„Unsere Weltkarrieren verbanden uns“
Jenes Gespräch, sagt sie auf profil-Anfrage, sei „sehr einfach“ zustande gekommen: „Wir sind so gut befreundet, dass wir einander vertrauen. Daher wusste ich auch, in welchem Rahmen ich mich diesbezüglich bewegen werde. Ehe wir ein Arbeitsverhältnis hatten, das sich über die gesamten 1980er- und 1990er-Jahre erstreckte, hatten wir eine Freundschaft. Sie hält bis heute. Ich würde sagen, wir sind voneinander begeistert – sowohl im Kleinen als auch im Großen. Dass wir beide während unserer Freundschaft eine Weltkarriere erlebten, verband uns noch mehr. Wahrscheinlich auch, weil wir immer aneinander glaubten.“
Tatsächlich wollte Helmut Lang schon vor seinen Erfolgen als Fashion-Designer Kunst herstellen, was aber seine Lebensumstände, wie er sagt, damals nicht zugelassen hätten. So scheint es nur logisch, dass er in den 20 Jahren des Modemachens seine Visionen stets mit anderen künstlerischen Positionen ergänzte: Eng arbeitete er etwa mit der Bildhauerin Louise Bourgeois und der Installationskünstlerin Jenny Holzer zusammen. Um seine aufsehenerregenden Stores zu realisieren, kooperierte er mit Architekten wie Richard Gluckman und Gregor Eichinger, und er ließ sich von den metallenen Skulpturen des Amerikaners Richard Serra inspirieren.
Die großen Hallen des MAK, in denen nun die schwarzen Blöcke der Lang’schen Store-Interieurs reinszeniert werden, eignen sich bestens dazu, die Wuchtigkeit ebenso wie die Details der Kreationen Langs zu veranschaulichen. „Da Helmut Lang bekanntlich kein klassischer Modedesigner ist, sollte das Ausstellungskonzept so interdisziplinär sein wie sein Schaffen auch“, erläutert Kuratorin Marlies Wirth; „diese große Schau – wir nennen sie bewusst nicht Retrospektive –, ist eine erste Bestandsaufnahme der wichtigsten Gestaltungsstrategien Langs.“ Der zurückgezogene Künstler, der zur Eröffnung nicht anreisen wird, sei „in alle Details dieses Projekts persönlich involviert“ gewesen, „aber nicht aus Kontrollzwang, sondern nach seinem Grundsatz: Alles ist gleich wichtig und gleich viel wert. Der Teufel steckt im Detail.“
Gefühl als Leitfaden
MAK-Direktorin Lilli Hollein bestätigt im profil-Gespräch, dass diese Ausstellung bereits seit sie 2021 ihr Amt angetreten habe, geplant gewesen sei. Es klinge vielleicht ein bisschen esoterisch, sagt Hollein, „aber ich glaube, Gefühl ist der Leitfaden durch diese Ausstellung. Am Ende ist das ein Lebensgefühl, das alle, die damals dabei waren, nachvollziehen können. Das hat diese flirrend-aufregende Neunziger-Aura. Wie hat das jemand zustande gebracht? Es sind zahllose kleine Elemente, die dazu beitrugen; sie sieht man hier quer durch unsere Räume: die Kollaborationen mit den Künstlerinnen, die Idee der maximalen Reduktion, die teuren Materialien, diese total einfachen Schnitte.“
Man habe, in Absprache mit Helmut Lang, um alles in der Welt vermeiden wollen, dass es eine „Fetzen-Ausstellung“ werde, lächelt Marlies Wirth. Denn es gehe nicht so sehr um die textilen Ergebnisse als um das größere Kunstverständnis Langs, um das Prozessuale hinter seinem Schaffen. So ungewöhnlich sei dies gar nicht, wirft Lilli Hollein ein: „Wir machen diese Ausstellung, wie wir auch das Wiener Werkstätten-Archiv präsentieren: als wichtigen Schatz, den wir vergegenwärtigen und zugänglich machen wollen. Und wenn wir eine Schau zur Wiener Werkstätte machen, finden wir es ja auch interessant, sehr viele Werkzeichnungen und sogar Werkzeuge dazuzulegen. Das ist hier ebenso: eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Entstehung dieser Ästhetik, dem Geist, dem all diese Stücke entsprungen sind.“
Sein Prozess, sagt Helmut Lang selbst, sei „weniger historisch als intuitiv“. Nachdem er weder eine Mode- noch eine Kunstausbildung genossen habe, erschaffe er sich seine eigene Sprache, „indem ich angstfrei und bis zum Umfallen mit den Dingen experimentiere“. Im Schindler House in West Hollywood, das heute eine MAK-Dependance ist, zeigte man unlängst das abstrakte skulpturale Schaffen des Künstlers Helmut Lang. Die Wiener Ausstellung konzentriert sich auf das davor liegende Werk: die „Séance de travail“ der Lang-Modejahre 1986 bis 2005. „Früher habe ich mit dem Körper gearbeitet, mit all den Dingen, die man dabei berücksichtigen und einsetzen muss“, erzählte Helmut Lang 2015 seiner Freundin Cordula Reyer. „Heute schaffe ich Körper, und zwischen der Grenze von Skulptur und der Radikalisierung des Bildes nehme ich mir jede mögliche Freiheit. Nur das Unerwartete ist interessant für mich.“
Ikonische Textilien
Die Mixed-Media-Schau im MAK zeigt Dokumente der Lang-Stores, Laufsteg- und Backstage-Ereignisse, Polaroids, Arbeitsunterlagen und Show-Videos, Werbekampagnen und Kollaborationen auch mit der Mapplethorpe Foundation, mit der Fotografin Elfie Semotan und ihrem Kollegen Juergen Teller: einige ikonische Kleidungsstücke wird man zu sehen bekommen, vor allem die legendären „Accessoires Vêtements“, hybride Objekte zwischen Kleidungs- und Ergänzungsstück. Im zentralen Raum findet sich eine interaktive Installation, die in realer Größe das Layout einer späten Lang-Modeschau, den detaillierten Sitzplan für all die Celebrities und Mode-Insider anschaulich macht, zwischen denen die Models auf komplizierten Wegen defilierten.
Die Ausstellung, zu sehen bis 3. Mai, wird über Langs 70. Geburtstag im kommenden März hinausreichen. Lang habe den „Aufbruch in eine neue Zeit“ orchestriert, sagt Lilli Hollein, „in die Queer Culture und die Diversity. Ich finde erstaunlich, wie umfassend der Kreis der Leute war, die Helmut-Lang-Aficionados wurden: die Steuerberaterin, der Kurator, die Journalistin, sie alle haben Sehnsüchte entwickelt und sich hineinprojiziert. Es war das Lebensgefühl einer Zeit, in Kleider, Accessoires und einen Duft gepackt. Ich bin als Design-Studentin auch sofort nach New York in Langs Parfümerie gepilgert. Wie irre das war, dass jemand für seine Parfüms einen eigenen Laden kreiert – und der ist dann ein Riesenauftritt für ein paar Flascherln! Wir reden von den 1990er-Jahren, da war Versace noch sehr präsent, da hatte alles Schnörkel, ein bisschen Samt und einen Vorhang dazu.“
Helmut Lang war gegenteilig gepolt, sagt Marlies Wirth: „Er lenkte den Blick, fokussierte auf kulturelle und emotionale Kontexte – und nicht auf Produkt und Konsum. Kleidung ist bei ihm nicht Dekoration oder Verkleidung, sie schützt und begleitet uns, verwandelt sich, macht mit: Kleidung als adaptives System.“ So erzählt die Ausstellung von einer Zeit, als man seine Marke noch strategisch aufbauen konnte, ohne über die Designer-Namen regierende Konzerne. „Lang wollte den Backstage-Pass zu seinen Shows genauso cool gestalten wie jedes Accessoire“, sagt Hollein noch – „weil alles ein Gefühl sein musste.“