Reaper-Drohne aus den USA

Interpol-Datenchef: „KI kann eine Massenvernichtungswaffe sein“

Laurent Lacroix, Datenchef der Interpol, über Polizeiarbeit mit künstlicher Intelligenz, über rassistische KIs und die Angst, dass die Erfindung sich gegen die Menschheit wenden könnte.

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In dem Science-Fiction-Thriller „Minority Report“ werden Morde verhindert, indem sie vorhergesagt werden. Haben Sie den Film gesehen?

Laurent Lacroix

Natürlich. Aber in dem Film sieht nicht künstliche Intelligenz (KI) die Verbrechen vorher, sondern Menschen tun das. Ich kann Ihnen versichern: Modelle, die Verbrechen vorherzusehen versuchen, funktionieren nicht. Datenketten werden erst zu brauchbarer Information, wenn wir sie bereinigen und ihnen eine Bedeutung geben, wenn wir sie interpretieren und modellieren. In der letzten Phase kommt die Weisheit: Dorthin gelangen wir, wenn wir die Zukunft vorhersehen können, indem wir die Vergangenheit kennen. Im Marketing funktioniert das sehr gut, in der Kriminalitätsprävention sind wir davon sehr weit entfernt.

Sie arbeiten nicht mit Daten, die Wahrscheinlichkeiten errechnen, wie das etwa in Großbritannien der Fall ist?

Lacroix

Nein. In Japan haben die Behörden errechnet, wo Einbrüche am wahrscheinlichsten sind, und dort den Einsatz der Polizeistreifen erhöht. Natürlich verlegten Kriminelle ihre Einbrüche sofort in andere Gegenden. Da sehen wir die Grenzen der Modelle. Wir sind Geeks und sehen uns ständig alle Optionen an. Aber noch gibt es keine interessanten Modelle der Kriminalitätsprävention.

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Interpol arbeitet mit einem KI-Toolkit. Worum handelt es sich dabei?

Lacroix

Die KI ist sehr gut darin, unstrukturierte Daten zu verarbeiten. Mit ihr kann ich etwa Bilder mit Sprachnachrichten abgleichen und herausfinden, wie unterschiedliche Daten miteinander in Verbindung stehen. Fünf oder sechs Beamte observieren Gespräche von 250.000 Akteuren im Dark Web – wie sollten sie das ohne KI machen? Die KI analysiert die Gespräche und erfasst potenziell gefährliche Akteure. Bei wem handelt es sich um einen leichtsinnigen Studenten, der Nervenkitzel sucht, wer ist der echte Gefährder – und was plant er?

Achtet die KI auf bestimmte Stichworte?

Lacroix

Mehr als das. Wir arbeiten viel mit Semantik. Die KI erkennt auch, wenn jemand nervös wird, das Tempo erhöht. Das ist noch kein Beweis, aber es kann die Analysten in die richtige Richtung führen.

Die KI liefert in wenigen Stunden Datenanalysen, für die wir früher Monate gebraucht haben. 

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.