Peter Hein von den Fehlfarben
Interview

Fehlfarben-Sänger Peter Hein: "Eine Karriere war das nicht"

Mit seiner Band Fehlfarben hat Peter Hein, Punk-Pionier und ewiger Antiheld, Pop-Geschichte geschrieben. Ein Gespräch über Lebensgefahren, Nebenjobs, Die Toten Hosen – und über den Wunsch, keine neue Musik mehr zu hören.

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Das neue Album Ihres Projekts Fehlfarben nennen Sie etwas kryptisch „?0??“. Nach 43 Jahren Bandgeschichte klingen die Songs frisch und wütend. Wie geht das?
Hein
Dank der Pandemie war lange nicht klar, wann das Album erscheinen würde. Plötzlich ging nichts mehr – keine Studiobesuche, keine Konzerte. Fertiggestellt haben wir das Album dann als Band gemeinsam in Berlin, das hört man der Platte auch an. Ich konnte endlich wieder über diese Stadt schimpfen. Noch ein Köln-Album hätte ich nicht ertragen. Da wären bloß Karnevalslieder rausgekommen.
Letztes Jahr wurden Sie in Ihrer Heimatstadt Düsseldorf für Ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Wie sehr hat Sie das geärgert?
Hein
Gar nicht. Es ist mir aber auch nicht wahnsinnig wichtig. Zuerst dachte ich, es sei ein schlechter Witz von einem alten Freund. Der Preis war ohnehin nicht mit Geld verbunden.
Leider …
Hein
Stimmt. Andererseits hätte ich mich nur geärgert, weil es so oder so zu wenig gewesen wäre. Dann lieber gar kein Preisgeld.
Haben Sie Ihren Frieden damit geschlossen, dass bei solchen Anlässen immer wieder der Fehlfarben-Klassiker „Monarchie und Alltag“, Ihr Debüt aus dem Jahr 1980, herausgekramt wird?
Hein
So ist das eben. Die Leute kennen uns durch dieses Album, und ein paar dieser Songs spielen wir bei unseren Konzerten immer noch live.
Peter Hein 2022
Eine andere Düsseldorfer Punk-Institution, Die Toten Hosen, hat heuer ihr 40-jähriges Bandjubiläum gefeiert. Unterschiedlicher hätten Musiker-Karrieren wohl nicht verlaufen können.
Hein
Wir waren damals schon alte Säcke und Die Toten Hosen eine Band von Schülern, die uns blöd fanden, aber irgendwie auch ziemlich cool. Das waren damals schon Musiker, die das bis ans Ende ihrer Tage machen wollten. Ich selbst habe mich nie als Musiker gesehen, wollte nicht auf Billardtischen schlafen und dafür kaum Gage bekommen. Wir haben nicht von Album zu Album gedacht, auch nicht von Song zu Song – nur bis zum nächsten Konzert. Auch eine Zielgruppe wollten wir nie bedienen. Es hat fast 30 Jahre gedauert, bis ich gezwungen war, mit der Musik weitermachen zu müssen.
Als Sie 2002 Ihre Anstellung in einem Technologieunternehmen verloren haben?
Hein
Das war ein Brotjob, um die Miete zu bezahlen und keinen Stress zu haben. Ich konnte all die Jahre künstlerisch machen, was ich wollte – egal ob mit den Fehlfarben oder mit meiner anderen Band Family 5. Eine Karriere war das nicht. Heute ist die Kunst zumindest ein Eintrag in meiner Steuererklärung.
Was ist so schlimm am Erfolg?
Hein
Anfangs haben wir mit dem berühmten Album kaum etwas verdient. Der Erfolg kam erst mit den Jahren. Mir war damals schon klar, dass dieser Hit ein Zufall war und wir das nicht wiederholen konnten – auch gar nicht wollten. Unser Motto war: Lieber zahlen wir selbst für die Musik, dann redet uns auch niemand rein. Im Großen und Ganzen ist das immer noch so.

 

Ein Rockstar-Leben wollten Sie nie?
Hein
Das Risiko, dass ich jetzt tot wäre, wenn ich das durchgezogen hätte, ist nicht gering. Und wenn ich nur unter den Tour-Truck gekommen wäre. So ein Rock’n’Roll-Leben ist in jungen Jahren furchtbar anstrengend – ich habe das bei Freunden miterlebt. Ich bin froh, dass mir das erspart geblieben ist.
Gibt es spannende aktuelle Musik, die Sie hören?
Hein
Nein. Da will ich mich auch nicht schlaumachen. Was juckt mich das?

Peter Hein, 65,

gehörte zu den zentralen Protagonisten der deutschen Punk- und Wave-Szene. Er gründete 1979 die Band Fehlfarben, deren Debüt „Monarchie und Alltag“ als Klassiker gilt. Bereits 1981 verließ er die Band, um Family 5 zu gründen. Seit 1991 ist er als Sänger und Texter wieder bei Fehlfarben aktiv. Peter Hein, gelernter Kaufmann im Groß- und Außenhandel, lebt seit fast zwei Jahrzehnten in Wien. Das neueste Fehlfarben-Album „?0??“ wird am 10. November im Wiener Flex präsentiert.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.