Fiona Apple

Fiona Apple und die Rettung mit dem Bolzenschneider

Countersound #24: Philip Dulle findet Musik gegen Corona.

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Wahnsinnszeiten. Der Kopf, die eigenen vier Wände, Zufluchtsort und Gefängnis zugleich. Da hilft oft nur ein radikaler Schnitt – zum Beispiel mit dem Bolzenschneider. Zum richtigen Zeitpunkt erscheint jetzt Fiona Apples „Fetch The Bolt Cutters“ – ein Album des Jahres, nein, wahrscheinlich der ganzen Zwanzigerjahre. Exakt 51 Minuten und 54 Sekunden kann man der Singer-Songwriterin dabei zuhören, wie sie sich während der letzten Jahre immer wieder aus ihrer mehr oder weniger selbstauferlegten Isolation geboxt hat; sie musste erst Depressionen, Beziehungen („I Want You to Love Me“), Alkohol- und Tablettensucht verarbeiten, bevor sie nun über #MeToo, Sexismus, rückschrittliche Politik und gesellschaftliche Normen reflektieren kann.

Die 13 Songfragmente, aufgenommen in ihrem Refugium in Venice Beach, Los Angeles, die wie mit dem bolt cutter aus einer Rohdiamantenmine geschnitten scheinen, bestehen hauptsächlich aus Percussions und Klavier, aus wenig Gitarren und Bass – und der filigranen bis aufgekratzten Stimme der 42-Jährigen. Im Hintergrund hört man immer wieder ihren Hund bellen. Unterkriegen lässt sich Apple heute nicht mehr, ihr Seelengefängnis hat sie hinter sich gelassen: „Kick me under the table all you want“, singt sie im Song „Under The Table“ – „I won't shut up.“

Alles wird gut.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.