Kunstmarktspezialist über André Heller: „Das ist ohnehin ein Sakrileg“

André Heller hat einen selbst gebastelten Rahmen als Werk des Kunst-Superstars Jean-Michel Basquiat ausgegeben und verkauft. Gegen Heller läuft nun ein Ermittlungsverfahren. Der Auktionator und Kunstmarktspezialist Otto Hans Ressler begrüßt dies, befürchtet aber einen Pro-forma-Akt.

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Sie haben unlängst geschrieben, der Kunstmarkt habe durch André Hellers Basquiat-Fälschung „irreversiblen Schaden“ genommen. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien wegen schweren Betrugs. Verfolgen Sie den Fall weiter? 
Ressler
Natürlich. Jede Fälschung beunruhigt den Kunstmarkt. Wolfgang Beltracchi etwa, der 2011 wegen gewerbsmäßigen Betrugs zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde, ist unter Kunstinteressierten noch heute ein Thema. 
Vielleicht richtet ein populärer Künstler wie Heller noch schlimmeren Schaden an, weil er zu verstehen gibt, dass Kunst etwas völlig Unauthentisches sei, das sich jeder selbst basteln und als etwas Sündteures ausgeben kann? 
Ressler
Klar. Wenn kleine Gauner, die oft gescheiterte Künstler sind, so etwas tun, ist das etwas anderes als eine Fälschung aus der Hand des sehr prominenten Heller. 
Er verharmlost sein Tun als „Angeberei“ und „Bubenstreich“. 
Ressler
Ja, aber davon kann keine Rede sein. Ich teile die Ansicht der Staatsanwaltschaft, hege allerdings aus langjähriger Erfahrung erhebliche Zweifel an den Konsequenzen dieser Ermittlungen. Wenn Fälschungen und auch die Fälscher und Hehler entdeckt werden, kommt es oft zu Anzeigen, aber die meisten dieser Verfahren werden sehr bald wieder eingestellt. 

Heller in seiner Wiener Wohnung, im Hintergrund das strittige Objekt: Basquiat, gerahmt von Heller.

Wieso? Die Veräußerung von Kunstfälschungen ist doch eine Straftat.
Ressler
Der Maler Max Weiler hatte einen Mitarbeiter, der das Atelier sauber hielt. Dieser Mann nahm am Ende jedes Arbeitstags Weilers Schmierpapier, auf dem der Künstler seine Farben geprüft und abgetropft, mitunter auch einen Schwung ausprobiert hatte, mit nach Hause. Nach Weilers Tod 2001 verkaufte der Mann diese Schmierpapiere, die danach datiert, signiert und als originale Werke Weilers ausgegeben wurden. Auch in diesem Fall wurden die Ermittlungen eingestellt. Ich weiß noch, wie zornig Yvonne Weiler, die Witwe des Künstlers, damals war. Denn wenn die Fälscher und Hehler merken, dass ihnen nichts passiert, machen sie natürlich weiter. 
Viele Menschen sehen im Fälschen von Kunstwerken ein Kavaliersdelikt. 
Ressler
Offenbar. Beltracchi wurde gefeiert. Fälscherkarrieren reichen weit in die Kunstgeschichte zurück. Michelangelo etwa hat seine Laufbahn als Fälscher begonnen – es hat ihm nicht geschadet. 
Wird Heller straffrei davonkommen?
Ressler
Vielleicht wagt man es gerade in diesem prominenten Fall nicht, das wie üblich im Sand verlaufen zu lassen – weil so viele hinschauen. Aber dramatisch wird die Bestrafung nicht sein, wenn man jetzt schon davon spricht, dass Heller „tätige Reue“ gezeigt habe, weil er das Geld, das er lukriert hat, zeitgerecht zurückgezahlt habe.
Heller erklärt, er habe den Rahmen „ohne Echtheitszertifikat“ verkauft. Reicht das schon, um sich abzusichern? 
Ressler
Meines Wissens wurde der Rahmen eindeutig als Basquiat-Arbeit angeboten und verkauft. Sonst wäre der Preis von 800.000 Euro nicht nachvollziehbar. Hellers eigene Zeichnungen haben bei Auktionen nur Preise zwischen 80 und 220 Euro erzielt. Wenn man ein Basquiat-Werk zerschneidet, was ohnehin ein Sakrileg ist, und auf einen Rahmen klebt, hat man anderes im Sinn als einen Bubenstreich. 
Kann man sagen, Heller habe es clever eingefädelt, indem er eine Fälschung mit authentischen Anteilen herstellte?
Ressler
Es war geschickt gemacht, keine Frage, deshalb fielen ja auch ausgewiesene Basquiat-Kenner auf den Trick herein. Wir alle sehen eben nur, was wir zu sehen erwarten – und dass André Heller unter die Fälscher gegangen sei, konnte sich niemand vorstellen. 
Hellers nachträgliches Argument war, er habe ja einen echten Basquiat verkauft; im Rahmen steckten Originale.
Ressler
Das Problem ist allerdings der hohe Preis. Die intakte Basquiat-Zeichnung wäre 100.000, maximal 200.000 Euro wert gewesen, aber in dem Augenblick, in dem sie zerschnitten wurde, reduzierte sich ihr Preis auf – sagen wir – 50.000 Euro. Das ist von 800.000 Euro doch sehr weit entfernt.
Ist der Kunstmarkt überschwemmt mit Fälschungen?
Ressler
Für den Flohmarkt mag das stimmen. Für die Galerien zeitgenössischer Kunst sicher nicht. Das, was dort angeboten wird, kommt ja direkt von den Künstlerinnen und Künstlern. Bei Auktionen und im traditionellen Kunsthandel kann es fallweise Fälschungen geben. Aber der Markt wimmelt nicht davon. 
Wenn Sie das Basquiat-Bild mit Hellers Rahmen vor ein paar Jahren in die Hände gekriegt hätten: Wie hätten Sie darauf reagiert?
Ressler
Bei einem derart hochpreisigen Künstler wie Basquiat wäre ich keinesfalls bereit gewesen, diese Arbeit einfach durchzuwinken, nur weil sie von Heller kommt. Aber ich hätte dann vermutlich genau jenen Experten beigezogen, der Heller die „Echtheit“ des Rahmens geglaubt hat.
Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.