Mann im dunklen Anzug, umstellt von Frauen in weißen Kleidern
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Nur das Unerwartete: Mode-Ikone Helmut Lang wird im MAK gewürdigt

Als Modedesigner war der Österreicher Helmut Lang stets eher Konzeptkünstler als Couturier. Eine Ausstellung im Wiener Museum für angewandte Kunst folgt nun den Spuren, die der Fashion-Revolutionär ausgelegt hat.

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Wer sich mit dem Künstler Helmut Lang näher auseinandersetzt, läuft Gefahr, sich in Zeit und Raum zu verlieren. Kann es sein, dass diese so gegenwärtig erscheinenden Designs aus den frühen 1990er-Jahren stammen? Dass seine über die Laufstege stapfenden Models – in divers gecasteten Defilees, die meist in deckenlichtgefluteten Industriehallen stattfanden – so wirken, als hätten sie das gestern erst getan und nicht vor fast 30 Jahren?

Schwarzweißfoto einer Frau in Weiß, die mit erstem Gesicht über einen Laufsteg schreitet
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Schon das am Eingang zur Ausstellung „Helmut Lang: Séance de travail 1986–2005“ über einen gigantischen Bildschirm flackernde Video zeigt eine New Yorker Runway-Show von 1998, eine Modeschau ohne Publikum vor Ort, dafür live auf Langs Website gestreamt und später, auf CD-ROM gebannt, an die Branche verschickt: die erste digitale Fashion-Show ever, eine Pioniertat auf Fabriksbetonboden, in aller Coolness vollzogen. Und die textilen Designs, in Weiß, Grau und Beige gehalten, sind schlicht, reduziert, eben zeitlos. Kommende Woche wird im Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK) die Lang-Schau eröffnet; das Archiv des Künstlers lagert seit 2011 im MAK, seit 2020 werden wechselnde Teile daraus in der Schausammlung des Hauses dauerpräsentiert. Die große Ausstellung aber ermöglicht nun eine Art Panoramablick auf die Ideen, Methoden, Prozesse und Ergebnisse jenes Modevirtuosen, der sich Helmut Lang nannte.

Ende der 1970er-Jahre begann der in Wien Geborene, in der Steiermark Aufgewachsene seinen Aufstieg. Autodidaktisch eignete er sich das Modemachen an, betrieb schon 1979, als 23-Jähriger, eine Boutique, in der er Selbstentworfenes verkaufte. 1986, nach einer gefeierten Show im Pariser Centre Pompidou, gründete er in der französischen Hauptstadt das Label Helmut Lang – und begann, die Welt mit radikal minimalistischen, aber hocheleganten Entwürfen, realisiert mit oft ungewöhnlichen Materialien wie lackiertem Tweed, gekochter Wolle, Fischleder, Pferdehaar und Latex, zu verblüffen.

Undefinierbares flügelartiges Kleidungsstück über dem Schriftzug "Helmut Lang"
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1998 eröffnete er im New Yorker Stadtteil SoHo seinen Flagship-Store an der Adresse 80 Greene Street, der wie alle Helmut-Lang-Geschäfte eher einer Rauminstallation glich als einer Boutique. Es hätte noch lange so weitergehen können, doch im Jänner 2005, erst 48-jährig, beendete Lang seine Modekarriere, um sich neu orientieren zu können. Seither reüssiert Lang als Künstler, sein Atelier liegt in Long Island, New York, vertreten wird er von der Galerie Sperone Westwater. Er arbeitet, wie einst, mit gefundenen Objekten und unkonventionellen Materialien, denen er mit Hochtechnologie zu Leibe rückt. Er hat nie vorgehabt, sich mit der Ernte seines Weltruhms zur Ruhe zu setzen. Ein bequemes Leben zu führen, das liege nicht in seiner Natur, sagte er in einem raren Interview, das Cordula Reyer, eines seiner einst zentralen Models, für den „Standard“ 2015 führte.

Stefan Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.