Syrische Millionen: Die Geldspur nach Österreich
Schriftgröße
Von Beginn an geht es um Millionen: Ende 2005 laufen hinter verschlossenen Türen Verhandlungen zwischen Verantwortlichen einer österreichischen Privatstiftung und einer Firma aus Dubai, die erst knapp vorher gegründet worden ist. Hinter dieser „Medox Limited“ stehen Personen, die der Elite des syrischen Assad-Regimes zugerechnet werden können. Und es gilt offenbar, eine Menge Geld zu investieren.
21 Millionen Euro will die Medox Limited damals allem Anschein nach auf den Tisch legen – für 99 Prozent der Anteile, welche die Privatstfitung an einer Wiener Immobilienfirma hält. Dieser Firma gehört seinerzeit ein Gebäude in der Innenstadt, das jahrelang Begehrlichkeiten bei diversen Immobilienentwicklern weckte. Und die via Dubai agierenden Syrer hätten sogar noch einmal zwei Millionen Euro draufgelegt, sofern es zu einer Baugenehmigung für zwei zusätzliche Stockwerke und einer bestimmten Bruttogeschossfläche gekommen wäre.
Millionenschwere Immobilien
So ergibt sich das zumindest aus einem – nicht unterschriebenen – Vertragsentwurf zwischen Medox und der erwähnten Privatstiftung, der mit 9. Dezember 2005 datiert ist. Letztlich wurde aus diesem – augenscheinlich geplanten – Geschäft nichts. Das Rennen um die Immobilie machte stattdessen eine Firma aus dem Umfeld eines skandalumwitterten kroatischen Generals. Was Medox betrifft, war dies jedoch ohnehin erst der Anfang einer langen und facettenreichen Geschichte in Österreich.
Faksimile eines Dokuments aus dem „Damascus Dossier“-Leak: Entwurf eines Kaufvertrags bezüglich einer Immobilienfirma in Wien
© Faksimile
Faksimile eines Dokuments aus dem „Damascus Dossier“-Leak: Entwurf eines Kaufvertrags bezüglich einer Immobilienfirma in Wien
Dabei geht es unter anderem um einen Cousin des vor einem Jahr gestürzten syrischen Diktators Bashar al-Assad. Es geht um immer noch vorhandenes Immobilienvermögen im Millionenwert. Es geht um die Arbeit der heimischen Sanktionsbehörden. Und es geht um Connections, die über Österreich hinaus bis nach Deutschland führen.
Investigativ-Projekt „Damascus Dossier“
profil ist den Spuren des syrischen Geldes nach Mitteleuropa im Rahmen einer monatelangen, internationalen Investigativ-Kooperation gemeinsam mit anderen Medien gefolgt. Das Rechercheprojekt trägt den Namen „Damascus Dossier“. Ausgewertet wurden dabei unter anderem riesige Mengen geleakter Geheimdienst-Unterlagen des gefallenen Assad-Regimes, welche der „Norddeutsche Rundfunk“ (NDR) mit dem „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ) geteilt hat. ICIJ, NDR und 24 weitere Medienhäuser aus zwanzig verschiedenen Ländern haben diese analysiert. In Österreich ist neben profil auch der ORF an der Recherche beteiligt.
Die geleakten Geheimdienst-Dokumente bieten spannende Einblicke – auch, was Österreich betrifft. Bezüglich der Medox Limited findet sich nicht nur der eingangs erwähnte Vertragsentwurf. Es liegen auch weitere Papiere vor, die dokumentieren, wie die Syrer dann tatsächlich geschäftlich in Österreich Fuß fassten. Demnach autorisierte die Dubai-Firma im Jahr 2006 einen ihrer damaligen Geschäftsführer, einen gewissen Nader Kalai, eine „Medox GmbH“ in Wien zu gründen. Geschäftszweck: Kauf und Verkauf von Immobilien, das Betreiben von Hotels und Restaurants und Handelsgeschäfte aller Art. Wie aus dem österreichischen Firmenbuch erkennbar ist, führte Kalai dies auch durch. Und damit sollte ein ganz besonderes Kapitel syrisch-österreichischer Beziehungen aufgeschlagen werden. Eines, das bis heute heikle Fragen aufwirft.
Rami Makhlouf, Cousin des syrischen Diktators Bashar al-Assad, galt lange als einer der reichsten Männer Syriens.
© AFP/APA/AFP/LOUAI BESHARA
Rami Makhlouf, Cousin des syrischen Diktators Bashar al-Assad, galt lange als einer der reichsten Männer Syriens.
Assads reicher Cousin
Die Medox GmbH wurde im März 2006 ins Firmenbuch eingetragen und existiert bis heute. Als einzige Gesellschafterin war und ist die Medox Limited aus Dubai eingetragen. Doch wirklich spannend ist die Frage, wer im Hintergrund das Ruder in der Hand hält. Die Medox GmbH, die auch mehrere Tochterfirmen in Österreich gründete, war über die Jahre wiederholt Gegenstand medialer Berichterstattung. Und oft hatte das mit einer Person zu tun: Rami Makhlouf, Cousin von Diktator Bashar al-Assad, lange Zeit einer der reichsten Männer Syriens.
Makhlouf landete 2011 auf der Sanktionsliste der EU. Er soll das Assad-Regime durch seine geschäftliche Tätigkeit unterstützt haben. Spätestens seit damals ist die Frage, was genau Makhlouf mit Medox zu tun hat, von höchster Relevanz. Im österreichischen Firmenbuch scheint er nicht auf. Sehr wohl aber in den geleakten Geheimdienst-Dokumenten aus dem Projekt „Damascus Dossier“. Diese zeigen, dass sich die offizielle Aktionärsstruktur der Medox Limited – also der Muttergesellschaft in Dubai – zumindest in den ersten Jahren immer wieder verändert hat. Bei einer Gesellschafterversammlung im Jahr 2009 war Rami Makhlouf aber jedenfalls mit 40 Prozent als größter Aktionär ausgewiesen und übernahm als „major shareholder“ („Großaktionär“) laut dem vorliegenden Sitzungsprotokoll auch gleich den Vorsitz.
Dokument aus dem „Damascus Dossier“-Leak: Protokoll einer Gesellschafterversammlung der Medox Limited
© Faksimile
Dokument aus dem „Damascus Dossier“-Leak: Protokoll einer Gesellschafterversammlung der Medox Limited
Der Chef, die Frau und der Schwager
Das deckt sich durchaus mit Informationen, die zwar nicht aus dem österreichischen Firmenbuch ersichtlich sind, aber anderswo in dieser Republik aufgeschlagen sind. Die – mittlerweile aufgelöste – Investigativ-Plattform „Addendum“ berichtete 2018 darüber, dass Makhlouf im Jahr 2009 versuchte, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen, weil er außerordentliche Leistungen im Interesse der Republik erbringen würde. Er verwies auf „die von mir schon bisher getätigten Investitionen und die noch vorzunehmenden Investitionen“ und legte als Beweis für sein „wirtschaftliches Vorbringen“ einen Businessplan-Entwurf der Medox GmbH vor.
profil konnte im Rahmen der „Damascus Dossier“-Recherche die damaligen Antragsunterlagen ebenfalls einsehen. Makhlouf ließ in seinem, von einem Anwalt ausformulierten Staatsbürgerschaftsantrag wenig Zweifel, wer bei Medox in Wahrheit das Sagen hatte: „Wie dem Auszug aus den Eigentumsverhältnissen der Medox Limited, Dubai, zu entnehmen ist, ist diese zu 100 % Gesellschafterin der österreichischen Medox GmbH. Weiters ist dem Auszug zu entnehmen, dass ich 40% der Anteile besitze und meine Ehegattin, Frau Razan Othman, 20% sowie mein Schwager, der Bruder meiner Ehegattin, Herr Kaswarah Othman, 15%. Damit bin ich größter Anteilsinhaber der Medox Group und übe einen beherrschenden Einfluss auf die österreichischen Unternehmen aus.“
Bemerkenswert scheint, dass Makhlouf damals nicht nur auf seinen eigenen Anteil verweist, sondern auch auf die Anteile seiner Verwandtschaft. Der einzige Nicht-Familienangehörige im Aktionärskreis ist damals offenbar der erwähnte Nader Kalai – zu ihm später noch mehr. Dass Medox zumindest zur damaligen Zeit ein Vehikel der Familie Makhlouf ist, die ihrerseits wiederum verwandtschaftlich mit dem Assad-Clan verbunden ist, scheint aber offensichtlich. Und Rami Makhlouf beansprucht durchaus die Führungsrolle.
Makhlouf: „Bin der zentrale Entscheidungsträger“
In den Antragsunterlagen für die Staatsbürgerschaft, die ihm letztlich übrigens verwehrt bleiben sollte, hieß es: „Als Geschäftsführer der Muttergesellschaft der Medox Group bin ich der zentrale Entscheidungsträger für alle Tätigkeiten der österreichischen Gesellschaft und somit auch laufend in Österreich in die Geschäfte eingebunden. Von mir werden sowohl die strategischen als auch die taktischen Entscheidungen der Unternehmen getroffen.“
Und dann setzt Makhlouf noch einen entscheidenden Punkt nach: „Aus finanzieller Sicht ist bin (sic) ich der größte Kapitalgeber der Medox Group, wobei die Kapitalzuführung über Kapitalzuschüsse erfolgen (sic), die von mir veranlasst und finanziert werden.“ Zusammengefasst heißt das: In die Investments von Medox fließt – zumindest hauptsächlich – Geld von Rami Makhlouf. Und zwar nicht wenig: „Insbesondere in Österreich habe ich mehr als 100 Arbeitsplätze geschaffen und in die Errichtung von Appartement-Hotels und in ein Nobelrestaurant über 20.000.000,- € investiert“, steht in den Antragsunterlagen. Makhlouf bezieht die mehr als zwanzig Millionen Euro an anderer Stelle konkret auf die Medox-Gruppe. Im vorgelegten Businessplan-Entwurf waren wiederum Kapitalflüsse von nicht ganz 17 Millionen Euro aus der Medox Limited zu den österreichischen Firmen der Medox-Gruppe dargestellt.
Immobilien in bester Lage
Spannend ist, dass Geld daraus – allem Anschein nach – in Investments floss, die teilweise bis heute Bestand haben. Konkret geht es dabei um zwei Apartment-Hotels in bester Lage in Wien. Eines davon erwarb die Medox GmbH im August 2006 durch die Übernahme der Eigentümerfirma der Liegenschaft. Der Kaufpreis ist daher dem Grundbuch nicht zu entnehmen. Eingetragene Pfandrechte für eine Bank weisen jedoch Höchstbeträge in deutlicher Millionen-Euro-Höhe aus, was als gewisser Hinweis verstanden werden kann, dass die Immobilie einen beträchtlichen Wert haben dürfte.
Das zweite Gebäude, das als Apartment-Hotel betrieben wird, kaufte die Medox-Gruppe dann im Februar 2007 – laut Grundbuch um 4.350.000 Euro (inklusive Umsatzsteuer). Allfällige spätere Investitionen und daraus folgende Wertsteigerungen sind aus dem Grundbuch generell nicht ersichtlich. Dass derartige Immobilien in bester Wiener Lage über die vergangenen fast zwanzig Jahre hinweg grundsätzlich nicht an Wert verloren haben sollten, liegt aber auf der Hand.
Im Jahr 2020 kritisierte Rami Makhlouf via Facebook das Assad-Regime, dem er selbst viele Jahre lang angehört hatte. Beobachter vermuteten einen Machtkampf in der Herrscherfamilie.
© AFP/APA/AFP
Im Jahr 2020 kritisierte Rami Makhlouf via Facebook das Assad-Regime, dem er selbst viele Jahre lang angehört hatte. Beobachter vermuteten einen Machtkampf in der Herrscherfamilie.
Makhloufs Probleme mit Assad
Wem gehört das alles jetzt? Im Zuge der Recherchen hat sich gezeigt, dass zumindest Mitte Juni 2025 im Register der wirtschaftlichen Eigentümer, das beim Finanzministerium geführt wird, ein in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebender Syrer als indirekter wirtschaftlicher Eigentümer der Medox GmbH eingetragen war. Kontaktmöglichkeit zu ihm beziehungsweise zur Medox Limited in Dubai hat profil keine gefunden. Eine Anfrage an die österreichsiche Medox-Gruppe, ob es sich bei dem Mann um ein Mitglied der Makhlouf-Familie handelt oder ob dieser als Strohmann fungiert, blieb unbeantwortet – ebenso wie die Frage, ob Rami Makhlouf in den vergangenen Jahren in irgendeiner Form bei der Medox-Gruppe involviert war. Als 2018 die Sache mit der Staatsbürgerschaft aufkam, bestritt die Medox GmbH vehement, dass Rami Makhlouf unmittelbar oder mittelbar Kontrolle über die Medox-Gruppe ausüben würde. Zu Makhlouf bestehe kein Kontakt, hieß es damals.
Bemerkenswert scheint, dass sich in den vergangenen Jahren offenbar auch der Geheimdienst des Assad-Regimes mit Medox und den Geschäften von Makhlouf auseinandergesetzt hat. Dies ergibt sich aus den geleakten Unterlagen im Rahmen des Projekts „Damascus Dossier“. Offenbar hing zwischen Makhlouf und Assad irgendwann der Haussegen schief. Makhlouf hat im Jahr 2020 – also sehr lange nach Beginn des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 – dann auch öffentlich Kritik am Regime seines Cousins geübt. Wobei er selbst allerdings lange Teil dieses Regimes gewesen war. In einem Facebook-Video im May 2020 beklagte Makhlouf, dass die Sicherheitsbehörden des Präsidenten begonnen hätten, die Freiheit der Bevölkerung zu verletzen. Das war – wie nicht zuletzt das Projekt „Damascus Dossier“ zeigt – freilich auch schon vorher lange der Fall. Nur dürfte es früher nicht so sehr die Sphäre von Makhlouf betroffen haben. Damals, 2020, allerdings sollen Dutzende seiner Mitarbeiter festgenommen worden sein. Möglicherweise war das Regime bestrebt, Makhlouf zu entmachten. Eine profil-Anfrage an Malkhloufs Anwalt blieb unbeantwortet.
Und noch eine Firma in Wien
Im syrischen Geheimdienst-Leak findet sich jedenfalls auch eine Liste mit Firmeninformationen, auf der nicht nur die Medox Limited vermerkt ist, sondern auch noch eine zweite Firma mit augenscheinlichem Österreich-Bezug. Konkret geht es um eine „TP Holding“ mit Sitz in Dubai. Im österreichischen Firmenbuch stößt man tatsächlich auf eine „TP Holding Limited“, die dort angesiedelt ist. Diese Firma ist Alleingesellschafterin einer „Treasure Properties GmbH“ mit Sitz in Wien – und zwar nicht irgendwo in Wien, sondern in einer der beiden Immobilien, welche bis heute der Medox-Gruppe gehören. Und das ist nicht die einzige Connection: Gegründet wurde die Treasure Properties GmbH im August 2007 just in den Geschäftsräumen der Medox GmbH, wie aus dem entsprechenden Notariatsakt hervorgeht – und zwar von Kaswarah Othman, dem weiter oben bereits erwähnte Schwager von Rami Makhlouf.
Spannend ist die Treasure Properties GmbH jedoch auch deshalb, weil deren Aktivitäten offenbar über Österreich hinausreichen. So scheint die Treasure Properties GmbH im deutschen Unternehmensregister als Alleingesellschafterin einer „Treasure Properties Immobilien GmbH“ mit Sitz in Leipzig auf. Und dort dürfte ein ordentliches Vermögen stecken: Laut dem jüngsten im Unternehmensregister veröffentlichten Jahresabschluss wies die deutsche GmbH per Ende 2023 Sachanlagen von rund 13,8 Millionen Euro aus. Ob es sich dabei um Immobilien handelt – und gegebenenfalls um welche – geht aus der veröffentlichten Bilanz nicht hervor.
Dokument aus dem „Damascus Dossier“-Leak: Auf einer Liste mit Firmen findet sich nicht nur die Medox Limited, sondern auch die TP Holding aus Dubai.
© Faksimile
Dokument aus dem „Damascus Dossier“-Leak: Auf einer Liste mit Firmen findet sich nicht nur die Medox Limited, sondern auch die TP Holding aus Dubai.
Zahlreiche Querverbindungen
Geschäftsführer der deutschen GmbH ist ein gewisser Amir M., der auch seit Jahren Geschäftsführer der österreichischen Treasure Properties GmbH ist – dort gemeinsam mit einer zweiten Person. Der Gründer, Kaswarah Othman, ist hier schon lange aus dem Firmenbuch verschwunden. Sehr wohl eingetragen ist allerdings ein Prokurist, der gleichzeitig auch als Geschäftsführer der Medox GmbH fungiert.
Amir M. wiederum, der – zumindest von Namen, Geburtsdatum und Wohnregion her – vom Brotberuf Frauenarzt in Deutschland sein dürfte, taucht übrigens auch noch bei einer weiteren Immobilien-Firma in der Bundesrepublik auf. Diese gründete er gemeinsam mit einer zweiten Person, die einen anderen Vornamen, aber den gleichen Nachnamen wie Makhlouf-Schwager Kaswarah Othman trägt. Wohnadresse laut deutschem Firmenbuch: eine der beiden Liegenschaften der Medox-Gruppe in Wien.
BVT-Erfolg bei Millionen-Immobilie
Was hat es mit alldem auf sich? Amir M. wollte keine Fragen von profil beantworten. Dass Familienmitglieder im Geschäftsleben sanktionsbedrohter Personen eine wichtige Rolle spielen können, ist allerdings allgemein bekannt. Und die relevante Sanktionsbehörde – damals noch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) – hat das in Bezug auf Makhlouf und einen seiner Geschäftspartner auch schriftlich festgehalten. Dieser Geschäftspartner ist jener Nader Kalai, der die Gründung der Medox GmbH in Österreich operativ abwickelte – und eine weitere Firmengruppe ins Leben rief, bei der er selbst lange als Eigentümer aufschien. Es geht um die Wiener „Castle Holding GmbH“ und deren Tochtergesellschaften.
Kalai ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil er Anfang 2019 ebenfalls auf der EU-Sanktionsliste landete. Die österreichischen Behörden ließen in der Folge Vermögenswerte der Medox-Gruppe, aber auch jenes der Castle-Holding-Gruppe einfrieren. Medox konnte das Problem rasch wieder bereinigen. Man legte dar, dass Kalai zwar zu 25 Prozent an der Medox Limited in Dubai beteiligt war. Dies sei aber eine Minderheitsbeteiligung „ohne jegliche Sonderrechte“ gewesen. Weder die Medox Limited noch die Medox GmbH würden in der Sanktionsliste aufscheinen, wurde damals argumentiert. Das Vermögen sei daher nicht einzufrieren. Tatsächlich wurde die Einfrierung wieder aufgehoben.
Vermögen lange eingefroren
Anders stellte sich die Angelegenheit jedoch in Bezug auf die Castle Holding dar, der – über eine Zwischenfirma namens Art House GmbH – ebenfalls eine millionenschwere Immobilie in Wien gehörte. Bei der Castle Holding hatte Kalai zwar seine Anteile bereits an seinen Sohn und seine Ehefrau übertragen. Das BVT glaubte ihm aber nicht, dass er tatsächlich keine Kontrolle mehr ausüben würde. Das geht aus einem Schreiben der Behörde an das zuständige Grundbuchgericht aus dem November 2019 hervor, das profil vorliegt. „Das BVT geht davon aus, dass die Art House GmbH faktisch durch Kalai Nader kontrolliert wird“, schrieb die Behörde und begründete diesen dringenden Verdacht mit E-Mails und Erkenntnissen aus einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Wien.
In diesem Ermittlungsverfahren gab Kalai demnach am 30. Oktober 2018 im Rahmen einer Beschuldigteneinvernahme zu Protokoll: „Mit der Firma Art House GmbH habe ich ein Grundstück samt Immobilie erworben und habe diese renovieren lassen. (…) Auch diese Immobilie möchte ich verkaufen und habe damit einen Immobilienmakler beauftragt. Der eigentliche Grund ist aber, dass auch hier nur Verluste geschrieben wurden und ich aufgrund der familiären Streitigkeiten kein Interesse mehr habe, in Österreich etwas zu investieren.“ Kalai sprach demnach in der Ich-Form. Dabei hatte er die Geschäftsanteile an der Castle-Holding-Gruppe offiziell bereits mehr als ein Jahr vorher an seinen Sohn und seine Frau abgetreten.
Auszug aus einem BVT-Schreiben vom 7. November 2019 zur faktischen Kontrolle der Art House GmbH. Das erwähnte strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde Mitte 2019 eingestellt.
© Faksimile
Auszug aus einem BVT-Schreiben vom 7. November 2019 zur faktischen Kontrolle der Art House GmbH. Das erwähnte strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde Mitte 2019 eingestellt.
BVT: „Verschleierung der Eigentümerschaft“
Das erwähnte strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Kalai wegen des Verdachts der Geldwäscherei und des Verstoßes gegen das Sanktionengesetz war Mitte 2019 zwar bereits wieder eingestellt. Die laufende Sanktionseinschätzung des BVT hatte faktisch aber dennoch lange Bestand. Der Einfrierungsvermerk im Grundbuch wurde erst gelöscht, nachdem Kalai 2021 verstorben war. Ein gerichtlicher Rekurs gegen die Verhängung dürfte zwar offen, aber bis dahin nicht entschieden gewesen sein.
Besonders bemerkenswert am Schreiben des BVT ist eine Art Gesamt-Einschätzung der Behörde zum Schluss: „Aufgrund der seit Jahren laufenden Ermittlungen gegen Kalai Nader und dessen Erfahrung mit Sanktionsmaßnahmen betreffend syrischer Geschäftspartner ist es auch naheliegend, dass die Anteile an seinen Unternehmen lediglich der Verschleierung der wahren Eigentümerschaft darstellen (sic)“, hielt die Behörde fest. Und dann bringt sie noch einen anderen – äußerst bekannten – Namen ins Spiel: „Dieselbe Vorgehensweise, nämlich Übertragung von Anteilen an Familienmitglieder im zeitlichen Zusammenhang mit EU-Sanktionen, wurde duch Makhlouf Rami betreffend der Medox Limited, an der Kalai Nader ebenfalls beteiligt ist, gewählt.“
Das BVT ortete Ende 2019 mit Blick auf die Sanktionsthematik gewisse Parallelen zwischen Nader Kalai und Rami Makhlouf.
© Faksimile
Das BVT ortete Ende 2019 mit Blick auf die Sanktionsthematik gewisse Parallelen zwischen Nader Kalai und Rami Makhlouf.
Luxus-Immobilie zwangsversteigert
Die Immobilie der Art House GmbH, um die es damals ging, gehört den Kalais seit Kurzem nicht mehr. Die Apartment-Villa in Döbling wurde vor wenigen Wochen zwangsversteigert, da ein Bankkredit offenbar seit Jahren nicht entsprechend bedient worden war. Zumindest bei Medox besteht aber weiterhin millionenschweres Liegenschaftsvermögen. Was passiert jetzt – nach dem Regimewechsel in Syrien – damit? profil wollte von der Medox GmbH wissen, ob es Kontakte mit der neuen Regierung in Damaskus gegeben habe. Keine Antwort.
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.