Kultur

Elfriede Jelineks Selbstporträt: Lebensschiffchen ahoi!

Die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek taucht in ihrem neuen Buch in die Welt von Steuerrecht und Finanzwesen ab.

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Die Wortgruppe "Angaben zur Person" wird in Kreuzworträtsel-Lexika gewöhnlich mit "Personalie" (elf Buchstaben) und "Personaldaten" (13 Buchstaben) entschlüsselt. Mit "Angabe der Person" ist nun Elfriede Jelineks jüngstes Buch in makellosem Beamtendeutsch überschrieben; ein schönes Rätsel ohne jede Personaldaten-Prosa ist es gleichwohl geworden. Wie so oft bei Jelinek führt die Frage, was dieser Text alles nicht sei, zu halbwegs belastbaren Antworten. "Angabe der Person" ist kein Roman und kein ausgewiesenes Theaterstück, schon gar keine "Lebensbilanz", wie Jelineks Stammverlag etwas zu enthusiasmiert behauptet.

"Angabe der Person" umkreist eine biografische Bruchstelle der Autorin, ein längst eingestelltes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung, in dessen Rahmen das Haus der Literaturnobelpreisträgerin in Wien-Hütteldorf durchsucht wurde. Das Buch dreht sich um Anklage und Aktenablage, Festplatten-Schreddern und Wirecard-Skandal, Schuld und Schulden.

In den Tiefenschichten dieses Wortgebirges, das in der Regie von Jossi Wieler Mitte Dezember am Deutschen Theater in Berlin seine Bühnenuraufführung feiern soll, geistern die Eltern und Großeltern der Autorin, im Nationalsozialismus vertriebene und ermordete Verwandte.

"Angabe der Person" ist Sprach-und Gedankenüberrumpelung in bester Jelinek-Praxis. Als Autorin ist sie zugleich rigorose Zustandsdiagnostikerin und Leidende an den kleinen und großen Niederträchtigkeiten österreichischer Provenienz.

Sie ist in Personalunion Ärztin und Patientin, die ihre Bücher Land und Leuten als bittere Medizin verordnet. Zucker, der Arzneimittel klassischerweise versüßt, wird selbstverständlich nicht verabreicht: "Was muss ich hören, was muss ich lesen, was haben die bösen Buben da geschrieben", notiert sie.

Was haben die bösen Buben da geschrieben?

Eflriede Jelinek

Die drögen Felder Steuerrecht und Finanzwesen werden in "Angabe der Person" zum Sprachbastelmaterial, wobei nicht gänzlich ausgeschlossen ist, dass sich die Autorin zuweilen allzu sehr an ihrem unverkennbaren Duktus erfreut. Den Text selbst lässt sie im Zweifel auf Kosten ihrer selbstverliebten Wort-und Gedankenwendungen mitunter auch links liegen: "Es wurde ein Urteil gefällt, viele Bäume wurden gefällt, auf die der Borkenkäfer schon wartete, und ich weiß nicht, zu wem ich gehöre, ich glaube, ich gehör nur mir allein."

Es ist immer wieder faszinierend, Jelineks in Wortklang geformten Bewusstseinsströmen zu folgen, den hämmernden Fragen und wühlenden Erinnerungen, ihrem wunderbaren Galgenhumor: "Elfi, du fängst schon wieder damit an, lass es!, lass die Toten ruhn, du gehörst noch nicht zu ihnen!" Ihr "Lebensschiffchen" findet auch hier keinen sicheren Hafen. 

Elfriede Jelinek: Angabe der Person.

Rowohlt. 189 S., EUR 24,70

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.