnlichen Zinsen

Neben dem 150-Millionen-Euro-Kredit geht es jedoch auch um zwei sogenannte „Notkredite“ der INGBE an die Signa Prime Selection. Sie wurden im Mai und Juni 2023 vergeben – jeweils über 15 Millionen Euro. Der erste Kredit über rund 15,2 Millionen Euro (inklusive Zinsen) wurde am 7. Juni 2023 von der Signa Prime zurückgezahlt. Kurz darauf, am 29. Juni 2023, gewährte INGBE der SPS den zweiten Notkredit zu nahezu identen Konditionen in der Höhe von 15 Millionen Euro, der am 29.06.2023 an die SPS ausbezahlt und nicht mehr rückgeführt wurde.

Der Masseverwalter will die Rückzahlung des ersten Kredits nun vollständig zurückfordern. Der Vorwurf: Die Zahlung erfolgte nach Eintritt der materiellen Insolvenz. Das verstoße gegen das Anfechtungs- und Eigenkapitalersatzrecht. Zudem seien die Kredite wegen „unüblich hoher Zinsen“ auffällig gewesen. Die Fixzinsen von 150.000 Euro für weniger als einen Monat Laufzeit entsprächen einer Verzinsung von „zumindest 12 % p.a.“ Nun fordert der Masseverwalter der Signa Prime die Rückzahlung der rund 15,2 Millionen Euro – plus Zinsen von 9,2 Prozent „über dem Basiszinssatz seit 07.06.2023 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution“.

Auf diese rechtlichen Argumente stützt sich die Klage

  • Insolvenzrechtliche Anfechtung (§§ 27 ff IO): Zahlungen und Sicherheiten, die Gläubiger benachteiligt und „nahe Angehörige“ bevorzugt haben sollen, sollen für unwirksam erklärt werden.
     
  • Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 82 GmbHG, § 52 AktG): Die gesamte Konstruktion vom 30. Januar 2023 sowie die Notkredite seien ein „Umgehungsgeschäft“, das unzulässig Vermögen von der Gesellschaft an ihre (indirekten) Gesellschafter verschoben habe. Solche Geschäfte seien „absolut nichtig“.
     
  • Eigenkapitalersatzgesetz (EKEG): Die genannten Kredite seien als „eigenkapitalersetzend“ zu werten. Das bedeutet: Es besteht ein Rückzahlungsverbot. Die bereits geleistete Zahlung von 15,2 Millionen Euro müsse daher zurückgefordert werden. Die dafür gegebenen Sicherheiten seien nicht verwertbar.
     
  • Verstoß gegen das Bankwesengesetz (BWG): Die Klägerin argumentiert, dass INGBE und Ameria in Österreich gewerbsmäßig Bankgeschäfte betrieben hätten – ohne die erforderliche Konzession der Finanzmarktaufsicht (FMA). Solche Geschäfte seien zivilrechtlich unwirksam. Daher hätten die Beklagten keinen Anspruch auf Zinsen oder auf Verwertung der Sicherheiten.
     
  • Unwirksamkeit der Verwertungs- und Verkaufsvollmachten: Die Verträge, die den Beklagten eine außergerichtliche Verwertung der Anteile ermöglichten, seien ungültig. Sie verstießen gegen das ABGB, etwa wegen fehlender Regelungen zur Herausgabe eines Verwertungsüberschusses. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens seien diese Vereinbarungen ohnehin „erloschen“.

Masseverwalter fordert 15 Millionen Euro

Zusammengefasst, verlangt der Masseverwalter der Signa Prime nun die Rückzahlung der 15,2 Millionen Euro samt Zinsen von der INGBE Stiftung. Darüber hinaus will er erreichen, dass sämtliche Kredite und Pfandrechte der beklagten Parteien für nichtig, unwirksam oder zumindest nachrangig erklärt werden.

Außerdem beantragt er ein gerichtliches Verbot: Die beklagten Parteien sollen keine Verwertungs- oder Verkaufshandlungen bezüglich der verpfändeten Signa-Anteile vornehmen dürfen. Ein Erfolg vor Gericht könnte erheblichen Einfluss auf Milliardenforderungen von Gläubigern haben. Verhandelt wird die Causa am Handelsgericht Wien. Der Prozess könnte erstmals einen tieferen Einblick in Struktur und Rolle der millionenschweren INGBE Familienstiftung geben – und damit auch, welche Rolle René Benko dort innehatte. 

Die Rückzahlung der rund 15 Millionen Euro beschäftigt möglicherweise auch die Strafverfolgungsbehörden. In einer Presseaussendung der WKStA von Ende Juni wurde unter anderem auf einen Ermittlungsstrang bezüglich einer mutmaßlichen Gläubigerbegünstigung der INGBE Stiftung verwiesen: „Konkret sollen Verantwortliche der Signa Prime Selection AG ein Darlehen samt Zinsen in Höhe von rund 15 Millionen Euro an die INGBE Stiftung zurückbezahlt haben, obwohl die Signa Prime Selection AG zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig war“, schrieb die WKStA. Das klingt sehr ähnlich. Nicht ausgeschlossen also, dass es dabei um denselben Sachverhalt geht. Alle Betroffenen haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten.

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.